Mini Classics: Game & Watch Taschenspielerei
geschrieben am 02.04.2018
Als ich vor kurzem an der Kasse einer größeren Drogerie-Kette anstand staunte ich nicht schlecht über das, was ich beiläufig in einer Grabbelkiste mit reduzierten Spielwaren entdeckte: Zwar war mir die grundsätzliche Existenz der von der Firma Stadlbauer vertriebenen als Mini Classic betitelten LCD-Spielchen bereits seit Jahren durchaus bekannt, jedoch ist mir nie ein Exemplar in freier Wildbahn begegnet, was mich vermuten ließ, dass Produktion und Verkauf bereits eingestellt wurden (wobei ich mich zugegebenermaßen auch eher selten in Spielwarenabteilungen herumtreibe).
Das bemerkenswerte an diesem eigentlich trivialen Chinaspielzeug ist, dass das österreichische Unternehmen neben Eigenproduktionen auch offiziell von Nintendo lizenzierte Game & Watch Spielchen in das etwa streichholzschachtel-
große Plastikgehäuse verfrachten lässt, das nicht von ungefähr an einen Gameboy erinnert. Und so gibt es das als Schlüsselanhänger verkaufte Produkt in den Ausführungen Donkey Kong Jr., Octopus oder – wie im vorliegenden Fall – Mario’s Cement Factory.
Die Anfang der 80er Jahre von Gunpei Yokoi ersonnenen ursprünglichen Game & Watch Minikonsolen mit jeweils einem fest verdrahtetem Spiel als Urahn aktueller Handhelds zu bezeichnen ist vielleicht etwas übertrieben, schließlich waren sie vielmehr als Experiment weiterer Anwendungsmöglichkeiten der für Taschenrechner und Armbanduhren genutzten günstigen LCD Technik und Elektronik gedacht. Zudem hatte Nintendo bereits von diesen einfachen Geräten grundverschiedene Videospielsysteme für Arcades und den Heimbereich entwickelt. Nichts desto trotz fanden Diverse von Yokoi entworfene Elemente wie das Steuerkreuz oder ein zusammenklappbares Gehäuse mit zwei Bildschirmen Verwendung in späteren Nintendoprodukten. Anders herum wurden populäre Nintendofranchises wie Mario, Zelda oder Ballon Fight mit eigenen Game & Watch-Konsolen bedacht und die in vielen der Produkten dieser Reihe auftauche Figur des Mr. Game & Watch reiht sich – wenn auch nicht ganz so bekannt wie andere – in den Pantheon populärer Nintendocharaktere ein. Somit erschienen bis Mitte der Neunziger 56 verschiedene Modelle dieser Spielzeuge, die sich ehrlicherweise bereits in den Achtzigern und erst recht im Jahr 2018 nicht gerade durch Spieltiefe auszeichnen. Und so ist auch das bis auf einige optische Kleinigkeiten weitestgehend authentisch umgesetzte Mini Classics: Mario’s Cement Factory ein einfaches Reaktions- und Geschicklichkeitsspiel, bei dem es darum geht, unter Zuhilfenahme zweier Aufzüge die Spielfigur durch die zweistöckige Fabrik zu bewegen und Hebeln rechtzeitig zu drücken, um Zementsäcke auf LKWs zu laden, ohne dass dabei Sammelbehälter überlaufen oder eine Liftplattform verpasst wird. Eine praktische Daseinsberechtigung erfüllt das kleine Gerät freilich nicht, zumal vor allem dank Handys mobile Unterhaltung in jeglicher Form allgegenwärtig ist. Mit Abmessungen von knapp 4,5 cm x 6,5 cm x 1,5 cm ist der Gameboyverschnitt als tatsächlicher Schlüsselanhänger meiner Meinung nach auch nicht wirklich zu gebrauchen, und die Alibi-Nutzung als Uhr und (Reise)Wecker war bereits damals mehr als fragwürdig und wird heutzutage kompetent durch diverse andere Gadgets abgedeckt. Als Sammelgegenstand taugen sie – anders als die original Game & Watch Geräte – ebenfalls wenig, sind sie doch lediglich günstig produzierte Plastiknachbauten. Vielmehr sollte man die Mini Classics als nostalgische Retrokuriosität ansehen, die zumindest die Erinnerung an einen interessanten Abschnitt aus Nintendos Firmengeschichte aufrecht halten. Vor allem unter diesem Aspekt würde ich mir übrigens eine edle Mini-Neuauflage von Sega VMU inklusive USB-Anschluss wünschen: Die Visual Memory Unit diente nicht nur als Speicherkarte für Segas Dreamcast, sondern war quasi eine eigenständige Minikonsole mit Display und Steuerelementen, die von den „großen“ Dreamcast-Spielen mit Software wie dem Tamagotchi-Verschnitt Chao Adventure oder dem Powerstone Shoot-em-up versorgt wurden. In Zeiten diverser Bastlerprojekte und crowdgefundeter programmierbarer Mikrokonsolen wie Arduboy oder Pocketchip müssten sich doch eigentlich ausreichend Unterstützer für diese Idee finden, oder?