XBox Review: Castaway im Test (XBox One/XBox Series)

Genau, wie für manche ein Film schon alleine wegen der Darstellerriege oder Besetzung des Regiestuhls reizvoll sein kann, gibt es Beteiligungen an Videospielprojekten, die mein Interesse wecken, beispielsweise wenn Hideki Naganuma für den Soundtrack verantwortlich zeichnet oder eben Entwickler Johan Vinet, den ich schon seit längerem vor allem für seine lebendige Pixel-Art schätze, ein Spiel veröffentlicht.

Nachdem Lunarc eine Liebeserklärung an cineastischen Plattformer im Stile von Flashback oder Another World war, huldigt Castaway -der neueste Titel von Studio  Canari Games, für den mir freundlicherweise ein XBox-Code überlassen wurde- einem anderen klassischen Genre. Denn das Spiel ist unverkennbar eine Hommage an die The Legend of Zelda-Reihe und dürfte sich vor allem am NES-Erstling und a Link to the Past auf dem Supernintendo orientieren. Zumindest der Spielablauf des Storymodus ist damit schon mal klar definiert: als abgestürzter Weltraumpilot Martin erforscht man recht linear eine karge Insel nebst 3 Gewölben, löst ein paar kleinere, nette Puzzleaufgaben, die vorrangig aus Schieberätseln bestehen,  sammelt und verwendet einige Gegenstände, die für das Vorankommen nötig sind, bekämpft eine Handvoll (Boss)Gegner und rettet letztendlich seinen verlorenen Hund. Auffällig ist dabei bezugnehmend auf Vinets beiden kleinen Töchter eine Auswahl auch einfacherer Schwierigkeitsgrade wie „Pazifist“ oder „unbesiegbar“, die den Titel praktisch für die ganze Familie und sämtliche Erfahrungsstufen zugänglich machen soll. Doch egal, ob Einsteiger, Speedrun-Profi oder One-Hit-Kill-Veteran, die Erkundung des Eilands dürfte so oder so aufgrund des sehr überschaubaren Umfangs in 30 – 45 Minuten abgeschlossen sein, zumal es praktisch keine Geheimnisse oder Überraschungen zu entdecken gibt. Ob einem das die aufgerufenen 7,99 EUR wert ist, muss jeder selber entscheiden, zumindest wird aber nach dem Abschluss der Geschichte noch einen Überlebensmodus freigeschaltet, in dem man die erlernten Fähigkeiten und Werkzeuge in 50 bildschirmgroßen, vorrangig auf Kämpfe ausgelegte Räumen eines Turms auf die Probe stellen kann. Besiegte Feinde lassen dabei (schnell verschwindende) Münzen fallen, die nicht etwa in einem Shop ausgegeben werden, sondern als Erfahrungspunkte in eine entsprechende Leiste einfließen. Diese dürfte jeweils nach einigen Räume gefüllt sein und bietet dann drei zufällige, nützlich Items wie Lebensenergie oder mehr Schaden für die eigene Waffe zur Auswahl. Auch passive Eigenschaften, die im Hauptspiel nicht zur Verfügung standen, wie erhöhte Laufgeschwindigkeit oder schützende Kugeln, die um den Protagonisten rotieren, finden hier Anwendung.  Damit erhält dieser Modus zumindest etwas den Charakter eines „durchlauforientierten“ Spiels, ist aber definitiv kein Rouge-Lite, da die Räume und deren Abfolge unverändert vorgegeben sind.

Castawas Zielsetzung, quasi ein Mini-Legend-of-Zelda zu sein, wird zwar grundsätzlich erreicht, bereichert oder überflügelt aber vor allem in eingedampfter Form das immerhin fast schon 40 Jahre alte Spielprinzip in keinster Weise: Gefechte sind durch die im Nahkampf naturgemäß etwas holprige Kollisionsabfrage und gerade mal zweieinhalb Standardgegner bestenfalls „ganz in Ordnung“, und auch die drei Bossmonster sind weder komplexe noch imposante Widersacher. Die Gegenstände, die im kurzen Spielverlauf neue Passagen erschließen, sind mit Schwert, Spitzhacke zum zertrümmern von Felsblöcken und Greifhaken ebenfalls sicherlich nicht sonderlich innovativ, selbst wenn sie allesamt auch als Waffe genutzt werden können.

Doch die Verdichtung auf die Essenz eines Action-Adentures hat auch seine Vorteile beziehungsweise noch weitere Auswirkungen. So ist die Benutzerführung extrem entschlackt und Status- oder Auswahlmenüs überflüssig: Eine Karte steht erst gar nicht zur Verfügung und ist angesichts der Ausmaße der Landschaft auch gar nicht nötig, und die drei Ausrüstungsgegenstände stehen nebst Ausweichrolle jederzeit bequem über die vier Hauptknöpfe des Gamepads zur Verfügung, so dass die Steuerung kaum Wünsche offen lässt.
Mit der Reduktion von Umfang und Komplexität einher geht auch die audiovisuelle Gestaltung von Castaway und präsentiert sich in niedrigst aufgelöster Pixeloptik nebst Chiptune-Musik, die ebenfalls von klassischen Zelda-Melodien und -Jingels inspiriert ist. Die Grafik besticht durch ihre schlichte Klarheit, ist aber dennoch effektvoll und farbenfroh, so dass man sich in Zeiten des Saga Mastersystems zurückversetzt fühlt, in denen Spiele noch einfacher, aber dadurch nicht zwingend weniger spaßig waren.

Castaway könnte man somit mit einem Tütchen gebrannter Mandeln auf dem Weihnachtsmarkt vergleichen: Mehr ein kleiner Snack als eine sättigende Mahlzeit und vielleicht etwas teuer, andererseits aber auch verantwortlich für ein wohliges Gefühl in der Magengegend, das einen an schöne Kindheitstage zurückdenken lässt. Und dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Castaway mehr hätte sein können als nur ein sehr, sehr kurzer und oberflächlicher, nostalgischer Trip in die Vergangenheit, zumal Canary Games zum einen das Grafik-Pack, auf dem das Spiel zum Teil basiert, auch für andere Projekte zum Kauf anbietet, und Johan Vinet zum anderen hat durchklingen lassen, dass Castaway um weitere Episoden mit eigenen Spielmechaniken ergänzt werden könnte, sollte sich der Titel ausreichend gut verkaufen.

Kommentar


* Pflichtfeld