XBox One Review: Blind Fate: Edo No Yami im Test
geschrieben am 20.09.2022
Sicherlich haben wir alle unsere Vorlieben, was das jeweilige Setting eines Videospiels angeht. Als ich den Trailer und erste Screenshots von Blind Fate: Edo No Yami sah, hat der Titel sofort mein Interesse geweckt, mutete er doch wie eine moderne Interpretation des klassischen sidescrolling Actiongenres a la Shinobi an mit cooler 80er Asia-Cyberpunk-Ästhetik voller japanischer Neonwerbung, die sich nächtens in regennassen Straßen voller futuristischer Fahrzeuge spiegelt.
Entwickler Troglobytes hat mir dann auch freundlicherweise einen Reviewcode für die XBox One Version überlassen, das Spiel ist aber auch für Series X/S, Playstation, Switch und den PC verfügbar. Leider ist dann aber auch der letztlich doch etwas unerwartet andere Hintergrund, vor dem die Handlung von Blind Fate: Edo No Yami angesiedelt ist, noch der beste Aspekt des Machwerks, und das, obwohl auch spielmechanisch hier einige eigentlich interessante Ansätze eingeflochten wurden. Denn der Titel erstreckt sich über mehrere Zeitstränge und verbindet traditionelle japanische Folklore und Geschichte mit einer postapokalyptischen Science-Fiction-Welt voller Maschinen in Tier- und Fabelwesengestalt, ähnlich Enslaved oder Horizon. Protagonist Yami ist Samurai und Dämonenjäger, hat jedoch in seinem letzten Kampf nicht nur seine Ehre, sondern auch diverse Körperteile inklusive seines Augenlichts verloren, woraufhin er von der antiken künstlichen Intelligenz in Robotergestalt namens Tengu mit Hilfe allerlei bionischer Implantate zusammengeflickt wurde. Überraschenderweise gehört eine einfache Kamera wohl nicht zum futuristischen Ersatzteillager, so dass Yamis Wahrnehmung der Umgebung zum Teil auf jahrhundertealten Aufzeichnungen aus Tengus Archiven beruht, als Nippons Zivilisation offenbar auf ihrem vermeintlichen Höhepunkt war. Etwas unrealistisch scheint sich zumindest auf den zweidimendionalen Laufwegen des Helden seither praktisch kaum etwas verändert zu haben, nur gelegentlich ist beispielsweise ein solide dargestellter Boden zwischenzeitlich eingebrochen oder eine Brücke seitdem verrottet, so das man dort quasi durch solide Szenerie glitcht. Die Repräsentation der Umwelt kann auf Basis frischerer Daten aktualisiert werden, und auch die in Yamis Krieger-Maske eingebauten Sensoren für Geräusche, Gerüche und Wärme, die bei Bedarf das Bild überlagern beziehungsweise einfärben, helfen, die Situation besser einzuschätzen. Da entpuppt sich mit aktuellen Informationen eine prall gefüllte Lagerhalle als inzwischen verfallene Ruine oder ein augenscheinlich idyllisches Dorf offenbart in der Geruchsansicht unzählige Opfer einer Schlacht mit den Kami und Yokai genannten Gegnern. Das ist sicherlich ganz nett für das überraschend gesprächige Actionspiel, dessen Story sowohl in In-Engine-Cut-Scenes als auch kleinen Comic-Filmchen und vielen mit durchaus kompetenten Sprecherinnen und Sprechern vertonten Dialogboxen erzählt wird, wirklich bahnbrechende spielerische Neuerungen ergeben sich dadurch aber nicht. Vielmehr wirkt das ganze wie ein aufgesetztes Gimmick, das nach seinem Einsatzzweck sucht und sich recht schnell abnutzt. Dementsprechend lässt sich zwar mit einigen Objekten nur im entsprechenden Visualisierungs-Modus interagieren, praktisch entstehen dadurch aber nur weitere von vielen Sollbruchstellen, die die Action ausbremsen, indem regelmäßig der zur Lage passende Filter aus dem wenigstens jederzeit über den linken Trigger leicht aufrufbaren Menü zu wählen ist. Theoretisch müssen auf diese Art und Weise eigentlich auch die Feinde entdeckt werden, doch zum Glück verbleibt in den Auseinandersetzungen entlang der linearen Level ein Echtzeitbild der mechanischen Wiedersache, auch wenn man sie vorher nicht anhand ihrer Schritte, Ausdünstungen oder Wärmesignatur entdeckt hat. Leider sind diese üblicherweise unausweichlichen Kämpfe, die einen Großteil des Spiels ausmachen, alles andere als inspiriert, obwohl Blind Fate: Edo No Yami mit flotten Komboangriffen, Blocks, Doppelsprüngen, Dashes und mehr eigentlich genug interessante Verben zur Verfügung stellt, um daraus ein gefälliges Spektakel zu formulieren. Stattdessen kommt jegliche Dynamik schnell zum erliegen, wofür es viele Gründe gibt. Zum einen wurde ein meiner Meinung nach völlig überflüssiges Ausdauersystem eingebaut, das anscheinend jedes Spiel seit Dark-Souls braucht. Nun muss man diese Leiste nicht zwingend nach jedem Angriff im Auge behalten, sondern sie erlaubt durchaus einige Attacken oder Paraden in Folge, verwehrt dann aber doch oft genug im Eifer des Gefechts den ein oder anderen Hieb. Wie an vielen anderen Stellen scheint das Spiel hier nicht genau zu wissen, was es sein will. Denn für eine flotte Katana-Choreografie im Stile der 16-Bit-Generation wirkt das Kampfsystem etwas zu sperrig und die Feinde zu sehr in speziellen Arena-Abschnitten positioniert, statt sie organisch in den Spielabschnitten zu verteilen, während es für bedächtige Duelle an Tiefgang fehlt. Das merkt man vor allem an den ewig gleichen Angriffsmustern der jeweiligen Gegnertypen. Hat man die mit kleinen Symbolen angezeigten Abfolgen aus blockbaren und unüberwindlichen Offensivmanövern erst einmal verinnerlicht, verkommen die Gefechte weitestgehend zu stupider Knöpfendrückerei. Dass Blind Fade dabei selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad durchaus kein Spaziergang ist, liegt dann eher an den sehr knapp bemessenen Reaktionsfenstern und teils unfair hohem Schaden denn an einer echten Herausforderung. Darüber hinaus gibt es noch weitere, sicherlich gut gemeinte Elemente, die aber jeglichen Metzelflow vollends zum erliegen bringen. Denn eine nach mehreren erfolgreichen Treffern gefüllte Benommenheitsanzeige des Gegenübers ermöglicht es, zu einem besonders verheerenden Schlag anzusetzen. Dazu muss aber erst in den Sichtmodus des angezeigten Icons gewechselt und anschließend ein kleines Microspiel bestritten werden. Das Spiel nennt das „die Schwachstelle des Gegners aufdecken“, doch inwieweit die Sensoren dabei inhaltlich hilfreich sein sollen, bleibt offen. Noch störender sind da nur noch die Finisher-Moves, die nach einigen obligatorischen Upgrades der Spielfigur auf die einfachen Standardgegner auch komplett ohne vorherigen Schlagabtausch angewendet werden können, und die nach einem ebenfalls stets identischen Quick-Time-Event die immer gleiche, viel zu lange, altbacken wirkende Animation in Nahaufnahme abspielt. Wen übrigens diese auch in Boss-Fights für so spektakuläre Aktionen wie „vorsichtig auf ein gut 1,5 Meter hohen Baum klettern“ genutzten und mit viel zu kleinen Einblendungen angezeigten QTEs nerven, sei gesagt, dass Fehleingaben innerhalb der Zeitvorgaben nicht bestraft werden, so dass man einfach alle Knöpfe des Controllers gleichzeitig drücken kann, um die Aufgabe erfolgreich zu absolvieren. Diese und dutzende andere Entscheidungen zeigen dabei fast Parallelen zur Story auf und wirken nahezu wie Abbilder einer vergangenen Zeit, als ob es die Erkenntnisse, Verbesserungen, Trends und Standards in Sachen Spieleentwicklung nie gegeben hätte. Auflockernde Versatzstücke aus dem Action-Adventure-Genre wie Schiebepuzzle und Schalterrätsel hat man in unzähligen anderer Titel sehr viel besser umgesetzt gesehen und geben Blind Fate: Edo No Yami keinen echten Mehrwert. Designsünden wie (versteckte) bodenlose Gruben oder sonstige Gefahren, die den sofortigen Tod bedeuten, unglücklich positionierte Rücksetzpunkte oder sich ewig hinziehende Endgegnerkämpfe, in denen man winzig kleine Segmente aus einer viel zu langen Lebensleiste schlägt, wecken zwar auch die eingangs erhofften Retrogefühle, aber nur dahingehend, als dass man sie als eigentlich inzwischen ausgemerzte Relikte betrachtet. In diesem Zusammenhang hat Blind Fade: Edo No Yami dann auch an diversen Stellen Probleme mit Tempo und Fluss der Erzählstruktur und des Spielgeschehens, etwa, wenn man durch ereignislose Korridore sprintet oder nach einer Cartoonsequenz kurz in die Spielwelt entlassen wird, nur um nach wenigen Metern den Level anschließend zu verlassen.
Zu dieser langen Liste an gestalterischen Mängeln gesellt sich zu allem Überfluss auch noch der eine oder andere technische Bug, der nicht reproduzierbar von kompletten Tonaussetzern über unverwundbare Feinde bis hin zu einer einbrechenden Bildwiederholungsrate in den einstelligen Bereich reicht. Während ein Neustart oft Abhilfe schafft, war eine Unstimmigkeit im Fähigkeitenbaum besonders ärgerlich, die zwar dauerhaft die Bezahlung einkassierte, aber nicht die entsprechende Bewegung freigab.
Positive Aspekte wie die eingangs angesprochene Story, durchaus ansehnliche Grafik, die – sofern gerade kein Fehler auftritt – flott über den Schirm flimmert oder der stimmige Soundtrack, der asiatische Klänge mit wabernden Synth-Sounds verbindet, können Blind Fate: Edo No Yami ebensowenig retten wie der Hauch von Metroidvania, der versteckte Bereiche und Abschnitte erst nach dem Erwerb bestimmter Moves zugänglich macht. Der Titel hat mir einfach keine Freude bereitet und ist ein gutes Beispiel dafür, dass man niemals ein Buch nach seinem Einband beziehungsweise ein Spiel nach seinem Trailer beurteilen sollte. Sobald etwas Spielspaß aufkam, wurde dieser umgehend durch eine fragwürdige Entscheidung oder unpassendes Gameplay-Element erstickt, die zu zahlreichen „Ach komm schon …“ und „Was? Ernsthaft?“ Ausrufen führten. Selbst beim inzwischen bereits einige Jahre alten Strider Reboot dürften Freunde fernöstlicher Schwertschwingereien besser aufgehoben sein als bei Blind Fate: Edo No Yami.