Rennspiele dienen nicht nur seit längerer Zeit als Messlatte des grafisch machbaren, indem Reifen immer runder und der Lack noch etwas glänzender wird, sondern sind eigentlich auch schon seit ihren Ursprüngen Vorreiter der 3D Technologie beziehungsweise der First und Third Person Perspektive. Schon im Jahre 1976 wird das Urgestein Night Driver von Atari aus der Ego-Perspektive gespielt. Später entwickelt Sega mit dem Superscaler Klassiker Outrun und dem Polygonfrühwerk Virtua Racing wichtige Beiträge für die Darstellung räumlicher Tiefe und positioniert die Kamera hinter oder im Cockpit des Wagens, das wiederum in den aktuellen Gran Turismo Teilen bis ins kleinste Detail für hunderte von Modellen akribisch nachgebildet wird. So sehr der Blick aus Sicht des Fahrers oder Fahrzeugs auf die Strecke vor allen Dingen der Dynamik und einem eventuellen Simulationsanspruch zuträglich ist, ist er doch nicht die einige Möglichkeit, ein interaktives Rennen zu präsentieren: technisch sehr viel klassischer kommen seit jeher die Top-Down-Racer wie Ivan ‚Ironman‘ Stewart’s Super Off Road, Rock’n’Roll Racing, oder Skidmarks daher, die den Spielablauf teils auf einen Bildschirm beschränkt, teils bewegt, mal zentral von oben, mal aus leicht gekippter Perspektive, aber stets aus einem festen Blickwinkel mit relativ großem Abstand zum Renngeschehen zeigen. Ein ebensolches Rennspiel aus isometrischer, scrollender Ansicht ist Super Woden GP 2. Publisher EastAsiaSoft war so freundlich, mir einen XBox Code zum Testen auf meiner XBox One S zur Verfügung zu stellen, doch der Titel ist auch für praktisch jede aktuelle und Last-Gen-Plattform verfügbar. Der noch recht günstige Preis von 12,99 EUR und Retro-Charakter sollte dabei nicht zum Anlass genommen werden, anzunehmen, Super Woden GP 2 sei ein kleiner Rennspielhappen für zwischendurch, denn in Sachen Inhalt orientiert sich der Titel an den traditionellen Karieren einiger Rennspielklassiker und wartet dementsprechend mit einem geradezu üppigen Umfang auf:
Das Hauptmenü gestaltet sich als elegant schlichte Stadtkarte, die sicherlich nicht ganz unbeabsichtigt an das eingangs erwähnte Gran Turismo erinnert, und beherbergt unter anderem Shops von 9 fiktiven Automarken, die insgesamt über 180 Vehikel anbieten. Ohne offizielle Lizenz tragen diese zwar alle ausgedachte Namen wie Nanwolf Minion, die typischen Formen von Mini Cooper, VW Käfer, Porsche 911 oder Ferrari Testarossa sind allerdings derart unverkennbar, dass sich vermutlich irgendwo schon ein Anwalt gierig die Hände reibt. Wie diese kleine Aufzählung schon andeutet, erstreckt sich der mit gewonnenen Credits zugekaufte oder durch Siegprämien stetig wachsende Fuhrpark über mehrere Dekaden bis in die späten 90er und deckt Klassen von der knuffigen Hausfrauenkutsche und regulären Straßenfahrzeugen über Sportwagen und Oldtimer bis hin zu hochgezüchteten Rennboliden aus verschiedenen Motorsport-Serien ab. Zudem können die einzelnen Verkehrsmittel bei Bedarf individuell benannt und über ein einfaches Tuning-System in sechs Kategorien bis zu dreimal verbessert werden, wobei nicht jede Option für jedes Gefährt zur Verfügung steht.
Die mehr als 35 Stecken bieten ebenfalls einiges an Abwechslung und umfassen neben gar nicht mal so trivialen Ovalen nach US Vorbild und einfachen Stadttouren des weiteren Rundkurse, deren Straßenführung verdächtig bekannten Pisten wie Monza oder dem Suzuka International Racing Course ähneln, sowie zu den entsprechenden Fahrzeugen passende Rallye-Etappen von A nach B, die sich über den gesamten Globus verteilen.
Die Präsentation von Super Woden GP 2 kommt allerdings etwas bieder daher, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob das Spiel hier eine zum nostalgischen Spielgefühl zugehörigen Ästhetik punktgenau simulieren will. Denn ohne einen der optionalen Filter sind die bunten Grafiken hochaufgelöst und die Modelle für die Entfernung zur Kamera mehr als ausreichend detailliert, Umgebungselemente wie Häuserfronten, Streckenbegrenzungen oder die Landschaft wirken aber recht unspektakulär und effektarm. Vor allem an der Gestaltung und Farbgebung der Vegetation mit ihren oft identischen Bäumen in zu kräftigen Grün- und Orangetönen störe ich mit etwas, zumal diese mitunter kurzfristig den Blick versperren. Mittels der erwähnten Filter kann jedoch ein pixeligerer Look aktiviert werden, der dann durch Scanlines und warmes Leuchten die Darstellung auf alten Röhren- beziehungsweise Arcademonitoren nachahmt und den ich im Vergleich zu mach anderem retro-inspirierten Effekt für durchaus gelungen halte. Darüber hinaus sorgen verschiedene Tageszeiten und Witterungsbedingungen wie Regen oder Schneefall für etwas dynamischere und stimmungsvollere Lichtverhältnisse. Trotzdem wirken sich diese optisch nur recht dezent aus und ich persönlich hätte mich stattdessen etwas mehr über animierte Elemente wie jubelnde Zuschauer gefreut. Angesichts der leicht altbackenen Darstellung ist es dann auch nur konsequent, dass selbst ein erster Platz lediglich mit etwas Konfetti auf einem Textbildschirm statt einer rauschenden Siegerehrung gewürdigt wird.
Die schlichten Menüs, über die Fahrzeuge verwaltet und verbessert oder die nächsten Rennveranstaltungen geplant werden, sind ebenfalls auf das Wesentlich reduziert. Zwar könnte man die Cursorsteuerung an der ein oder anderen Stelle noch um einige unnötige Klicks reduzieren, grundsätzlich geht sie aber auch mit einem Gamepad leicht von der Hand. Wer allerdings nicht alle erfundenen Autonamen nebst zugehöriger Klassifizierung im Kopf hat, um so per Schultertaste zwischen den motorisierten Untersätzen zu wechseln, kommt nicht umher, etwas kompliziert jedes mal die Garage aufzurufen, um seine Wahl zu treffen, nur um dann wieder die jeweilige Austragung zu wählen.
Im Gegenzug zur Optik hätte nach meinem Dafürhalten die Musikauswahl dagegen etwas dezenter ausfallen können. Denn diese ist mit ihren mal Rock-, mal Chiptune-lastigen, fröhlichen und energiegeladen Stücken sicherlich nicht wirklich schlecht und stünde einem reinen Arcade-Titel bestimmt gut zu Gesicht, trifft dagegen nicht ganz meinen Geschmack, da sie doch trotz vermutlicher Anlehnung an SEGA-Evergreens nicht ganz an diese heranreichen kann, und beißt sich auch etwas mit den puristischen Rennaspekten, die zumindest die ordentlichen Motorengeräusche und Reifenquietscher gut vermitteln.
Doch alle Kleinigkeiten treten in den Hintergrund angesichts der erstklassigen Spielbarkeit von Super Woden GP II. Diese dürfte vor allem an der hervorragenden Steuerung liegen, die neben der Lenkung mit eigentlich nur drei Tasten für Gas, Bremse und gelegentlichen Handbremseneinsatz einerseits eingängig und simpel genug ist, um einen schnellen Einstieg zu erlauben, andererseits aber auch genügend Tiefgang für langanhaltenden Anreiz bietet. Dabei kommen die verschiedenen Charakteristika der zahlreichen Autos hervorragend zur Geltung, ohne zu sehr zur Simulation zu verkommen. Vor allem wird ein gutes Gefühl für das Gewicht und die Kraft der Boliden geboten, wenn sich z.B. eine Mittelklasselimousine langsam und mit großem Radius, dafür spurgenau um eine Kurve lenken lässt, während ein leichtgewichtiger italienischer Sportflitzer schneller, jedoch auch nervöser reagiert und bei zu leichtsinnigem Gaseinsatz mitunter ausbricht oder ein amerikanisches Muscle-Car bei heftigen Lenkbewegungen mit ausladend schlingerndem Heck über den Asphalt driftet. Auch die virtuelle Kamera, die das stets flüssige Renngeschehen einfängt, gereicht dem Spiel zum Vorteil. Denn zunächst etwas ungewohnt ist das zu steuernde Fahrzeug nicht etwa zentriert, sondern an den Rand des Bildschirms gedrängt. Dadurch wird andererseits eine maximale Sicht auf den anstehenden Streckenverlauf geboten und die Angst, den eigenen Wagen aus dem Blickfeld zu verlieren, ist unbegründet, ist der virtuelle Kameramann doch ein wahrhaft unfehlbarer Meister in der subtilen Wahl des Bildausschnitts. Um die mit der Perspektive zwangsläufig verbundenen Übersichtsprobleme weiter zu mindern, gibt es zum eine eine recht hilfreiche Minikarte und darüber hinaus werden Kurven sowohl akustisch als auf visuell vorangekündigt. Auf den normalen Rennstrecken geschieht dieses durch einfaches Piepen und ein Ausrufezeichen, doch für die verschlungenen Rallye-Pisten werden ausnahmsweise stilecht farbliche Pfeile genutzt und eine Frauenstimme mit leicht asiatischem Akzent informiert mit Ansagen wie „easy right“ oder „long left“ derart gut über den unmittelbaren Streckenverlauf, dass ich mir diese Möglichkeit auch für den Rest des Spiels gewünscht hätte. Die Rallye-Wettbewerbe sind mein persönliches Highlight und gäben schon für sich alleine ein erstklassiges Spiel ab, und dennoch sind die reinen Zeitrennen über verschiedene Schotter- und Eispisten nur eine von vielen Möglichkeiten, in Super Woden GP 2 dem Motorsport zu frönen. Eine große Auswahl an Veranstaltungen von Langstreckenrennen über kleinere, mehrere Kurse umspannende Serien bis hin zu Einzelereignissen warten darauf, freigeschaltet und gemeistert zu werden. Viele dieser Herausforderungen sind an Kriterien gekoppelt wie zum Beispiel eine Obergrenze der zugelassenen Leistung bis hin zur Beschränkung auf ein einzelnes Modell. Hier merkt man besonders, dass Super Woden GP 2 mehr als nur ein simpler Arcade-Racer sein will. Statt einer „billigen“ Gimmiband-Logik wird der Rennausgang mehr von der Leistung der beteiligten Boliden und den eigenen fahrerischen Fähigkeiten bestimmt. Dabei verzeiht das robuste Fahrmodell den einen oder anderen Rempler mit der Konkurrenz oder der Leitplanke, nur bei allzu ruppiger Fahrweise meldet das Schadensmodell einen Totalausfall. Das computergesteuerte Feld verhält sich weitestgehend korrekt, ist weder zu aggressiv noch zu passiv und macht ab und an auch schon mal einen Fahrfehler, woran nach meinem Empfinden der zentral gewählte von 3 möglichen Schwierigkeitsgraden erstaunlich wenig ändert. Im Wettstreit mit gleichwertigen Gegnern kommt es somit regelmäßig zu nervenaufreibenden Positionskämpfen. Das bedeutet allerdings auch, dass man sich bei unzureichender Ausstattung in den Rennen mit weniger restriktiven Einschränkungen gelegentlich die Zähne ausbeißt und klar den Nachteil auf seiner Seite hat, weil man durch Fehlkäufe schlichtweg untermotorisiert ist, während einem andere Wettstreite verschlossen bleiben, weil sich die gefordert Karosse noch nicht in der eigenen Sammlung befindet. Das ist aber nicht weiter schlimm, schließlich können die vorherigen Austragungen jederzeit wiederholt werden. Das wird nicht nur erneut mit entsprechendem Preisgeld für jede Position belohnt, sondern macht auch dauerhaft Spaß, weil man sich in den Online-Ranglisten mit Fahrerinnen und Fahrern aus der ganzen Welt vergleichen und vielleicht in einem guten Durchlauf die eigene Rundenzeit noch um die eine oder andere Sekunde reduzieren kann. Neben den obligatorischen Time-Trials, die die Bestleistungen auf leerer Strecke festhalten, gibt es für Multiplayer noch einen 4-Spieler Splitscreen Modus, den ich leider nicht ausgetestet habe. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, hat Entwickler ViJuDa mit Super Woden Rallye noch eine komplettes Arcade-Spiel mit in das Paket geworfen, das klassisches „Erreiche-das-Ziel-innerhalb-eines-Zeitlimits“ Gameplay und damit noch einmal eine völlig eigenständige Herausforderung bietet.
Rennspielfans jeglicher Epoche sollten sich somit nicht von der unauffälligen Optik dieses Titels abschrecken lassen. Denn hinter der Last-Last-Gen Grafik von Super Woden GP II verbirgt sich eine umfangreiche und einsteigerfreundliche Liebeserklärung an den Motorsport vergangener Tage mit Tiefgang, die vielleicht nicht ganz perfekt, aber doch sehr gut ist und sicherlich über Wochen, wenn nicht gar Monate hinweg Spielspaß und Motivation gewährleisten kann.