DVD Tipp: Scott Pilgrim gegen die Welt (und Tron)
geschrieben am 14.08.2011
Dass Regisseur Edgar Wright ein Talent für ungewöhnliche Genremixes besitzt, hat er bereits eindrucksvoll im humorvollen Zombiefilm Shawn of the dead bewiesen. Und so könnte man sich wohl keinen besseren vorstellen, um Brian Lee O’Malleys Kultcomic, der romantische coming-of-age Kommödie mit Kung Fu Manga, Superheldenepos und 8Bit Videospiellogik vermengt, auf die Leinwand zu bringen.
Bereits die ersten Sekunden des Vorspanns definieren die Zielgruppe und stimmen auf den folgenden Trip ein: denn wer beim Anblick des pixeligen Universallogos nebst Chiptune oder dem darauf folgenden Introsound aus Zelda3: a link to the past nicht ein breites Grinsen im Gesicht hat, könnte auch an an den folgenden 112 Minuten rund um die Abenteuer des 23jährigen Slackers Scott Pilgrims nicht ganz so viel Freude haben. Dessen beschauliches Leben spielt sich hauptsächlich zwischen den Proben seiner Band the sex bob-omb und „Dates“ mit der 17jährigen Highschool-Schülerin Knives Chow ab. Das ändert sich, als er Ramona Flowers, dem wortwörtlichen Mädchen seiner Träume, begegnet. Denn um mit ihr zusammen zu sein muss er ihre 7 bösen Exfreunde besiegen, die sich in einer Liga von Oberschurken mit übernatürlichen Kampfkünsten verbündet haben. Und ganz nebenbei gilt es auch noch einen Bandwettbewerb zu bestreiten.
Die abgefahrene Story weiß vor allem durch trockenen und nerdigen Humor zu gefallen. Es gibt unzählige clevere Referenzen auf Videospiele, Comics, Musik und Popkultur, ohne dass der Film dabei zur Spoof-Komödie verkommt. Es gleicht vielmehr einer liebevollen Hommage, wenn in der Spielhalle Ninja Ninja Revolution gespielt wird oder oder die Geschichte von Pacmans Namensgebung (vergeblich) als Anmachspruch zum Einsatz kommt. Dabei wurden nicht nur viele Gags aus den Comics übernommen, sondern die Möglichkeiten des Mediums genutzt, indem beispielsweise etliche Soundeffekte aus Spielen wie Sonic the Hedgehog oder dem Mac Betriebssystem eingebaut wurden.
Auch die restlichen Aspekte wissen zu gefallen: die Dialoge sind spritzig, die (weitestgehend unbekannten) Darsteller überzeugen, allen voran Michael Cera und die schnuckelige Ellen Wong (Jahrgang 1985, also kein unangebrachtes Adjektiv ;-)). Die Actionsequenzen sind furios inszeniert und die Optik ist hervorragend: Während andere Comicadaptionen ihre Herkunft oft verleugnen setzt Scrott Pilgrim bewusst auf Elemente wie Speedlines und visuelle Soundeffekte und erzeugt zusammen mit kräftigen Farben und einigen Pixeleffekten einen eigenständigen Look, der sich hinter Filmen wie 300, Matrix oder Tron nicht verstecken muss. Lediglich das Finale macht ein wenig zu sehr Gebrauch von diesen Elementen, wie auch insgesamt die zweite Hälfte des Films nicht ganz das perfekte Timing der ersten Stunde halten kann. Das mag daran liegen, dass die sechsteilige Scott Pilgrim Comicreihe zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch nicht abgeschlossen war und man etwas „improvisieren“ musste. Insgesamt ist das jedoch Jammern auf hohem Niveau.
Besonders erwähnenswert wäre noch die im Vergleich zum völlig gehypten Tron-Soundtrack erstklassige Musikuntermalung. Insbesondere die Stücke der auftretenden Bands, die zum Teil aus der Feder von Indie-Folk-Rocker Beck stammen, machen den Score praktisch zum Pflichtkauf. Kleiner Tipp: wer den Abspann bis zu Ende ansieht kommt in den Genuss einer coolen 8Bit Chiptuneversion von Threshold.
Ebenfalls gelungen, wenn auch nicht hervorragend, sind die Extras der DVD: Es gibt ein alternatives Ende (das mir sogar besser gefallen hat und von dem ich mir gewünscht hätte, dass man es auf der DVD in Anlehnung an die Videospielthematik interaktiv zur Auswahl in den Hauptfilm eingebaut hätte), Fotogalerien, Audiokommentare sowie eine Untertitelspur, die noch einmal auf die versteckten Gags und Anspielungen hinweist.
Spätestens bei der Gegenüberstellung zwischen Comicvorlage und Filmszenen sieht man, mit wie viel Liebe zum Detail und Begeisterung alle Beteiligten an dem Projekt gearbeitet haben, was Scott Pilgrim gegen die Welt auf jeden Fall für alle sehenswert macht, die sich auch nur im entferntesten für Videospiele oder Comics begeistern.