XBox One Review: Big Rumble Boxing: Creed Champions! im Test
geschrieben am 02.09.2021
Obwohl in den 80ern aufgewachsen und eigentlich empfänglich für entsprechende cineastische Nostalgie, sind die (mittleren) Rocky-Filmen relativ spurlos an mir vorbeigegangen. Zwar habe ich sicherlich irgendwann mal einige Teile der Filmreihe, die 1976 ihren Anfang fand, gesehen, und durch kulturelle Osmose vor allem die von Mister T und Dolph Lundgren verkörperten Gegner aus Teil III und IV nebst markanter Erkennungssprüchen wie „I pitty the fool“ oder „AAAAAADRIAAAAANNNNNN“ verinnerlicht, doch ansonsten kann ich mit den Filmen wohl auch aufgrund meiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Boxsport wenig anfangen. Dementsprechend blieb ich vom kurzen, durch Sportler wie Henry Maske oder die Klitschko-Brüder entfachten Box-Hype rund um die Jahrtausendwende genau so verschont wie von der Begeisterung für die „Creed“ betitelten Fortsetzungen der Rocky-Reihe von 2015 und 2018, die die Box-Saga in der nächsten Generation weitererzählen. Und auch im Videospielbereich ziehe ich bei 1 gegen 1 Prüglern das oftmals etwas phantastisch angehauchte östliche Martial Arts Setting dem Box- oder Wrestling-Metier vor. Ausnahmen von dieser Regel bildeten bisher die Punchout- und vor allem die Ready-2-Rumble – Reihe auf Dreamcast, die sich mit ihrer übertriebenen Inszenierung und schillernden Charakteren von den bodenständigen Box-Wurzeln entfernten und tief in arcade-lastige Gefilde vorwagten. Und hier schließt sich der Kreis, denn als ich einen ersten Trailer von Big Rumble Boxing: Creed Champions! sah, einem Boxspiel mit offizieller Rocky/Creed-Lizenz, fühlte ich mich sofort an R2R-Boxing erinnert. Für weitere Recherche steuerte Entwickler Survios, der sich auf Spiele mit TV- oder Filmbasis spezialisiert zu haben scheint, einen Code für XBox One bei, doch das Spiel erscheint am 03.09. auch für andere Plattformen wie Playstation, Switch und PC für ca. 40 Euro.
Ehrlich gesagt sorgt dieser Erscheinungstermin etwas für Verwunderung, hätte ich in Anbetracht der großen Lizenz doch eine medienübergreifende Bewerbung beispielsweise des dritten Creed-Films erwartet, der aber anscheinend erst 2022 in die Kinos kommt.
Ungeachtet dessen entpuppt sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! als grundsolides, leicht zugängliches Kampfspiel, jedoch ohne besonders hervorstechende Merkmale.
Bereits das schlanke Hauptmenü weist lediglich die Optionen Arcade und Versus als echte Spielmodi aus. Eine Online-Anbindung fehlt zwar, doch wenigstens können die einzelnen Kämpfe in der Versus-Variante zu zweit oder gegen die CPU bestritten werden. Der Arcade-Modus hätte dagegen auch gut Story benannt werden können, erzählt er doch den Werdegang eines jeden der 20 wählbaren Charaktere. Zehn von diesen Sportler sind zu Beginn jedoch gesperrt und müssen erst durch Vervollständigung der Geschichten anderer Boxer oder einem rudimentären Fortschrittssystem in der Versus-Variante freigeschaltet werden. Als notorischen Solo-Spieler erinnert mich das nicht nur angenehm an den Spielaufbau vergangener Tage, sondern ist für mich auch hinreichende Motivation, mich zumindest etwas länger mit dem Titel zu beschäftigen. Als meine erste Kämpfer-Wahl traditionsbewusst auf Rocky Balboa fiel, staunte ich nicht schlecht, als mir zunächst zahlreiche Dialogboxen und Charakterprofile im Stile einer Visual Novel präsentiert wurden, (inklusive gegrunzter „ha“ und „hmmm“ Laute, die über die eingesparte Komplettvertonung hinwegtäuschen sollen) gefolgt von einigen Trainings-Minispielchen, in denen beispielsweise rhythmisch die Schulter-Trigger gedrückt oder unter Zeitdruck Tastenkombinationen nachgeahmt werden müssen, während man auf tiefgefrorene Schweinehälften einprügelt. Derartige Intermezzi sind zum Glück selten, fallen nicht negativ auf und dienen tatsächlich der Auflockerung der Story. Die sind nämlich ähnlich der Handlung eines Pornostreifens leider nur eine Reihe von schlecht geschriebenen Vorwänden für den folgenden körperlichen Einsatz, so dass ich mich relativ schnell gelangweilt durch die Texte klicke, um zu den Kämpfen zu gelangen.
Dort greift Big Rumble Boxing: Creed Champions! auf eine relativ einfache Steuerung zurück, die mich etwas an eine unspektakulärer inszenierte Variante des Kampfsystem der Naruto Ninja Storm Spielen von CyberConnect2 erinnern. Durch wiederholtes Drücken des X-Knopfs -teils in Kombination mit den Richtungstasten- lassen sich einfache Schlag-Folgen ausführen, die bei Bedarf mit einem auch einzeln anwendbaren kraftvollen Hieb abgeschlossen werden können. Zwar unterteilen sich die Athleten in Klassen wie flinke Schwärmer oder Schläger und reagieren mit etwas unterschiedlichen Aktionen auf die Eingaben, steuern sich aber dennoch allgemein ziemlich ähnlich, zumal das Repertoire an Haken, Schwingern und Uppercuts recht überschaubar ist und jederzeit im Optionsmenü eingesehen werden kann. Weitere Elemente wie ein Klammer-Punch, unblockbare Angriffe, Status wie Benommenheit und eine Superleiste, die gefüllt einen verheerenden, in einer einer kleinen Videosequenz präsentierte Attacke auslösen kann, ergänzen die offensiven Möglichkeiten zu hinreichender Komplexität, lassen jedoch wirklichen Tiefgang vermissen. Zur Verteidigung können sich die Figuren wie für 3D-Fighter üblich nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach vorne und hinten bewegen und so – wahlweise auch per flinkem B-Button-Dash – etwas Platz zwischen sich und ihrem Kontrahenten schaffen oder einer Geraden ausweichen. Der Block per rechter Schultertaste stellt dagegen die etwas sichere Art der Defensive dar, die zwar durch eine eigene, sich regenerierende Energieleiste begrenzt sein sollte und auch das Bewegen verhindert, aber dennoch nur selten echte strategische Überlegungen nötig macht. Interessant ist vielmehr die Möglichkeit, durch einen perfekt abgestimmten Block kurz vorm Treffen eines generischen Schlags diesem automatisch auszuweichen und einen Konter anzubringen. Um dieses Manöver jedoch zuverlässig ausführen zu können oder Feinheiten zu ergründen vermisse ich jedoch tatsächlich so etwas wie ein Tutorial, dass mir die Konzepte interaktiv darlegt, statt sie mit in reiner Textform in der Anleitung zu präsentieren. So kann auch reines Button- und Block-Gemashe zielführend sein, zumal das Einstecken von Schlägen getreu dem Vorbild durchaus gewollt zu sein scheint. Recht gut hat mir in diesem Zusammenhang dann auch die Abbildung des strukturellen Aufbaus eines Boxkampfs gefallen, mit dem sich das Spiel von anderen reinen Kampfspielen unterscheidet. Denn wie zu erwarten wird auch in Big Rumble Boxing: Creed Champions! nicht um Punkte gekämpft, sondern der Sieger ausschließlich über einen KO bestimmt. Doch statt einfacher „Best of 3“ Kämpfen mit stets neu aufgefüllten Energieleisten ist eine leere Gesundheitsanzeige nicht wirklich mit dem Verlieren eines Durchgangs gleichzusetzen. Vielmehr geht der angeschlagene Kämpfer zu Boden und wird angezählt, kann sich aber durch stets schwerer werdendes Hämmern auf X wieder aufrappeln, während sich der Lebensbalken des Gegenübers etwas füllt. Da beide Kontrahenten auch zwischen den standardmäßig 60 Sekunden andauernden Runden geheilt werden, ist hier echtes Taktieren möglich. Soll ich beispielsweise aggressiv vorgehen und versuchen, den Gegner per Superschlag noch diese Runde auf die Matte zu schicken, oder doch lieber auf Distanz gehen, um diese mächtige Option und die eigene angeschlagene Gesundheit über die Glocke zu retten?
Anders als in den Versus-Kämpfen lassen sich im Arcade-Modus leider nicht die Parameter für Rundenanzahl, -dauer und KO-Anfälligkeit einstellen, wodurch sich die Wettkämpfe etwas ziehen können, da das Gegenüber drei- bis viermal auf die Matte geschickt werden muss, bis es dort auch ausgeknockt liegen bleibt. Das ist vor allem ärgerlich, da gefühlt die KI stark schwankt und so einige Gegner selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade eine Herausforderung darstellen.
Wenigstens wird der Schlagabtausch dabei hübsch präsentiert. Auch im angedeuteten, farbenfrohen Comic- beziehungsweise Action-Figur-Look sind die Modelle ihren Leinwand-Darstellern wie Sylvester Stallone oder Michael B. Jordan gut nachempfunden, detailliert gestaltet und mit netten Effekten wie glitzerndem Schweiß versehen, so dass ich ganz neidisch auf den ein oder andere Waschbrettbauch oder Bizeps bin. Da der Rocky-Kanon trotz immerhin acht Filmen vermutlich nicht ausreichend Vorlagen für einen 20 Personen-Kader liefern konnte, wurde dieser mit Kreationen aufgestockt, die sich genretypisch bei nationaler Stereotypen wie dem rothaarigen Iren, drahtigen Mexikaner oder bärtigen „Wikinger“ bedienen, sich aber für meinen Geschmack noch im Rahmen des vertretbaren bewegen. Zudem würde ich davon auszugehen, das das Entwicklerstudio an durch die Lizenz vorgegebenen Restriktionen gestoßen ist. Schließlich die Filme in der realen Welt angesiedelte Sportdramen. Daher dürften allzu exotische Widersacher wie grünhäutige Dschungelbewohner mit Elektrofähigkeiten, indische Fakirboxer mit Gummiarmen oder gemischte Kämpfe gegen Boxerinnen Tabu gewesen sein. Gleiches gilt wohl auch für Kostüme und Arenen. Als reguläre Wettkämpfe ausgetragen sind die meisten Kämpfer lediglich mit den typischen Boxershorts(?), bekleidet. Straßenkleidung bildet da schon die exotische Ausnahme, und die freispielbaren Skins stellen lediglich Farbvarianten dieser Kleidung dar. Einen Fight gegen ein gealtertes Rocky-Modell oder einen mit Goldketten behangenen Mr. T sucht man ebenso vergeblich wie eine all zu extravagante Umgebung. Denn die sind ebenfalls größtenteils klassische Box-Ringe, die in kleinen Trainingshallen oder größeren Veranstaltungsälen platziert sind. Im Rahmen der Möglichkeiten sind diese Umgebungen trotzdem ausreichend abwechslungsreich. Der Ring in der Wüste Nevadas steht beispielsweise unter freiem Himmel, während das nächtliche Hinterhof-Setting mit der Besonderheit aufwarten kann, dass hier die eng gespannten Begrenzungsseile entfallen. Zusammen mit den flüssigen Bewegungen, die nur in Einzelfällen wie einem Schlag in den Rücken etwas merkwürdig wirken, wird so ein stimmiges Bild erzeugt. Man merkt jedoch auch, dass sich viele Charaktere Animationen teilen, und technisch wäre der Titel so oder so ähnlich sicher auch auf einer XBox 360 möglich gewesen wäre. Das soll keineswegs herabwürdigend gemeint sein, sondern dürfte vielmehr dem spielhallenkompatiblen, schnell zugänglichen Charakter des Spiels geschuldet sein. Komplett überzeugen kann die Präsentation unter diesem Aspekt dann aber doch nicht und stellt vor allem unter Beweis, wie wichtig gutes Sounddesign ist. Denn während Schwinger, Blocks und Co. auch mit leuchtenden Handschuhen, bunten Lichtspuren und -Blitzen einem Actioncartoon gerecht in Szene gesetzt werden, klingen die Einschläge der Faust-Ummantelungen etwas mau und lassen an Wucht vermissen. Auch die Reaktionen auf Treffer hätten für meinen Geschmack noch etwas übertriebener ausfallen können, doch vielleicht ist eine fehlende Extradrehung beim Taumeln oder bogenreiche Flugbahnen beim Knockout ebenfalls der oben angesprochenen Verankerung im Creed-Rocky-Universum geschuldet.
Außerdem finde ich, dass bei den Kommentaren und Ansagern falsche Schwerpunkte gesetzt wurden. Zwar gehört ein Michael Buffer eben wohl nicht zum Lizenzvertrag des MGM Filmstudios, doch ließen sich gerade die typischen Intros der Wettstreiter leicht Nachahmen, zumal auch andere Stimmen wie Stallones typisches Gelalle von den Ersatzsprechern imitiert werden. Leider gibt es aber keine individuellen Begrüßungen oder Kommentare, wenn beispielsweise Vater gegen Sohn antritt. Auch auf einen Schiedsrichter, der den Boxer am Boden sichtbar anzählt, wurde verzichtet. Stattdessen übernimmt diese Aufgabe zumindest in den Publikumsarenen ein Off-Sprecher, der die Veranstaltung auch live kommentiert, doch dieser Ansager lässt ebenso wie das Publikum einiges an Enthusiasmus vermissen.
Musikalisch erfüllt Big Rumble Boxing: Creed Champions! dann aber wieder alle Erwartungen, indem es mit kultigen Songs aus den Filmen wie Survivors „Eye Of The Tiger“ oder der Rocky-Hymne „Gonna Fly Now“ aufwartet. Ergänzt wird der Soundtrack vorrangig durch lizensierte Hip-Hop-Songs, doch vor allem ein energiegeladenes Elektrostück (dessen Interpretin ich leider nicht in den Credits ausmachen konnte) hat echte Ohrwurmqualitäten.
Alles in Allem kann sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! zwar nicht mit Genre-Schwergewichten wie Tekken messen, ist aber dennoch ein nettes, wenn auch etwas seichtes, einsteigerfreundliches Kampfspiel, das mit seinem Setting vor allem für Box- und Rocky-Fans interessant sein dürfte sich. Gerade hinsichtlich Spieltiefe und -umfang sind die geforderten 40 EUR dann doch etwas happig, so das ich bei Interesse gegebenenfalls auf einen Sale warten würde.