Neben der Optik bestimmt vor allem der Sound die Präsentation eines Videospiels. Was wäre Jet Set Radio ohne die geniale Musik, was ein Star Wars Game ohne kreischende Tie Fighter, tief brumende Lichtschwerter und Blaster-Pew-Pew? Nun finde ich es grundsätzlich wichtiger, WAS ich höre, anstatt WIE, und vertraue dementsprechend bislang auf recht simple Technik: Für Podcast und gelegentliche Musik am Handy nutze ich einfache Ohrstöpsel mit Kabel, und die Akustik diverser Konsolen dringt noch aus den Lautsprechern eines inzwischen betagten Samsung LCD-Fernsehers. Zwar wird von vielen Seiten suggeriert, das eigentlich die Boxen aller Flachbildfernseher minderwertig seien, doch bin ich eigentlich ganz zufrieden, zumal die Alternativen auch nicht frei von Probleme sind: einer wuchtigen Surround-Anlage möchte ich weder Platz spendieren noch sie den anderen Mietparteien aussetzen, einige probegehörte Soundbars klangen auch nicht viel besser an als der Ton aus dem TV, und wenn die Schritte, die anscheinend nötig sind, um einen Bluetooth-Kopfhörer mit der XBox One zu verbinden, eine App auf dem Mobiltelefon beinhalten, kann wohl kaum von unkomplizierter Technologie die rede sein. Durch Zufall bin ich dann auf das kabelgebundene Lioncast LX25 Gaming Headset gestoßen, das als Einsteiger-Headset nur gut 30 EUR kostet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir anfänglich nicht einmal sicher war, ob der 3,5mm Anschluss die geeignete Verbindung darstellt, da in meinem Kopf irgendwo noch das Anschluss-Maß 2,5mm herumgeisterte. Wem es ähnlich geht, sei versichert, dass 3,5mm der übliche Anschluss für Kopfhörer an Handy, PC und XBox Controller ist und das LX25 somit für all diese Geräte geeignet ist. Für den PC ist gar Adapterkabel im Lieferumfang enthalten, das bei Bedarf auch den Mikrofoneingang mit abdeckt.
Rein optisch hinterlässt das Lioncast LX25 schon mal einen guten Eindruck: Wie bei dem Preis nicht anders zu erwarten ist vorrangig Kunststoff verbaut, dennoch wirkt alles robust und mit der kompakten Form wie aus einem Stück, womit es sich schon mal von etwas labbrigen Kopfhörern unterscheidet, die mehr mit Bügeln zusammengehaltene Lautsprecher zu sein scheinen. Das angenehm leichte Headset sitzt dank der dicken Schaumstoffpolsterung der Hörmuscheln eigentlich recht bequem und umschließt auch große Ohren vollständig, bei einigen allzu langen Sitzungen macht sich dann aber bei mir doch etwas Druck bemerkbar (merkwürdigerweise nur auf dem linken Ohr). Während andere Varianten der Marke Lioncast an diesen Stellen gerne auch mal Akzente in Rot setzen (die auch gut zum Gaming Stuhl Hyrup passen würden), ist das LX25 Modell komplett in klassisch elegantem Schwarz gehalten, so dass man fast schon von schlichter Eleganz reden kann. Zum Glück verzichtet es dabei auch auf kindische Spielereien wie farbwechselnde LED Beleuchtung und anderen Schnickschnack, und bietet stattdessen einige sinnvolle Features: vor allem das textilummantelte Kabel mutet wertig an und dürfte Kabelbruch entgegenwirken. Auch der direkt im Kabel verbaute Lautstärkeregler ist eigentlich eine gute Idee, um schnell und unkompliziert das Volumen anzupassen, hinterlässt als leichtes Plastikbauteil aber eindeutig den schwächsten, aber dennoch akzeptablen Eindruck am gesamten Headset. Ebenfalls wirklich nett ist die Möglichkeit, das flexible Mikrofon per fest sitzendem Stecker komplett abzunehmen beziehungsweise anzuschließen, womit das Lioncast LX25 vielfältig einsetzbar ist und sich nicht nur als Gamingheadset, sondern beispielsweise auch als Businessheadset für Videokonferenzen im HomeOffice oder als reiner Kopfhörer verwenden lässt. Da letzteres meine hauptsächlicher Anwendungsfall ist, kann ich zur Qualität des ebenfalls mit Schaumstoff geschützten Mikrofons relativ wenig sagen. Einige Tests am PC zeigen jedoch, dass es für den einfachen Hausgebrauch sicherlich absolut ausreichend sein sollte, sind die Sprachaufzeichnungen doch klar und verständlich.
Doch nun zum (zumindest für mich angesichts der langen Einleitung) wichtigsten Punkt: dem Sound. Gerade im Bass-Bereich macht das LX25-Headset dort meiner Meinung nach eine wirklich gute Figur: die tiefen Töne dringen erstaunlich wuchtig und druckvoll ans Gehör. Insbesondere bei Actionspielen oder orchestralen Soundtracks wird so gegenüber den TV-Lautsprechern ein echter Mehrwert geboten, zumal sich auch positionierte Geräuschquellen durch die direkte Anlieferung an die Ohren leichter ausmachen lassen und für etwas mehr „Mittendrin“-Gefühl sorgen. Leider kommen für meinen Geschmack die andere Frequenzbereiche nicht ganz so gut davon. Im Vergleich zu anderen Audio-Quellen wirken vor allem Sprache und Gesang weniger „natürlich“ und klingen etwas „dumpf“, ohne jedoch das Gesamtbild allzu sehr zu trüben.
Wenig überraschend ist das Lioncast LX25 Gaming Headset damit nicht die ultimative Sound-Lösung, die alle anderen Technologien weit in den Schatten stellt, sondern vielmehr ein chickes und günstiges Einsteigerheadset mit gutem Klang, das gerade im Gamingbereich die Präsentation angenehm unterstützen kann. Vor allem das gelungene Preis-Leistungs-Verhältnis und einige clevere Designaspekte, die dem Gerät vielseitige Nutungsmöglichkeiten bescheren, machen dann das LX25 zu einer lohnenswerten Anschaffung für all diejenigen, die kompromissbereit sind und keine Unsummen in ein perfektes Audiosystem investieren wollen.
Seit den Sommerspielen 2020 ist Skateboarding olympische Disziplin, doch für viele ist das Rollbrett-Fahren weit mehr als nur ein Sport. Entstanden als quasi „trockene“ Variante des Surfens reichen die kulturellen Einflüsse von Design über Musik bis hin zu Kleidung und ist für manche mehr Lebenseinstellung oder Weltanschauung denn schnöde Form der Fortbewegung oder körperliche Ertüchtigung. Da ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass Videospiel mit Skateboarding-Bezug selten beinharte Simulationen im starren Korsett eines organisierten Wettstreits sind, sondern gerne mal in übertriebener Weise den Flair und die Attitüde der Thematik in actionreichem Gameplay und stylischer Präsentation einfangen. Die OlliOlli-Reihe von Entwickler Roll7 ließe sich beispielsweise am ehesten als anspruchsvoller 2D Skateboard-Autorunner beschreiben, der auf einem themen-typischen Trick- und Kombosystem aufbaut. Statt ihn schnöde OlliOlli 3 zu nennen, hat man den aktuellen Teil der Serie, der seit kurzem für alle gängigen Konsolen und den PC verfügbar ist, OlliOlli World betitelt und mir freundlicherweise ein Review-Code für die XBox One Version zur Verfügung gestellt. Waren die Vorgänger OlliOlli und OlliOlli 2: Welcome to Olliwood (die ich beide leider nicht gespielt habe) noch im etwas kruden Retro-Pixel-Look gehalten, bleibt sich OlliOlli World zwar weiterhin in Sachen Gameplay seiner zweidimensionalen Wurzeln treu, fährt aber für die Grafik die dicken Polygon-Geschütze auf und präsentiert sich im feinsten Cartoon-Look.
Wie so ziemlich jeder andere Review des Titels kann auch ich mir diesbezüglich leider einen Vergleich mit der hervorragenden Zeichentrickserie Adventure Time nicht verkneifen. Schließlich ist OlliOlli World doch heißester Anwärter auf den Pendleton Ward Award für „Titel, der am stärksten nach Adventure Time aussieht, ohne direkt auf der entsprechenden Lizenz zu basieren“ (zumindest, wenn es eine solche Auszeichnung gäbe). Das betrifft nicht nur die grundsätzliche, farbenfrohe Grafik in zeitloser Cell-Shading Optik und vor allem die visuelle Gestaltung der Figuren im Spiel, sondern auch die allgemeine Stimmung bis hin zum Umgebungsdesign. Die teils eigenwilligen Menschen und andere „Wesen“, auf die man trifft, würden sich wohl auch in einer Spin-Off-Episode der preisgekrönten TV-Show wie zu Hause fühlen, wenn sie auf Zauberer Abracadaniel oder Graf Zitronenbaum träfen, und Gebiete wie Sunshine Valley könnten mit ihrer Eiscreme-Thematik auch gleich offiziell ein Regierungsbezirk des Candy-Königreichs sein. Und ebenso, wie das Land Ooo trotz tragischer Entstehungsgeschichte nur dafür gemacht zu sein scheint, Finn und Jack mit spannenden Abenteuern zu versorgen, wurde Radlandia von den fünf Skate-Göttern erschaffen, um die abgefahrensten Kombo-Linien und krassesten Tricks zu ermöglichen, durch die sich die Spielfigur als nächstes Skate-Wunder beweisen kann. Letzteres ist nicht etwa eine blumige Umschreibung für das gelungene Leveldesign, sondern die tatsächliche Hintergrundgeschichte von OlliOlli World: Weil sich die aktuelle Amtsinhaberin Chiffon zur Ruhe setzen will, begleitet sie den selbst erschaffenen Charakter zur Regelung ihrer Nachfolge zusammen mit einigen anderen Bewohnern von Radlandia durch eine Vielzahl an Szenarien und steht diesem mit erklärenden Worten zur Seite. Dabei sind die chic inszenierten Zeichentrick-Sequenzen der Trailer zu OlliOlli World leider eben diesen vorbehalten. Stattdessen gibt zu Beginn und Ende eines jeden Levels nett geschriebenes Palaver mit der Crew in Textform, das sich mitunter etwas zieht, zum Glück aber auch übersprungen werden kann. So werden im weiteren Verlaufs nicht nur amüsante Detail zu Land und Leute zutage gefördert, sondern es auch immer mehr Feinheiten der Steuerung und Bewegungsmöglichkeiten erklärt. Merkwürdig ist, dass in diesen eigentlich recht statisch gehaltenen Dialog-Szenen zumindest auf der XBox One S die Figuren leicht abgehackt animiert sind, während das eigentliche Spielgeschehen butterweich und flüssig von statten geht. Das ist auch zwingend nötig, ist OlliOlli World doch ein ziemlich rasantes Spiel, das schnelle Reaktionen voraussetzt. Schließlich reicht ein Sturz aus, um die etwa ein bis zwei Minuten langen Passage komplett von vorne beziehungsweise an einem der drei, vier auf dem Weg verteilten Checkpunkte erneut zu beginnen. Steht in den anfänglichen Stufen noch ausreichend Gehweg bereit, um mal eine verpasste Grind-Schiene abzufangen, benötigen spätere Aufgaben oftmals eine gekonnte Aneinanderreihung von Aktionen, um Hindernisse zu überbrücken und so überhaupt die Ziellinie zu erreichen. Das reicht zum Glück aber auch aus, um auf der Oberwelt-Karte den jeweils nächsten Abschnitt freizuschalten.
Die Steuerung finde ich selbst für ein Skate-Spiel zunächst recht ungewöhnlich, letztlich dann aber doch recht passend. Dabei ist in der Regel der linke Analog-Stick ausreichend, um die nötigsten Bewegungen zum Durchqueren eines Levels durchzuführen, genügt es doch, ihn in eine Richtung gedrückt zu halten, um Grinds und Wallrides durchzuführen, während das Loslassen einen Sprungtrick einleitet. Wer OlliOlli World aber mit Stil spielen will, muss auch den Rest des Controllers nutzen, etwa, um per Schultertasten zu Rotieren, mit dem rechten Stick Griffe auszuführen oder die Tasten für Kombo-Verknüpfungen auf festen Boden zu drücken oder an speziellen Stellen Abzweigungen zu aktivieren. Selbst der linke Daumen kann mit Street-Fighter-ähnlichen Halb-, Drei-Viertel-und sonstigen Kreisbewegungen noch dazu beitragen, die akrobatischen Einlagen diverser zu gestalten, während perfektes Timing ebenfalls belohnt wird. Um nicht zu überfordern, werden all diese Skate-Moves peu a peu – für meinen Geschmack vielleicht sogar etwas zu sehr – über die gesamte Kampagne verteilt eingeführt. Gerade das dauerhafte Halten und Loslassen des Steuerknüppels ist dabei auch langfristig gewöhnungsbedürftig, und der Wunsch nach einer komplexen Show führt bildlich gesprochen mitunter zu verknoteten Fingern. In den schwierigeren Stufen ist es darüber hinaus praktisch zwingend nötig, sich die Hindernisabfolge einzuprägen, um rechtzeitig die passenden Aktionen auszuführen. Dennoch ist ungemein befriedigend, Tricks in einer langen Kette aneinanderzureihen, um den Punktemultiplikator in die Höhe zu treiben, oder gar einen Level in einer einzigen Kombo abzuschließen, zumal man sich wenigstens nicht noch um das Halten der Balance kümmern muss. Nicht selten wird die erweiterte Bewegungspalette auch benötigt, um die jeweiligen Sonderaufgaben einer jeden Lokalität abzuschließen. Dies umfassen das Übertreffen bestimmter Punkte-Zahlen, das Durchqueren der Strecke in einem Durchlauf sowie Spezialherausforderungen, in denen etwa Objekte eingesammelt oder vermieden werden müssen oder es das Publikum an einer bestimmten Stelle mit einem besonderen Trick zu beeindrucken gilt. Diese Ziele sorgen dann auch mit teils harschem Schwierigkeitsgrad für die nötige Langzeitmotivation und bieten einen Anreiz, sich mit besserem Verständnis für die Bewegungsmöglichkeiten auch bereits abgeschlossene Bereiche erneut vorzunehmen, vor allem, da sie nicht nur teilweise verborgene Abschnitte, sondern auch weitere Gegenstände und Kleidung im bereits zu Beginn schon recht üppig ausgestatteten Charaktereditor freischalten. Die 2.5D Spieleengine von OlliOlli World rückt dabei nicht nur das so angepasste Alter Ego ins rechte Cartoon-Licht, sondern sorgt auch anderweitig für eine sehr dynamische und schlichtweg wunderschöne Präsentation. Mit kontrastreichen Farben werden dabei Szenerie und Levelarchitektur gut sichtbar voneinander getrennt, so dass selbst bei hohem Tempo stets die Übersicht darüber erhalten, mit welchen Elementen interagiert werden kann. Auch innerhalb der fünf verschiedenen Themenwelten wartet jeder einzelne Abschnitt mit sehr individuell gestalteten Umgebungen auf, in deren Hintergründen man bei genauem Hinsehen immer wieder humorvolle Details entdecken kann. Dank der räumlichen Tiefe schlängeln sich teils optionale Wege organisch durch die Landschaft, überschneiden sich auch mal oder sorgen an Half-Pipe-Übergängen dafür, dass das eigentlich strickt von Links nach Rechts ablaufende Gameplay auch mal die Richtung wechselt.
Leider kann die etwas enttäuschende Musikuntermalung nicht mit der fantastischen Optik mithalten. Wie schon im Test zu Skate City erwähnt, passen chillige Hip Hop Beats zwar meiner Meinung nach nicht nur grundsätzlich gut zu „modernen“ Skate-Spiel, sondern eigentlich auch hervorragend zur positiven und entspannten Atmosphäre von OlliOlli World, konkret klingen die wenigen Songs dann aber trotz qirligem Grundton doch ein wenig zu sehr nach generischen Vertretern der Stilrichtung, die den persönlichen Charakter der Grafik vermissen lassen und sich aufgrund der häufigen Wiederholungen bei längeren Sitzungen schnell abnutzen. Die Umgebungsgeräusche wie das typische Klackern der Skateboard-Rollen oder das metallische Schaben beim Schlittern über Geländer und Schienen geben dagegen wenig Anlass zur Kritik, ebenso wie die gelungene Online-Anbindung. Denn bereits im Storymodus kann man sich nicht nur mit den Bestleistungen der OlliOlli World Gemeinschaft messen, sondern es wird auch stets ein Mitglied mit ähnlichen Leistungen als direkte Konkurrenz präsentiert. Wer will, kann sich dann per Knopfdruck auch direkt den oftmals beeindruckenden Durchlauf ansehen. Und wem die gut 70 vorgefertigten Level nicht ausreichen, kann gegen Spielerinnen und Spieler aus aller Welt in einem täglich neu erzeugten Wettkampf-Kurs per Punktevergleich antreten oder sich per prozeduraler Generierung aus einem Code gleich eine Strecke nach eigenen Vorgaben erstellen lassen.
OlliOlli World mag vielleicht nicht das variantenreichste Spieldesign der Welt bieten, doch schnürt es für das, was es leisten will, nicht nur ein rundum gelungenes Paket, sondern bietet dafür auch eine wirklich ansprechende Verpackung. Über Kleinigkeiten wie leichte Schwächen bei der Musikauswahl und Storypräsentation kann man angesichts der wirklich guten Spielbarkeit ohne weiteres hinwegsehen. Einige interessante Bonuslevel wie eine als kurze Schleife aufgebaute Stecke, auf der es unter Zeitdruck einen gewissen Highscore zu erreichen gibt oder ein Wettrennen könnten eventuell sogar einen Ausblick auf etwas mehr Abwechslung für die bereits angekündigten Erweiterung sein, doch auch so bereitet OlliOlli World jede Menge Spaß.
Auch wenn Microsoft bei relativer Betrachtung zu den jüngsten Vertretern im Gaming-Zirkus gehört, versucht die Firma aus Redmond doch durchaus, ihrem Vermächtnis aus 25 Jahren XBox gerecht zu werden, indem es beispielsweise mittels Abwärtskompatibilität Klassiker, Meilensteine und Geheimtipps aus drei Konsolengenerationen verfügbar macht … und seit dem 15. November 2021 auch Gun Valkyrie, weswegen ich den Titel noch einmal aus der Sammlung hervorgekramt und auf der Xbox One installiert habe.
Als Microsoft beim vorerst im doppelten Wortsinn letzten Update des Kompatibilitäts-Katalog auch dieses Sega-Produkt aus dem Jahr 2002 anführte, war die Verwunderung groß, denn das Spiel für die original XBox taucht eher selten auf Listen der besten Titel oder verborgener Schätzen für die Konsole auf, sondern blieb allenfalls wegen einer ungewöhnlichen Steuerung und des Steampunk-angehauchten Settings in Erinnerung. Diesem zufolge gelang es im Jahr 1835, die Energie des Halleyschen Kometen nutzbar zu machen, was zu einer alternativen Geschichte unter Führung des britischen Empires mit immensem technischen Fortschritt inklusive Besiedelung fremder Sonnensysteme führte. In Gestalt der zwei spielbaren Charaktere Kelly O’Lenmey und Saburouta Mishima der titelgebenden militärischen Gun Valkyrie-Organisation gilt es alsdann auf dem Planeten Tir na Nog einer insektoiden Bedrohung und dem Verschwinden von Dr. Hebble Gate, dem Wissenschaftler hinter der Entdeckung der Halleyschen Energie, nachzugehen. Zwar werden dementsprechend im Verlauf des eigentlichen Spiels einige Berichte und Dossiers freigeschaltet, letztendlich ist die Hintergrundgeschichte voller großspurig klingender Namen jedoch lediglich eine hauchdünne, weder spannende noch relevante Fassade für ein 3rd-Person-Action-Spiel mit in sich abgeschlossenen, voneinander unabhängigen Missionen, die aus einem Menü gewählt werden. Sie erstrecken sich in der Regel über eine Handvoll mal schlauchartig, mal etwas offener oder horizontal ausgelegter Arenen und beschränken sich üblicherweise darauf, auf alles zu Ballern, was da kreucht und fleucht, wobei die Gegner eher durch ihre Anzahl denn durch herausforderndes Verhalten auffallen. Überdies sorgen häufig anzutreffende, besonders fette Muttertiere/ Nester bis zu ihrer Zerstörung für stetigen Nachschub an Kanonenfutter. Diese simple Struktur offenbart dann auch, dass Gun Valkyie bereits für Segas letzte eigene Konsole, die Dreamcast, in Entwicklung war, bevor das Projekt zur XBox wechselte. Vielleicht auch wegen dieser etwas holprigen Entwicklungsgeschichte könnte das Spiel in Sachen Bedienbarkeit, Missions- und Leveldesign geradezu als Lehrbuchbeispiel der Dinge dienen, die man unter modernen Aspekten zwingend vermeiden sollte. Das reicht von Kleinigkeiten wie Gegner, die nicht direkt als solche zu erkennen sind oder Feinde, die einen aus dem Off zielgenau mit Projektilen beschießen bis hin zur fehlenden Einsatzmarkierungen, die dazu führen, dass man planlos in der Gegend umherirrt und rätselt, ob man sich auf dem vorgesehenen Pfad befindet oder einen Bug in der Levelarchitektur ausnutzt. Leider nur wenig hilfreich ist dabei die Karte, die nur sehr grob die aktuelle Umgebung darstellt und zudem noch auf in ein separat aufzurufendes Menü verbannt wurde. Extrem ärgerlich ist auch das fehlen jeglicher Checkpunkte, gerade in Missionen mit Zeitlimit, die das „säubern“ der Umgebung zur Aufgabe haben. Hat man irgendwo vor Ablauf eines 30 Minuten Timers einen verirrten Feind übersehen, war die letzte halbe Stunde für die Katz und der Level kann komplett von vorne angefangen werden. Jeglicher Fortschritt ist ebenso praktisch verloren, wenn man in einem horizontal ausgerichteten Level eine Plattform verpasst und dann komplett zu Boden stürzt. Naarrgggghhh. Nicht ganz unbeteiligt an derartigen Frustmomenten ist die eingangs erwähnte Steuerung. Als eigentlich besonderes Feature verfügen die Spielfiguren über eine erhöhte Mobilität aufgrund ihrer Mech-Suits mit Düsen, die Mehrfachsprünge, Dashes in alle Richtungen und langsames Schweben erlauben. Begrenzt durch eine sich schnell leerende Schubanzeige sorgt der linke Trigger für Auftrieb und ersetzt somit quasi eine Sprung-Taste, während für den effizienteren Jet-Sprint in der waagerechten der linke Stick in die entsprechende Richtung eingeklickt werden muss. Und auch, denn dieses „klickbasierte“ Steuerungsschema (vielleicht auch wegen des „besseren“ XBox One Contollers) nicht ganz so unbedienbar ist wie von einigen zum Erscheinungszeitpunkt von Gun Valkyrie behauptet, ist es doch zumindest merkwürdig, gewöhnungsbedürftig und außerdem unnötig kompliziert, vor allem da die eigentlichen Knöpfe des Controller fast schon verschwenderisch für eigentlich belanglose Dinge wie Durchwechseln der wenigen Waffen genutzt werden. Doch auch bei der grundsätzlichen Steuerung geht das Spiel eigene Wege, und das, obwohl es aus einer Zeit stammt, in der sich die noch heutzutage üblichen Standards etabliert haben. Denn anstatt mit dem rechten Stick die Kamera relativ frei zu bewegen und die Spielfigur stets in die Richtung laufen zu lassen, in die man blickt, dient dieser Steuerknüppel dazu, das markant sichtbare Fadenkreuz über den Bildschirm zu bewegen, wodurch man nur sehr begrenzt nach rechts, links, oben oder unten bezogen auf die Charakterausrichtung schauen kann. Will man stattdessen beispielsweise in einen Tunnel abbiegen, müssen Kelly oder Saburouta mit linken Stick in diese Richtung gedreht werden. Damit das etwas schwammig zu steuernde Fadenkreuz nicht zu noch mehr Ungemach führt, verfügt die Standardwaffe über eine großzügige halbautomatische Zielerfassung und kann entsprechend ausgebaut bei gehaltener Feuertaste in sehr befriedigender Weise gleich mehrere Gegner aufs Korn nehmen. Die Ähnlichkeit zum Zielsystem bekannter Rail-Shooter wie der Panzer Dragoon Serie mag dabei nicht von ungefähr kommen, stammt doch Panzer Dragoon Orta aus dem gleichen Jahr ebenfalls von Entwickler Smilebit. Zudem scheint es ein zumindest ansatzweise adäquater Ersatz für das eigentlich für die Dreamcast vorgesehene Kontrollschema zu sein, das den vermutlich noch umständlicheren gleichzeitigen Einsatz von Controller und Lightgun vorsah. Doch auch so verzettelt sich die Steuerung zwischen Bewegen und Ballern, so dass keiner der beiden Aspekte wirklich dynamisch oder auf der Höhe der Zeit wäre. Auch die wenigen Elemente, die dem Spiel etwas mehr Tiefe verleihen sollen, wie die alternativ einsetzbare Gatling-Gun, ein Greifhaken, der an fest vorgegebenen Punkten zur Anwendung kommt oder die sehr begrenzten Upgrade-Möglichkeiten der Ausrüstung, können daran kaum etwas ändern.
Grafisch war ich dagegen zunächst überrascht, dass sich dieses immerhin 20 Jahre alte Spiel nicht völlig unansehnlich und veraltet präsentiert, vor allem wenn man sich die optische Entwicklung im Gamingbereich zwischen 1982 und 2002 vor Augen hält. Die modernen Hardware steuert Breitbildformat und hohe Auflösung bei, und flüssig spielbar war Gun Valkyrie bereits bei Erscheinen. Doch vor allem die farbenfrohe Szenerie lässt so manch anderen Titel wortwörtlich blass aussehen. Mit prominent eingesetzten Wasser-, Glanz-und Spiegel-Effekten und einigen feingliedrigen Strukturen, die man heutzutage in derartiger Form nur selten finden, demonstrierte die XBox vor zwei Dekaden ihre grafische Vormachtstellung, während die Spielfiguren im typischen, etwas puppenhaften, aber noch immer ansehnlichen Stil japanischer Videospiel rund um die Jahrtausendwende gehalten sind. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich Gun Valkyrie als Titel der Launch-Phase Microsofts erster Konsole. Insbesondere lassen die sich in den Missionen wiederholenden Umgebungen wie Innenräume der Schluchten einiges an Abwechslung vermissen und wirken größtenteils leer und gleichartig. Auch die Gegnermodelle sind oftmals schlicht und unspektakulär gehalten, zerplatzen aber zumindest ansehnlich und dürften in Teilen an die Bugs aus Starship Trooper angelehnt sein. Und trotz einiger mechanisch-industrieller Designs und Art Deco Elemente hat Gun Valkyrie weniger Steampunk-Anleihen oder anderweitigen individuellen Charakter als erhofft. Demzufolge setzt sich auch der Sound aus typisch treibender Elektro-Musik der Nuller-Jahre und einigen merkwürdigen Stücken wie einer Spieluhr-ähnlichen Melodie zusammen.
Bei all dieser Kritik ist Gun Valkyrie bei weitem kein Totalausfall. Vielmehr ist es ein technisch durchaus kompetent umgesetzter, letztlich aber dann doch spielerisch nur durchschnittlicher Actiontitel mit vielleicht einigen ambitionierten Ideen, aber auch vielen problematischen Designentscheidungen. Mit Spielen wie Panzer Dragoon Orta veröffentlichte Sega schon auf der XBox kurze Zeit später ein besseres Spiel, während Titel wie Vanquish auf der nachfolgenden Hardwaregeneration zeigten, wie die Vision eines kinetischen 3rd-Person-Shooters idealerweise umzusetzen ist. Somit gibt es meiner Meinung nach im Jahr 2022 nur wenige Gründe, sich mit Gun Valkyrie auseinanderzusetzen.
Auch wenn klassische Genrebezeichnungen heutzutage für die Kategorisierung moderner Computer- und Videospiele einiges an Relevanz verloren haben, können sie doch durchaus hilfreich sein, um grundlegende Konzepte und Mechaniken zu beschreiben. Das Mischgenre der Puzzle-Plattformer beschriebt zum Beispiel in der Regel reaktions- oder geschicklichkeitsbasierte Hüpfspiele, bei denen der Fortschritt gelegentlich durch kleine Logikherausforderungen wie Schalterrätsel durchbrochen wird. Nach dieser Definition könnte Push Over von Ocean Softwaew aus dem Jahr 1992 als früher, wenn nicht gar einziger Vertreter des Genres der Plattform-Puzzler angesehen werden. Denn anders, als es Screenshots vielleicht vermuten lassen, stehen bei diesem Spiel weniger actionreiche Sprungpassagen als knallharte Knobeleien im Vordergrund, bei denen Dominosteine so angeordnet werden müssen, dass Sie in einer einzigen Kettenreaktion fallen. Wie sehr sich der Titel von üblichen Jump’n’Runs unterscheidet, merkt man spätestens daran, dass Ameisen-Protagonist G.I. Ant keine Sprünge ausführen kann, um sich von Plattform zu Plattform zu bewegen.
Da Pushover mit der Beschränkung des Geschehens auf einen einzelnen Bildschirm, einem cleveren, leicht zu verstehenden Regelwerk und einigen albernen Wortspielen gleich mehrere meiner Vorlieben erfüllt, findet sich das Spiel dann auch gleich zweifach in meiner Sammlung. Zum einen als Version für den Commodore Amiga, die zeitnah zum Erscheinungstermin gekauft wurde, zum anderen als Modul für das Supernintendo, das sehr viel später erstanden wurde. Die Unterschiede bestehen dabei weniger in der Grafik oder dem Spielablauf, sondern vielmehr dem Setting. Die Konsolenversion startet relativ unvermittelt und suggeriert dank uniformiertem „Auftraggeber“ einen militärischen Hintergrund, während auf dem Heimcomputer für die Kooperation mit der britischen Snack-Marke Quavers ein Intro-Cartoon spendiert wurde, in dem Comichund und Firmenmaskotchen Collin Curly seine geliebten Chipstüten verliert, die es wiederzufinden gilt. Und so müsste ich irgendwo sogar noch einen Rabatt-Coupon für eine Packung der beworbenen Knabberei herumliegen haben. Doch ob nun mit oder ohne Verweis auf köstliche Kartoffel-Kringel, ist das Gameplay in beiden Versionen identisch und noch immer über jeden Zweifel erhaben. In 100 Spielstufen, die jeweils komplett auf den Monitor beziehungsweise Fernsehschirm passen, steuert man den eingangs erwähnten Ameisenheld über Leitern und Plattformen und arrangiert dort platzierten Quader so um, dass im Anschluss ein einziger Stupser ausreicht, sie alle der Reihe nach zu Fall zu bringen, wobei der sogenannte Türstein als letztes Kippen muss, um den Levelausgang zu öffnen. Was zunächst recht simpel kling, wird zunehmend durch Spezialsteine und die Levelarchitektur herausfordernder, zumal einem ein teils knackiges Zeitlimit im Nacken sitzt. Dabei werden die besonderen Eigenschaften der Blöcke wie Tumbler, die sich voran bewegen, bis sie auf ein Hindernis stoßen, oder Explosion- und Brückenssteine, die Plattformen zerstören oder verbinden, in den frühen Szenarien behutsam eingeführt. Und hat man einmal vergessen, welche Klötzchen wie gekennzeichnet sind, kann man dieses bequem im Pausenbildschirm nachsehen, der auch verhindert, dass man mogelt und bei gestoppter Zeit an einer Lösungsstrategie arbeitet. Sorgt die grundsätzliche Positionierung der Dominosteine bereits für rauchende Köpfe, gewinnen die Rätsel durch die Steuerung einer Spielfigur, die die Umsortierung durchführen muss, noch einmal einiges an Tiefe. Schließlich reicht es nicht, die Kettenreaktion korrekt auszuführen, es muss auch bedacht werden, dass der Ausgang erreicht werden muss. Dazu muss man schon mal zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein, wenn ein Stein einen neuen Weg öffnet, neue Arrangements vornehmen, während die Reaktion bereits im Gange ist oder vorsichtig bedenken, welche Aktionen in welcher Reihenfolge ausgeführt werden, da man höhere Gebiete nur über Leitern erreichen kann, und das zu steuernde Krabbeltierchen keine großen Stürze übersteht. Auf diese Weise arbeitet man quasi an zwei Puzzlelösungen auf einmal: Zum einen am korrekten Aufbau der Dominosteine, zum anderen am zielführenden Weg durch den Level.
In Sachen Präsentation war Push Over bereits von gut 30 Jahren nicht sonderlich spektakulär, wobei zu bedenken ist, dass Knobelspiele im allgemeinen selten im technisch beeindruckendem Gewand daherkommen, ist doch eine übersichtliche Darstellung oberstes Gebot. Dementsprechend können dank der farbenfrohen Comicgrafik spielrelevante Elemente deutlich ausgemacht werden, während schmückendes Beiwerk die Level aufhübscht und so die Umgebungen reeller und weniger abstrakt erscheinen lässt in anderen Denkspielen. Mit 9 verschiedenen Themenwelten wie Fabrik, Dschungel oder Weltraum wird zudem hinreichend Abwechslung geboten, bevor die einzelnen Szenarien anfangen, optisch zu langweilen. Auch die fröhliche Musikuntermalung mag vielleicht keine hitverdächtigen Melodien enthalten, die in die Annalen der Videospielgeschichte eingehen, begleiten aber die Knobelei angenehm im Hintergrund und hält im Titelbildschirm trotz etwas plärrender Darbietung auf dem SNES Ohrwurm-Qualitäten bereit. Witzige Soundeffekte und keine Sprachsamples unterstreichen darüber hinaus den cartoonartigen Charakter des Spiels. Lediglich die Steuerung trübt etwas das Gesamtbild. Grundsätzlich bewegt sich G.I.Ant blockweise, womit sich die Spielsteine ohne Probleme präzise aufnehmen und abstellen lassen, dennoch bedarf es einiger Eingewöhnungszeit an die ungewohnte und etwas träge Art der Fortbewegung. Und während auf dem Amiga der einzige Feuerknopf etwas überlastet ist, wurden auf der Nintendokonsole unnötigerweise gleich zwei Tasten für das Umwerfen eines Steins belegt, je nachdem, ob man links oder rechts von ihm steht. Doch diese Kleinigkeiten stellen selten ein Problem dar, zumal für die richtige Lösung selten mehr als eine Minute benötigt wird und die Level bei Fehlversuchen ziemlich schnell neu starten, was auch das Ticket-System für Lösungen mit Zeitüberschreitungen recht überflüssig macht. Zwischen den einzelnen Abschnitten wird ein Bildschirm mit dem Zahlencode der nächsten Aufgabe eingeblendet, was den Spielfluss zwar etwas ausbremst, dank dessen aber auch Jahrzehnte später systemübergreifend ein Spiel fortgesetzt werden kann. Dabei beginnt man Angesichts der clever designten Rätsel gerne auch mal komplett von vorne. 1993 folgte mit One Step beyond ein Quasi-Nachfolger, der auf eine gänzlich neue Rätsellogik setzte und Collin zum Hauptdarsteller machte. In Sachen Gameplay konnte der zweite Teil jedoch seinem Vorgänger nicht ganz das Wasser reichen, während Push Over dank seines zeitlosen Designs auch drei Dekaden nach seinem Erscheinen erstklassigen Spielspaß bietet. Dass der Titel dennoch weder damals die Beachtung erhalten hat, die er meiner Meinung nach verdient hätte, noch bei aktuellen Diskussionen rund um die besten Spiele der 16-Bit Generation ausreichend Erwähnung findet, könnte eventuell dann doch eben dem Genre geschuldet sein, schließlich bekommen auf den „großen“ Systemen seit jeher Knobeleien weniger Aufmerksamkeit als beispielsweise technisch beeindruckende Actiontitel oder storylastige Adventures. Dementsprechend ist es auch um die Aussichten, jemals eine moderne Neuauflage von Pushover zu Gesicht zu bekommen, schlecht bestellt, insbesondere, da der Titel inzwischen als Abandonware gilt. Vor einigen Jahren hätte ich mir noch eine Version für den 3DS vorstellen können, zumal den Diorama-gleichen Leveln eine dreidimensionale Aufbereitung gut zu Gesicht gestanden hätte und Puzzelspiele auf Handhelds schon immer einen bessern Stand hatten. Doch mit Nintendos letztem „echten“ Handheld dürfte auch insgesamt das Zeitalter der dedizierten portablen Konsolen im Kleinformat und der mit ihnen in Verbindung gebrachten Spiele vorüber sein. Wenigsten hat bereits 2009 Indieentwickler IshiSoft im Rahmen einer kostenlose Fanumsetzung eine auf modernen Windows-PCs lauffähige Version mit dezent aufpolierter Pixelgrafik und einem wie von mir für viele Spiele geforderten Leveleditor erstellt. Hoffentlich trägt diese (ebenso wie dieser Retro-Test) dazu bei, das Andenken an Push Over als einen der besten Plattformpuzzler aller Zeiten aufrecht zu halten.
Früher war auch nicht alles besser, als Twix noch Raider und JYSK noch dänisches Bettenlager hieß. Letztere Neubenennung ist noch gar nicht so lange her und dürfte wohl aus Marketing-Gründen gesehen sein, um dem günstigen Deko- und Einrichtungshaus ein jüngeres und moderneres Image im Stile einer anderen skandinavischen Möbelkette mit vier Buchstaben zu bescheren. „Meine Oma geht ins dänische Bettenlager, ich gehe zu Jysk“. In diesem Zuge wurde auch mit massiven Rabatten geworben, wobei der Gaming Chair Hyrup auch zum regulären Preis von 179 EUR eher in das Segment der günstigere Büro-Möbel einzuordnen wäre. Der Unterschied zwischen den Begriffe „Gaming-Stuhl“ und „Chefsessel“ scheint dabei je nach Anbieter fließend zu sein und vor allem davon abhängig, wie sehr der Stuhle einem futuristischen Rennsitz nachempfunden und wie viel knallig rotes Material verbaut wurde. Da ich keine 16 Jahre mehr bin, kommt es mir daher sehr entgegen, dass trotz der Betitelung als „Gamingchair Hyrup“ der Stuhl in zurückhaltender Form gestaltet ist und lediglich über rote Ziernähte verfügt, so dass er problemlos auch als Bürosessel Hyrup für das gelegentliche Homeoffice durchgeht. Meine Anforderungen an einen Bürostuhl mit klappbaren Armlehnen statt fest installierter Auflagen erfüllt Hyrup ebenfalls mit Bravur, denn mit den an mattes Metall erinnernden Kunststoffelementen, die sich auch in Teilen des Fußes für die fünf Rollen wiederfinden, wird nicht nur ein ein optischer Akzent gesetzt, sondern sie wirken auch trotz des Materials erstaunlich robust, stabil und massiv. Vor allem für die seitlichen Teile, an denen sich die gepolsterten Armauflagen befinden, ist dieses auch nötig, müssen Sie doch im Eigenbau mit Sitzfläche und Rückenlehne verbunden werden und halten somit quasi den gesamten Bürostuhl zusammen. Zum Glück wird das benötigte Werkzeug in Form eines Sechskantschlüssel gleich mitgeliefert, zudem sind die benötigten Schrauben, Abdeckungen und Unterlegscheiben geradezu narrensicher verpackt und beschriftet. Und dennoch erfordert der Zusammenbau des Gamingchairs Hyrup etwas mehr Zeit und Kraft, als ich anfänglich erwartet habe, vor allem, da Schrauben und Bohrlöcher nicht einfach zusammenpassen. Außerdem schwächelt der Chefsessel ein wenig an genau den Stellen, auf die es bei einem guten Stuhl ankommt, nämlich der Polsterung. Das äußert sich bereits in der „Aussparung“ in der Rückenlehne, denn nur hier wird billig wirkendes, schwarz glänzendes Plastik als Verblendung genutzt. Natürlich kann man in der Preisklasse auch kein Echtleder erwarten, doch qualitativ lässt auch das Kunstleder Luft nach oben und wirkt trotz ordentlicher Verarbeitung ein wenig dünn, so dass zu hoffen bleibt, dass sich das Material nicht schnell durchscheuert oder sonst wie reißt. Da ich es außerdem lieber etwas härter mag (Hihi, pubertäres Gekicher, wobei … habe ich nicht oben gesagt, dass ich keine 16 mehr bin?), empfinde ich die Polsterung, wenn auch durchaus bequem, als fast schon etwas zu weich. Darüber hinaus muss ich mich wohl erst an die neue Sitzsituation und die gebogene Rückenlehne gewöhnen, denn viele Individualisierungsmöglichkeiten gibt es nicht. Wie zu erwarten verfügt der Gamingsessel Hyrup zumindest über die Basisfunktionen eines Bürostuhls und lässt sich nicht nur drehen und in der Höhe verstellen, sondern bei Bedarf auch nach hinten wippen. Das bedeutet aber im Gegenzug auch, dass selbst bei fixiertem Sitz die Arretierung etwas Spiel hat und der Stuhl somit dauerhaft leichtes Schaukeln erlaubt. Auch die Höhe der Rückenlehne, die größenbedingt etwas unterhalb des Hinterkopfs endet, ist nichts Halbes und nichts Ganzes.
Trotz diverser kleinerer Kritikpunkte ist der Gamingsessel Hyrup damit vor allem zu einem günstigen Preis ein zumindest solider Bürostuhl ohne viel Schnickschnack.
UPDATE: Anscheinend hat JYSK den Gamingchair Hyrup in den Gamingchair Idom umbenannt, denn im Shop ist kein Stuhl namens Hyrup mehr zu finden und zumindest optisch gleich sich Hyrup und Idom doch sehr.
Obwohl in den 80ern aufgewachsen und eigentlich empfänglich für entsprechende cineastische Nostalgie, sind die (mittleren) Rocky-Filmen relativ spurlos an mir vorbeigegangen. Zwar habe ich sicherlich irgendwann mal einige Teile der Filmreihe, die 1976 ihren Anfang fand, gesehen, und durch kulturelle Osmose vor allem die von Mister T und Dolph Lundgren verkörperten Gegner aus Teil III und IV nebst markanter Erkennungssprüchen wie „I pitty the fool“ oder „AAAAAADRIAAAAANNNNNN“ verinnerlicht, doch ansonsten kann ich mit den Filmen wohl auch aufgrund meiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Boxsport wenig anfangen. Dementsprechend blieb ich vom kurzen, durch Sportler wie Henry Maske oder die Klitschko-Brüder entfachten Box-Hype rund um die Jahrtausendwende genau so verschont wie von der Begeisterung für die „Creed“ betitelten Fortsetzungen der Rocky-Reihe von 2015 und 2018, die die Box-Saga in der nächsten Generation weitererzählen. Und auch im Videospielbereich ziehe ich bei 1 gegen 1 Prüglern das oftmals etwas phantastisch angehauchte östliche Martial Arts Setting dem Box- oder Wrestling-Metier vor. Ausnahmen von dieser Regel bildeten bisher die Punchout- und vor allem die Ready-2-Rumble – Reihe auf Dreamcast, die sich mit ihrer übertriebenen Inszenierung und schillernden Charakteren von den bodenständigen Box-Wurzeln entfernten und tief in arcade-lastige Gefilde vorwagten. Und hier schließt sich der Kreis, denn als ich einen ersten Trailer von Big Rumble Boxing: Creed Champions! sah, einem Boxspiel mit offizieller Rocky/Creed-Lizenz, fühlte ich mich sofort an R2R-Boxing erinnert. Für weitere Recherche steuerte Entwickler Survios, der sich auf Spiele mit TV- oder Filmbasis spezialisiert zu haben scheint, einen Code für XBox One bei, doch das Spiel erscheint am 03.09. auch für andere Plattformen wie Playstation, Switch und PC für ca. 40 Euro.
Ehrlich gesagt sorgt dieser Erscheinungstermin etwas für Verwunderung, hätte ich in Anbetracht der großen Lizenz doch eine medienübergreifende Bewerbung beispielsweise des dritten Creed-Films erwartet, der aber anscheinend erst 2022 in die Kinos kommt. Ungeachtet dessen entpuppt sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! als grundsolides, leicht zugängliches Kampfspiel, jedoch ohne besonders hervorstechende Merkmale. Bereits das schlanke Hauptmenü weist lediglich die Optionen Arcade und Versus als echte Spielmodi aus. Eine Online-Anbindung fehlt zwar, doch wenigstens können die einzelnen Kämpfe in der Versus-Variante zu zweit oder gegen die CPU bestritten werden. Der Arcade-Modus hätte dagegen auch gut Story benannt werden können, erzählt er doch den Werdegang eines jeden der 20 wählbaren Charaktere. Zehn von diesen Sportler sind zu Beginn jedoch gesperrt und müssen erst durch Vervollständigung der Geschichten anderer Boxer oder einem rudimentären Fortschrittssystem in der Versus-Variante freigeschaltet werden. Als notorischen Solo-Spieler erinnert mich das nicht nur angenehm an den Spielaufbau vergangener Tage, sondern ist für mich auch hinreichende Motivation, mich zumindest etwas länger mit dem Titel zu beschäftigen. Als meine erste Kämpfer-Wahl traditionsbewusst auf Rocky Balboa fiel, staunte ich nicht schlecht, als mir zunächst zahlreiche Dialogboxen und Charakterprofile im Stile einer Visual Novel präsentiert wurden, (inklusive gegrunzter „ha“ und „hmmm“ Laute, die über die eingesparte Komplettvertonung hinwegtäuschen sollen) gefolgt von einigen Trainings-Minispielchen, in denen beispielsweise rhythmisch die Schulter-Trigger gedrückt oder unter Zeitdruck Tastenkombinationen nachgeahmt werden müssen, während man auf tiefgefrorene Schweinehälften einprügelt. Derartige Intermezzi sind zum Glück selten, fallen nicht negativ auf und dienen tatsächlich der Auflockerung der Story. Die sind nämlich ähnlich der Handlung eines Pornostreifens leider nur eine Reihe von schlecht geschriebenen Vorwänden für den folgenden körperlichen Einsatz, so dass ich mich relativ schnell gelangweilt durch die Texte klicke, um zu den Kämpfen zu gelangen.
Dort greift Big Rumble Boxing: Creed Champions! auf eine relativ einfache Steuerung zurück, die mich etwas an eine unspektakulärer inszenierte Variante des Kampfsystem der Naruto Ninja Storm Spielen von CyberConnect2 erinnern. Durch wiederholtes Drücken des X-Knopfs -teils in Kombination mit den Richtungstasten- lassen sich einfache Schlag-Folgen ausführen, die bei Bedarf mit einem auch einzeln anwendbaren kraftvollen Hieb abgeschlossen werden können. Zwar unterteilen sich die Athleten in Klassen wie flinke Schwärmer oder Schläger und reagieren mit etwas unterschiedlichen Aktionen auf die Eingaben, steuern sich aber dennoch allgemein ziemlich ähnlich, zumal das Repertoire an Haken, Schwingern und Uppercuts recht überschaubar ist und jederzeit im Optionsmenü eingesehen werden kann. Weitere Elemente wie ein Klammer-Punch, unblockbare Angriffe, Status wie Benommenheit und eine Superleiste, die gefüllt einen verheerenden, in einer einer kleinen Videosequenz präsentierte Attacke auslösen kann, ergänzen die offensiven Möglichkeiten zu hinreichender Komplexität, lassen jedoch wirklichen Tiefgang vermissen. Zur Verteidigung können sich die Figuren wie für 3D-Fighter üblich nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach vorne und hinten bewegen und so – wahlweise auch per flinkem B-Button-Dash – etwas Platz zwischen sich und ihrem Kontrahenten schaffen oder einer Geraden ausweichen. Der Block per rechter Schultertaste stellt dagegen die etwas sichere Art der Defensive dar, die zwar durch eine eigene, sich regenerierende Energieleiste begrenzt sein sollte und auch das Bewegen verhindert, aber dennoch nur selten echte strategische Überlegungen nötig macht. Interessant ist vielmehr die Möglichkeit, durch einen perfekt abgestimmten Block kurz vorm Treffen eines generischen Schlags diesem automatisch auszuweichen und einen Konter anzubringen. Um dieses Manöver jedoch zuverlässig ausführen zu können oder Feinheiten zu ergründen vermisse ich jedoch tatsächlich so etwas wie ein Tutorial, dass mir die Konzepte interaktiv darlegt, statt sie mit in reiner Textform in der Anleitung zu präsentieren. So kann auch reines Button- und Block-Gemashe zielführend sein, zumal das Einstecken von Schlägen getreu dem Vorbild durchaus gewollt zu sein scheint. Recht gut hat mir in diesem Zusammenhang dann auch die Abbildung des strukturellen Aufbaus eines Boxkampfs gefallen, mit dem sich das Spiel von anderen reinen Kampfspielen unterscheidet. Denn wie zu erwarten wird auch in Big Rumble Boxing: Creed Champions! nicht um Punkte gekämpft, sondern der Sieger ausschließlich über einen KO bestimmt. Doch statt einfacher „Best of 3“ Kämpfen mit stets neu aufgefüllten Energieleisten ist eine leere Gesundheitsanzeige nicht wirklich mit dem Verlieren eines Durchgangs gleichzusetzen. Vielmehr geht der angeschlagene Kämpfer zu Boden und wird angezählt, kann sich aber durch stets schwerer werdendes Hämmern auf X wieder aufrappeln, während sich der Lebensbalken des Gegenübers etwas füllt. Da beide Kontrahenten auch zwischen den standardmäßig 60 Sekunden andauernden Runden geheilt werden, ist hier echtes Taktieren möglich. Soll ich beispielsweise aggressiv vorgehen und versuchen, den Gegner per Superschlag noch diese Runde auf die Matte zu schicken, oder doch lieber auf Distanz gehen, um diese mächtige Option und die eigene angeschlagene Gesundheit über die Glocke zu retten? Anders als in den Versus-Kämpfen lassen sich im Arcade-Modus leider nicht die Parameter für Rundenanzahl, -dauer und KO-Anfälligkeit einstellen, wodurch sich die Wettkämpfe etwas ziehen können, da das Gegenüber drei- bis viermal auf die Matte geschickt werden muss, bis es dort auch ausgeknockt liegen bleibt. Das ist vor allem ärgerlich, da gefühlt die KI stark schwankt und so einige Gegner selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade eine Herausforderung darstellen. Wenigstens wird der Schlagabtausch dabei hübsch präsentiert. Auch im angedeuteten, farbenfrohen Comic- beziehungsweise Action-Figur-Look sind die Modelle ihren Leinwand-Darstellern wie Sylvester Stallone oder Michael B. Jordan gut nachempfunden, detailliert gestaltet und mit netten Effekten wie glitzerndem Schweiß versehen, so dass ich ganz neidisch auf den ein oder andere Waschbrettbauch oder Bizeps bin. Da der Rocky-Kanon trotz immerhin acht Filmen vermutlich nicht ausreichend Vorlagen für einen 20 Personen-Kader liefern konnte, wurde dieser mit Kreationen aufgestockt, die sich genretypisch bei nationaler Stereotypen wie dem rothaarigen Iren, drahtigen Mexikaner oder bärtigen „Wikinger“ bedienen, sich aber für meinen Geschmack noch im Rahmen des vertretbaren bewegen. Zudem würde ich davon auszugehen, das das Entwicklerstudio an durch die Lizenz vorgegebenen Restriktionen gestoßen ist. Schließlich die Filme in der realen Welt angesiedelte Sportdramen. Daher dürften allzu exotische Widersacher wie grünhäutige Dschungelbewohner mit Elektrofähigkeiten, indische Fakirboxer mit Gummiarmen oder gemischte Kämpfe gegen Boxerinnen Tabu gewesen sein. Gleiches gilt wohl auch für Kostüme und Arenen. Als reguläre Wettkämpfe ausgetragen sind die meisten Kämpfer lediglich mit den typischen Boxershorts(?), bekleidet. Straßenkleidung bildet da schon die exotische Ausnahme, und die freispielbaren Skins stellen lediglich Farbvarianten dieser Kleidung dar. Einen Fight gegen ein gealtertes Rocky-Modell oder einen mit Goldketten behangenen Mr. T sucht man ebenso vergeblich wie eine all zu extravagante Umgebung. Denn die sind ebenfalls größtenteils klassische Box-Ringe, die in kleinen Trainingshallen oder größeren Veranstaltungsälen platziert sind. Im Rahmen der Möglichkeiten sind diese Umgebungen trotzdem ausreichend abwechslungsreich. Der Ring in der Wüste Nevadas steht beispielsweise unter freiem Himmel, während das nächtliche Hinterhof-Setting mit der Besonderheit aufwarten kann, dass hier die eng gespannten Begrenzungsseile entfallen. Zusammen mit den flüssigen Bewegungen, die nur in Einzelfällen wie einem Schlag in den Rücken etwas merkwürdig wirken, wird so ein stimmiges Bild erzeugt. Man merkt jedoch auch, dass sich viele Charaktere Animationen teilen, und technisch wäre der Titel so oder so ähnlich sicher auch auf einer XBox 360 möglich gewesen wäre. Das soll keineswegs herabwürdigend gemeint sein, sondern dürfte vielmehr dem spielhallenkompatiblen, schnell zugänglichen Charakter des Spiels geschuldet sein. Komplett überzeugen kann die Präsentation unter diesem Aspekt dann aber doch nicht und stellt vor allem unter Beweis, wie wichtig gutes Sounddesign ist. Denn während Schwinger, Blocks und Co. auch mit leuchtenden Handschuhen, bunten Lichtspuren und -Blitzen einem Actioncartoon gerecht in Szene gesetzt werden, klingen die Einschläge der Faust-Ummantelungen etwas mau und lassen an Wucht vermissen. Auch die Reaktionen auf Treffer hätten für meinen Geschmack noch etwas übertriebener ausfallen können, doch vielleicht ist eine fehlende Extradrehung beim Taumeln oder bogenreiche Flugbahnen beim Knockout ebenfalls der oben angesprochenen Verankerung im Creed-Rocky-Universum geschuldet. Außerdem finde ich, dass bei den Kommentaren und Ansagern falsche Schwerpunkte gesetzt wurden. Zwar gehört ein Michael Buffer eben wohl nicht zum Lizenzvertrag des MGM Filmstudios, doch ließen sich gerade die typischen Intros der Wettstreiter leicht Nachahmen, zumal auch andere Stimmen wie Stallones typisches Gelalle von den Ersatzsprechern imitiert werden. Leider gibt es aber keine individuellen Begrüßungen oder Kommentare, wenn beispielsweise Vater gegen Sohn antritt. Auch auf einen Schiedsrichter, der den Boxer am Boden sichtbar anzählt, wurde verzichtet. Stattdessen übernimmt diese Aufgabe zumindest in den Publikumsarenen ein Off-Sprecher, der die Veranstaltung auch live kommentiert, doch dieser Ansager lässt ebenso wie das Publikum einiges an Enthusiasmus vermissen.
Musikalisch erfüllt Big Rumble Boxing: Creed Champions! dann aber wieder alle Erwartungen, indem es mit kultigen Songs aus den Filmen wie Survivors „Eye Of The Tiger“ oder der Rocky-Hymne „Gonna Fly Now“ aufwartet. Ergänzt wird der Soundtrack vorrangig durch lizensierte Hip-Hop-Songs, doch vor allem ein energiegeladenes Elektrostück (dessen Interpretin ich leider nicht in den Credits ausmachen konnte) hat echte Ohrwurmqualitäten. Alles in Allem kann sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! zwar nicht mit Genre-Schwergewichten wie Tekken messen, ist aber dennoch ein nettes, wenn auch etwas seichtes, einsteigerfreundliches Kampfspiel, das mit seinem Setting vor allem für Box- und Rocky-Fans interessant sein dürfte sich. Gerade hinsichtlich Spieltiefe und -umfang sind die geforderten 40 EUR dann doch etwas happig, so das ich bei Interesse gegebenenfalls auf einen Sale warten würde.
Mit dem Aufbruch in das Zeitalter der Polygone waren es vor allem Rennspiele, die oft als Lauchtitel die Fähigkeiten der neuen Hardware demonstrieren sollten. Egal ob Gran Turismo, Forza oder Project Cars, unter teils immensem Aufwand wird mit jeder Iteration grafische Perfektion angestrebt, indem selbst kleinste Details wie Tankdeckelinnenseiten und abgenutzte Fahrbahnmarkierungen millimetergenau vermessen und modelliert werden. Gerade in letzter Zeit findet man aber auch Genrevertreter, die quasi als Gegenentwurf zum Fotorealismus bewusst auf eine reduzierte und simple Optik setzen und dabei oftmals auch spielerisch einem einfacheren Gameplay nacheifern. Mit seiner minimalistischen, schlichten Präsentation und weit entfernten Kamera, die das Geschehen fast schon aus einer isometrischen Perspektive einfängt, fällt art of rally vom Entwickler Funselector zumindest visuell in diese Kategorie.
Das Spiel erschien bereits 2020 für PC und feiert dieser Tage für ca. 20 EUR sein leicht erweitertes Konsolen-Debüt auf XBox, Switch und Playstation. Zudem ist der Titel beim Start in Microsofts Gamepass enthalten, wobei Funselector so freundlich war, mir einen entsprechenden Code für meine XBox One S zukommen zu lassen. Wie der Name vermuten lässt, steht bei Art of Rally der Ralleysport im Mittelpunkt, einem der meiner Meinung nach merkwürdigsten Vertreter im Bereich des motorisierten Wettstreits. Nicht nur, dass er sich einer einheitlichen Schreibweise entzieht (Rally? Ralley? Rallye?), es gibt auch anders als bei vielen anderen Rennveranstaltungen keine ansatzweise ansehnlichen Überholmanöver, die von spektakulären, speziell für die Rennserie entworfenen Fahrzeugen auf ebensolchen Strecken ausgeführt werden. Stattdessen messen sich die Fahrerinnen und Fahrer in über Zeitrennen ausgetragenen Fernduellen, die mit hochgezüchteten Straßenfahrzeugen auf Pisten bestritten werden, die nur selten einer echte Fahrbahn ähneln und die jeder vernünftige Mensch aufgrund ihrer Beschaffenheit eher meiden würde. Dass art of rally das Ralleysetting nicht nur für einen Funracer im Stil von Outrun oder Micro Machines nutzt, wird schon beim erstmaligen Start ersichtlich. Einstellungen wie Assistenten für Stabilisierung, Gegenlenken und ABS oder ein variables Schadensmodell findet man neben der obligatorisch Wahl zwischen manueller oder automatischer Schalung in reinen Arcaderacern eher selten. Nebenbei bemerkt ist das Menü für eine Konsolenversion vorbildlich, da die aufgeräumten Optionen nicht nur weitere Einstellungen wie Gamepadsensibilität und Deadzone-Konfiguration zulassen, sondern sich auch die Menügröße selber anpassen lässt und ich mich somit nicht mehr wie so oft mit fitzelkleiner Schrift auf dem Fernseher herumschlagen muss. Wie nützlich die fahrrelevanten Hilfestellungen sind, zeigt sich dann, wenn es auf die erste Piste geht. Zwar ist art of rally weit davon entfernt, als Simulation durchzugehen, doch die Fahrzeuge weisen allesamt eine glaubwürdige Masse auf, was sich in einer entsprechenden Trägheit bei der Beschleunigung und vor allem beim Lenken niederschlägt. Auch wenn sich die unterschiedlichen Boliden grundsätzlich ähnlich steuern, haben beispielsweise Radstand oder Art des Antriebs merkliche Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Statt also rein auf Vollgas zu setzen, ist man eher damit beschäftigt, unter gefühlvollem Spiel zwischen Gas und (Hand)Bremse heikle Kurven teilweise auch im Schrittempo zu durchfahren oder bei Kurskorrekturen nicht zu Übersteuern und durch sich aufschaukelndes Gegenlenken von der Strecke getragen zu werden. Darüber hinaus können einem je nach gewählter Schadenseinstellung nach Unfällen auch Defekte am Fahrzeug zu schaffen machen und dem Auto bis zur nächsten Reparatur einen permanenten Schlag nach rechts oder links verpassen. Dass das Fahrmodell von Art of Rally bisweilen etwas übertreiben reagiert und über das Ziel hinausschießt (ha) zeigt sich beispielsweise an gigantischen Sprüngen über Erhebungen oder dem etwas zickigen Verhalten beim Kontakt mit der praktisch unbeweglich Umgebung. Somit liegen Frust und Freude beim Spiel dicht beieinander. In einem Moment frohlockt man noch, weil man in einem nahezu perfekten Drift eine Kurve gemeistert hat, nur um Augenblicke später den richtigen Bremspunkt leicht zu verpassen und so vor dem nächsten Baum zu landen oder weit von der Strecke abzukommen. Letzteres ist besonders ärgerlich, da schon geringe Abweichungen vom engen Fahrkorridor, der nicht angezeigt wird, mit fünf Strafsekunden geahndet wird. So merkwürdig es klingen mag, weist das Spiel in meinen Augen somit Ähnlichkeiten zu Klassikern wie Lunar Lander oder Thrust auf, indem es die Auseinandersetzung mit einer zumindest nachvollziehbaren, physikbasierten Steuerung zum zentralen Element eines arcadeorientierten Spiels macht. Das wäre auch eine Erklärung für die ungewöhnliche Ausgestaltung des Karrieremodus, der das „goldene“ Zeitalter der Ralleys thematisiert und sich streng linear über 30 Jahre von 1966 bis 1996 erstreckt, wobei sich die Zeitspanne auf sechs Fahrzeugklassen aufteilt, die jeweils eine halbe Dekade umspannen. Pro Saison ist zwar die Anzahl der zu bestreitenden Rennetappen vorgegeben, jedoch werden sowohl das Land, in dem sie bestritten werden, als auch die damit einhergehenden Strecken und Tageszeiten zufällig bestimmt. Da die gut 60 Kurse, die sich über 6 Regionen wie Finnland, Kenia oder Sardinien erstrecken, bereits zu Beginn uneingeschränkt zur Verfügung stehen, fühlt sich dieser Spielmodus daher ein wenig beliebig und eintönig an, zumal die finale Positionierung ebenfalls keinerlei Einfluss auf den Fortschritt zu haben scheint. Egal, ob man das Ralleyjahr auf dem Siegerpodest oder einem der hinteren Plätze beendet, stets wird das nächste Rennevent entsperrt und zusätzliche Lackierungen und Autos freigeschaltet. Die Beurteilung der fahrerischen Leistung ist dabei sowieso relativ nichtssagend, da der stets einstellbare Schwierigkeitsgrad ausschließlich die erfundenen Zeiten der simulierten Konkurrenz bestimmt. So kann man auf der einfachsten Stufe zu einer gemütlichen Spazierfahrt ansetzen und dennoch die gegnerischen Zeiten um Längen unterbieten. Außerdem wird das eigene Abschneiden und das Gesamtklassement recht trocken erst am Ende einer Etappe in Textform präsentiert, statt beispielsweise wie in anderen Titeln üblich zumindest an Checkpunkten auf der Strecke Position und Differenzzeiten zum führenden oder nachfolgenden Fahrzeug einzublenden. In selber zusammengestellten Ralleys wird zumindest der zufällige Aspekt des Rennablaufs eliminiert, doch richtig „Klick“ hat es bei mir in den Zeitfahrten gemacht. Habe ich die Implementierung dieses Modus in anderen Rennspielen oft als trockene Pflichtübung wahrgenommen und in der Regel wegen seiner „Reduktion“ des Renngeschehens verschmäht, offenbart er in art of rally den wahren Kern des Spiels. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern nur um mich und die Strecke. Vor allem in den höheren Fahrzeugklassen ist nicht die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden ausschlaggebend, sondern das Beherrschen des kraftvollen Gefährts auf den sich schlängelnden Pfaden. So kann ich mich wieder und wieder am selben Kurs versuchen, um meine Bestzeit noch etwas weiter zu optimieren. Auch wenn es wohl dem Charakter des Spiels widersprechen würde, hätte ich mir dabei hin und wieder eine Rückspul-Funktion gewünscht, denn die Rennen dauern einige Minuten an, und ein Fahrfehler gegen Ende kann das gesamte Ergebnis ruinieren. Wenigstens lässt sich schnell per Tastendruck ein Neustart veranlassen, womit sich auch die spürbaren Ladezeiten für einen Kurs vermeiden lassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten steht auch ein Online-Ranking zur Verfügung, das die eigenen Bestzeiten denen der weltweiten Community gegenüberstellt und es erlaubt, ein zugehöriges Geisterfahrzeug einzublenden. Ein Vergleich mit einer geringfügig besseren Leistung kann ungemein motivierend sein, indem er beispielsweise zu einer etwas aggressivere Fahrweise ermutigt oder die Vor- und Nachteile eines anderen Vehikels darlegt. Dieser Ansporn gilt ebenfalls für die täglichen beziehungsweise wöchentlichen Herausforderungen. Als finaler und vielleicht merkwürdigster Spielmodus wurde noch die „freie Fahrt“ eingebaut, die für jeden Austragungsort fast schon im Stile eines Open-World-Spiels das überraschend umfangreiche Straßennetz bereitstellt, aus denen sich die einzelnen Rennetappen zusammensetzen. Hier kann man nicht nur das Umfeld frei von Streckenvorgaben erkunden, sondern ähnlich den frühen Tony-Hawk Titeln -jedoch ohne Zeitlimit- einen speziellen Bus und jeweils fünf Videokassetten, fotogene Sehenswürdigkeiten und die Buchstaben R A L L Y einsammeln, die dann die nächste „Welt“ freischalten. Auch wenn die Umgebungen vermutlich bereits für die Einzelverläufe konstruiert wurden, stellt sich mir die Frage, warum der Aufwand betrieben wurde, hier eine offene Welt zu präsentieren, um sie dann für nur wenige Aufgabenstellungen zu nutzen. Nicht, dass ich finde, der Umfang von art of rally sei zu gering, doch gerade weil dieser Modus existiert, bietet er sich doch für so viel mehr an. Warum beispielsweise nicht den Tony-Hawk-Vergleich voll ausreizen und Drei-Minuten-Punkte-Herausforderungen mit einem Kombosystem für Drifts, zielgenaues Fahren oder Höchstgeschwindigkeiten vereinen? Oder im Stile anderer Open-World-Spiele Aufgaben wie zeitkritische Lieferungen von Punkt A nach B in der Gegend verteilen? Selbst ein oft von mir geforderter Streckeneditor müsste sich bei einem bereits bestehenden Straßennetz eigentlich mit Hilfe von zu setzenden Checkpunkten relativ einfach realisieren lassen. Stattdessen verwundern die handvoll Sammelaufgaben um so mehr, als dass sie anscheinend reinem Selbstzweck dienen. Vor allem die Fotolocations werden zwar im Moment Ihrer Entdeckung in einem Schnappschuss festgehalten, der Fahrzeug und Landschaft hübsch in Szene setzt, doch diese Bilder landen in keinem Fotoalbum, und als sammelbares Objekt sind sie aus der Landschaft verschwunden. Dabei haben die Umgebungen sowohl optisch als auch gestalterisch ihre Höhen und Tiefen, und damit meine ich nicht die wortwörtlichen Berg- und Talfahrten auf Gebirgsstrecken die noch zu den Highlights des Spiels zählen. Wie Eingangs erwähnt setzt die Grafik auf einen minimalistischen Stil, der verschiedene Elemente wie einfache Polygonmodelle mit flächigen Texturen in bunten Farben und einem allgemeinen Verzicht auf zu viel Details kombiniert und am ehesten als solide oder zweckdienlich bezeichnet werden könnte, zumal er keine direkten nostalgischen Gefühle weckt wie beispielsweise ein Racer, der komplett in Low-Poly-Optik erstrahlt. Mit netten Lichteffekten wie die Autoscheinwerfer, die die Strecke bei Nachtfahrten beleuchten oder der Abenddämmerung, die der gesamten Szenerie eine lila Färbung verpasst, zaubert art of rally in bestimmten Situationen dennoch stimmungsvolle und schöne Bilder auf den Schirm, die nach einem ersten Patch auch technischen Grundanforderungen genügen. Denn vor der Verbesserung litt die Vegetation in art of rally zumindest auf einer XBox One S so stark unter Pop-in, dass teilweise ganze Wälder aus dem Nichts erschienen. Komplett sind diese Mängel zwar nicht behoben, jedoch ist die Anzahl an Sträuchern und Bäumen, die wie von Geisterhand auf der Piste auftauchen, stark reduziert. Zum Glück wirken sich diese nunmehr kleinen Grafikprobleme kaum auf auf den Spielfluss aus, da die Bewegungen auf der Straße unabhängig von den Geschehnissen in der Ferne stets stabil und flüssig dargestellt werden. Außerdem verpasst das Update den Rennen noch einen ansehnlichen Tiefenunschärfe-Effekt, der zuvor nur dem Foto-Modus vorbehalten war. Damit erweckt die Grafik nun auch in Bewegung fast den Look einer Bastelbogen-Spielzeugwelt und sorgt in Passagen wie den oben genannten Bergrennen, bei denen man über Hänge voller blühender Kirschbäume die Streckenführung und ein kleines Dorf im Tal ausmachen kann, für pittoreske Postkartenmotive in Pastelltönen. Andere Abschnitte sind dagegen sehr viel karger gestaltet, winden sich um optisch langweilige Gewässer und können mit arg kniffeligen Kurvenfolgen nicht immer überzeugen. Am wenigsten haben mir die in Deutschland verorteten Wettkämpfe gefallen, auf denen Teile der ohnehin schon schmalen Straße von Hindernissen gesäumt werden, die wie in den Boden betonierte Grabsteine aussehen.
Während das Straßennetz relativ offensichtlich der Phantasie entsprungen ist, kann man bei den Fahrzeugen auch ohne teure Lizenz die offensichtlichen Vorbilder ausmachen. Hinter dem kompakten Meanie verbirgt sich der Mini von Cooper, und die typische Seitenlinie des Porsche 911er ziert in art of rally ein Fahrzeug namens „das 119“. Dass durch die Kameraansichten, die von „entfernt“ bis „weit entfernt“ reichen, kaum Fahrzeugdetails auszumachen sind, ist wenig störend, vor allem, da dadurch das Problem der schlechten Streckenübersicht behoben wird, das ich in vielen Rennspielen mit niedriger Heckansicht oder Cockpit-Perspektive habe. Demzufolge vermisse ich auch keine Beifahrerstimme, die in anderen Ralleytiteln Auskunft über anstehende Hindernisse und Lenkmanöver gibt. Denn ähnlich der Optik beschränkt sich auch der Sound mit den realistisch röhrenden und knatternden Motoren und gelegentlichem Zuschauerjubel auf das wesentlich. Tatsächlich fehlt mir lediglich der beruhigende Klang von Kies und Schotter, wenn über entsprechenden Untergrund gefahren wird. Ein uneingeschränktes Lob hat dagegen der Synth-Wave-Soundtrack mit einem Hauch von Daft Punk verdient. Auch wenn diese Art von Musik eher zu einem 80er Jahre Sci-Fi-Film denn ein Rennspiel passt, unterstützen die mal fröhlich energetischen, mal angespannt treibenden Klänge hervorragend den fast schon meditativen Charakter des Spiels, wenn man sich mit Tunnelblick voll und ganz auf die Strecke konzentriert und zur Erkenntnis kommt, dass gefühlvolles Drifting tatsächlich eine Kunstform ist.
Art of rally ist mit Sicherheit nicht nach jedermanns Geschmack. Wer in Anbetracht der einfachen, knuffigen Grafik einen ebenso zugänglichen Arcaderaser erwartet, dürfte enttäuscht sein. Doch wer gewillt ist, über einige offensichtliche Schwachstellen hinwegzusehen und Arbeit in die Verinnerlichung der Steuerung zu investieren, wird mit einem enstzunehmenden, umfangreichen und sicherlich lang motivierenden Spiel belohnt. Daher ist art of rally auf XBox auch außerhalb des Gamepass bestimmt einen Blick wert.
and now, for something completely different… Einen nicht ganz unerheblichen Teil meines Humorverständnis‘ dürfte ich dem intensiven Konsum von Monty Python’s Flying Circus zu verdanken haben. Seither erfreue ich mich nicht nur an geschliffenem Wortwitz oder schwarzhumoriger Satire, sondern auch an absurden Situationen und surrealem Nonsens. Neben Sketchen über den Umtausch toter Papageie, die unerwartete spanische Inquisition oder den tödlichsten Witz der Welt waren auch die Papercut Animationen von Terry Gilliam fester Bestandteil der Comedysendung und nicht zuletzt auch für das ikonische Intro verantwortlich. Genau diese krud animierten und von klassischer Musik untermalten Collagen aus historischen Gemälden nimmt sich The Procession to Calvary von Joe Richardson ebenso zum Vorbild wie den pythonesken Humor. Das Ergebnis in Form eines traditionellen Point’n’click Adventures erschien bereits letztes Jahr für Mac, PC und Mobil und feiert jetzt sein Konsolendebüt auf Switch, Playstation und XBox für gut 15 EUR, wobei mich Publisher Digerati freundlicherweise mit der XBox-Version versorgt hat.
Als mordlüsternde Kämpferin, basierend auf Rembrandts Bellona, gibt es nach dem siegreich beendeten heiligen Krieg eigentlich nicht mehr viel zu tun, zumal das Abschlachten der nunmehr zivilen Bevölkerung irgendwie sozial nicht mehr akzeptabel scheint. Also wird kurzerhand ein letzter Auftrag angenommen, um mit dem inzwischen im Exil lebenden himmlischen Petrus wenigsten noch dem besiegten ehemaligen Anführer den Garaus zumachen. Zu diesem Zweck gilt es, auf diversen Bildschirmen, die aus den Werken der größten Meister des Barrocks und der Renaissance zusammengestellt wurden, Rätsel zu lösen und Dialoge zu führen. Dabei macht The Procession to Calvary seinen Job bei der Zusammenstellung der unterschiedlichen Versatzstücke von Malern wie Botticelli oder Hieronymus Bosch fast schon zu gut. Denn aufgrund sauberer Ebenenaufteilung für einen räumlichen Tiefen-Effekt und erstaunlich gelungener Bildaufteilung, Elementauswahl und sanfter Umgebungseffekte wirkt tatsächlich vieles wie aus einem Guss. Damit fehlt aber eben auch ein kleiner Teil des für die Python-Animationen typischen Kontrasts, der durch das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Komponenten entsteht. Bei den bewusst hampeligen Charakteranimationen ist das Spiel aber wieder voll auf dem Kurs der Vorlage, ebenso wie bei der klassischen Musikuntermalung mit Auszügen aus bekannten Symphonien, Stücken und Märschen von Vivaldi, Bach oder Händel. The Procession to Calvary könnte sich somit gar als authentischstes aller Retrospiele bezeichnen, an denen die größten Künstler aller Zeiten mitgearbeitet haben.
Als kleiner Running Gag befinden sich dann auch in jeder Szene entsprechende Musikerinnen und Musiker, die mit unnötig detaillierten Beschreibungen wie „ein kleines Kammerorchester spielt an der Spitze einer ordentlich getrimmten Kiefer das Kammerkonzert in F-Dur von Antonio Vivaldi“ versehen sind. An diesem Beispiel kann man auch schon gut die humoristische Ausrichtung des Spiels erkennen, die ebenso wie die optische Aufmachung etwas bodenständiger und weniger chaotisch ist als die der britischen Blödeltruppe. Selbstverständlich würde die Erwartung einer Monty Python gleichwertigen Klamaukqualität fast schon an Majestätsbeleidigung grenzen, doch das Spiel tut sein bestes, um den witzigen Geist der Inspirationsquelle einzufangen. In vielen Situationen kann man sich ein Kichern oder zumindest das ein oder andere Schmunzeln nicht verkneifen, beispielsweise wenn in einem Feldlazarett „traumatische“ Kriegsverletzungen wie zu lange Haare oder kalte Füße behandelt werden. In Anbetracht der oftmals religiösen Motive der Bildvorlagen bekommen auch die Kirche und der Klerus ihr Fett weg, wenn zum Beispiel Jesus als windiger Straßenzauberer Taschenspielertricks aufführt oder Kardinäle Schmuck und knackige Knaben als Bestechung fordern. Leider verpasst The Procession to Calvary hier eine große Chance, da komplett auf Sprachausgabe verzichtet wurde. Wenn im Sinne des neu gewonnenen demokratischen Verständnis erst formell darüber abgestimmt werden muss, ob der Heldin ein für das Vorankommenden benötigter Gegenstand überlassen wird, kann ich in meinem Hinterkopf praktisch unmittelbar die verstellten Stimmen von John Cleese und Eric Idle hören, deren Pathos der absonderlichen Situation noch eine Extraportion Komik verleihen würde und die sich auch mit weniger kostspieligen Synchronsprechern zumindest auf Englisch leicht nachahmen ließen. Dennoch zündet der typisch britische Humor auch als Textform sowohl in der englischen als auch der deutschen Version überraschend gut, auch wenn mir in beiden Sprachen etwas zu häufig auf anachronistisches Fluchen und teils etwas zu langatmige Selbstreferenz für einen schnellen Gag zurückgegriffen wird. Weniger gut gefallen hat mir die Darstellung des Texts bei der Dialogauswahl an und für sich, denn gerade auf dem Fernseher lassen sich die teils gelbgrauen Buchstaben auf hellem Untergrund etwas schwer ausmachen. Zum Glück werden die Zeilen dann aber noch einmal etwas größer wiederholt. Insgesamt scheinen vor allem die stationären Konsolen nicht unbedingt die besten Plattformen für Adventurespiele der alten Schule zu sein, doch nicht zuletzt dank einiger zeitgemäßer Genrestandards und Kompfortfunktionen ist The Procession to Calvary auch auf der XBox One anstandslos spielbar. So lässt sich der Cursorpfeil, mit dem sämtliche Handlungen ausgeführt werden, auch ohne Maus oder Touchpad mit dem linken Analogstick recht bequem und ausreichend präzise bewegen, so dass die optionale Beschleunigung per Schultertaste eigentlich gar nicht benötigt wird. Per „Doppelklick“ kann die Protagonistin zum gewünschten Zielort sprinten und auf Wunsch werden alle Hotspots angezeigt, so dass der Bildschirm nicht unnötig nach relevanten Bereichen abgesucht werden muss. Einmal angeklickt können dort wiederum über drei Icons die Aktionen Interagieren, Reden und Betrachten gewählt werden, während der obere Bildschirmrand ein Inventory für einige Gegenstände bereithält. Damit erinnert das Interface stark an Lucasarts Full Trottle, dessen Remake ich unlängst zum ersten mal gespielt habe, und auch in Sachen Rätseldesign reiht es sich trotz begrenztem Vokabular problemlos im oberen Mittelfeld klassischer Adventuregames ein. Beschränken sich die Aufgaben anfangs oft noch darauf, Gegenstände an Position A einzusammeln und an Person B zu übergeben, werden die Herausforderungen später etwas komplexer und verschachtelter, beispielsweise wenn es darum geht, die Jury eines Talentwettbewerbs zu beeindrucken oder eine satanisches Ritual zu vollziehen. Dabei bleiben die Anforderungen stets logisch und nachvollziehbar und sorgen für den einen oder anderen „Heureka“-Moment. Der Umfang von gut 4 Stunden für einen Durchlauf ist ebenfalls absolut ausreichend, zumal sich die Probleme zumindest ansatzweise unterschiedlich angehen und Aktionen triggern lassen, die zu unterschiedlichen „Enden“ führen. Vor allem das Credo „Gewalt ist doch keine Lösung“ ist nicht unbedingt keine Lösung. Dementsprechend ist dem Zücken des Schwertes eine eigene Taste gewidmet, und der Vorsatz, keine Leute mehr zu töten, verliert außerhalb des Blickfelds der Obrigkeitlich deutlich an Relevanz. Außerdem hält The Procession to Calvary auch außerhalb der eigentlichen Handlung einige amüsante Überraschungen und witzige Details bereit. Wie es sich für ein anständiges Adventure gehört werden auch nicht-lösungsrelevante Aktionen nicht einfach mit einem „das geht nicht“ abgetan, sondern erhalten oft bissige Kommentare oder gar eigene kleine Animationen.
Alles in allem kann das Spiel zwar nicht ganz mit Spitzenvertretern wie Grim Fandango oder Monkey Island mithalten und erreicht auch nicht die zeitlose Witzigkeit einer Flying Circus Episode, doch selbst zur Blütezeit des Genres wäre The Procession to Calvary in Sachen Humor, Spielspaß und -Design ein bemerkenswerter, kleiner Titel und Geheimtipp gewesen, der alleine schon ob der ungewöhnlichen Präsentation einen Blick wert ist. Man merkt dem Spiel zu jedem Zeitpunkt an, dass es mit sehr viel Liebe zum Detail und Sachverstand entwickelt wurde. Ob es jedoch -entsprechende Hardware vorausgesetzt- zwingend auf der XBox One gespielt werden muss oder nicht doch die älteren (und günstigeren) Versionen eine gleichwertige oder gar bessere Alternative darstellen, sei dahingestellt.
Einer der großen Vorteile von Computer- und Videospielen ist, dass sie uns erlauben, virtuell Dinge zu tun, die uns im realen Leben versagt bleiben. Sei es das Retten eines fantastischen Königreichs vor fiesen Dämonenfürsten, das Erkunden der unendlichen Weiten des Alls in einem schnittigen Raumschiff oder das saubere Stehen eines Kickflips auf einem Skateboard. Zumindest für mich ist der letzte Punkt ähnlich utopisch wie die ersten beiden. Denn auch, wenn ich mich seit Kindheitstagen für Skateboarding interessiere, hat es nie zu mehr als einem Möchtegern-Ollie von der Bordsteinkante gereicht, und mit zunehmenden Alter möchte man natürlich auch kein zersplittertes Becken riskieren.
Unter den Skateboard-Spiele war und ist Aktivisions Tony Hawk’s Pro Skater Reihe unumstrittener Platzhirsch, doch wenigstens in Nischen scheint der Markt auch für andere Ansätze offen zu sein. Die Skate-Serie von EA verfolgt beispielsweise einen sehr viel simulationslastigeres Gameplay, ähnlich wie der Early Access Titel Session. Skate City vom norwegischen Entwickerstudio Agens wiederum geht eigene Wege, indem es sich im doppelten Sinne auf bodenständige Tricks in urbanen Umgebungen konzentriert und das Spielgeschehen in eine lineare 2,5D Perspektive verfrachtet. Das Spiel wurde bereits Ende 2019 auf iOS Geräte veröffentlicht und erscheint nun für gut 15 EUR auch für XBox, Playstation, Switch und PC. Der Publischer Snowman war so freundlich, mich mit einem XBox One Code auszustatten. Die Steuerung des Skaters oder der Skaterin ist dabei zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchdacht: Von den „regulären“ Knöpfen des Gamepads wird eigentlich lediglich die A-Taste genutzt, um Schwung zu holen. Stattdessen spielen die beiden Analog-Sticks eine zentral Rolle, indem sie je nach gedrückter Richtung verschiedene Sprünge einleiten. Die Schultertasten dienen dazu, sich um die eigene Achse zu drehen und die Trigger kommen zum Einsatz, um Aktionen auf 2 Rädern durchzuführen und die Balance zu halten. Der „halben“ Dimension der eingangs als 2,5D bezeichneten Umgebung kommt dabei eine stärkere Bedeutung zu als bei vergleichbar präsentieren Spielen wie beispielsweise die Trials Reihe. Denn eigentlich bewegt man sich zwar auch in Skate City nur auf einer festgelegten Ebene von links nach rechts, in der Nähe von Geländern, niedrigen Mauern und ähnlichem führen Sprünge jedoch dazu, dass man automatisch über diese Objekte im Vorder- oder Hintergrund grindet. Grundsätzlich sind diese Elemente gut zu erkennen, nur in sehr seltenen Fällen kommt es aufgrund der letztendlich doch dreidimensionalen Darstellung zu anfänglichen Unklarheiten darüber, ob etwas nur schmückende Staffage, interaktive Architektur oder ein Hindernis ist. Nach einiger Einarbeitung und etwas Umdenken hinsichtlich der in anderen Spielen erlernten Steuerung gelingen einem so auch hier ansehnliche Kombo-Ketten, die mich stolz-erfüllt an echte Videoszusammenschnitte von Rodney Mullen aus den Tony Hawk-Spielen erinnern. Mit einem Arsenal an derart auszuführenden Tricks können sodann verschiedene Aufgaben zunächst in Los Angeles, später dann auch in Oslo und Barcelona, angegangen werden. Dazu begibt man sich entweder im „Endlos“ Modus sozusagen auf den Rundkurs des jeweiligen Stadt-Levels, um 30 spezielle Vorgaben zu erfüllen, oder versucht sich an den insgesamt 63 Missionen, die in Dreier-Blöcken freigeschaltet werden und auf kleineren Teilabschnitten zu bestreiten sind. In diesen offenbart Skate City dann auch seine mobile Abstammung. Während es mir rätselhaft bleibt, wie die durchaus komplexe Steuerung, die ideal für ein Gamepad ist, auf einem Touch-Gerät funktionieren soll, sind die Missionen oftmals auf nicht einmal eine Minute Spielzeit ausgelegt und haben eine mobil-typische Unterteilung der Zielvorgabe, die mit bis zu drei Sternen bewertet wird. Dabei sind die Aktivitäten im Rahmen der Möglichkeiten vielseitig ausgefallen und überraschen mit einigen netten Ansätzen. So finden sich neben typischen Punkte-Herausforderungen und Trickvorgaben auch Rennen gegen andere Skater oder die Polizei, bei denen sich Style der Geschwindigkeit unterordnen muss. Etwas weniger gelungen finde ich persönlich Abschnitte, in denen sich zusätzlich noch Passanten in der Roll- und Rutsch-Ebene befinden. Da diesen zwingend ausgewichen werden muss, ist hier die Skate-Linie quasi strikt vorgegeben und es kommt häufiger zu Stürzen als in den Passagen, in denen lediglich vereinzelte Mülleimer, Bänke und Kanten Hindernisse darstellen. Dadurch gerät der eigentlich recht entspannte „Flow“ etwas ins stocken, wobei das nicht heißen soll, das es sich ansonsten um ein leichtes Casual-Spiel handelt. Zwar sind die frühen LA-Missionen, die teilweise auch als erweitertes Tutorial dienen, schnell mit einer Top-Wertung abgeschlossen, später ist jedoch eine gute Beherrschung der Eingabemöglichkeiten und auch etwas Auseinandersetzung mit dem Skater-Jargon nötig, um überhaupt einen Stern zu ergattern. Und dennoch fühlt sich das Spiel etwas seicht und leer an und animiert eher zu kurzen Sitzungen denn zum Dauerzocken. Hier hätten vielleicht weitere Modi wie einem Streckeneditor, eine prozedural generierte Daily Challenge oder auch nur ein 3 Minuten Score Attacke Abhilfe geschaffen, oder vielleicht auch ein bis zwei weitere Umgebungen. Denn die drei Kreis-Level sind zwar nominell in unterschiedlichen Städten angesiedelt und in sich noch einmal in Abschnitte wie Strand oder Schule unterteilt, sehen sich mit ihre Abfolge von Treppen, Parks und Mauern aber doch recht ähnlich. Insgesamt vermisse ich etwas Individualität und Persönlichkeit, beispielsweise durch berühmte Wahrzeichen der Metropolen wie den Hollywood-Schriftzug oder die Kirche Sagrada Família. Wenigsten sorgt ein Tag/Nachtwechsel sowie gelegentliche sommerliche Regenschauer für etwas mehr Flair.
Bezüglich der Präsentation von Skate City konnte man als Reaktion auf den Trailer schon im Vorfeld Stimmen vernehmen, die das Aussehen und vor allen die Musik als fehlplatziert bemängelten. Schließlich gehöre zu einem ordentlichen Skate-Spiel eine Punk-Rock-Soundtrack. Doch diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr passt die in Sepia-Tönen gehaltene, klar strukturierte Optik in ihrer Schlichtheit und ihrem Instagram-Filter-Look ebenso zum modernen, gelassenen Charakter des Spiels wie die chilligen LoFi Hip-Hop-Beat. Das gleiche gilt auch für die hübschen, eben nicht übertrieben inszenierten, flüssigen Animationen. Fast schon bewusst scheint sich der Titel innerhalb des Genres von bisherigen Vertretern abgrenzen zu wollen und repräsentiert halt mehr den skatenden Generation-Z-Hipster als die X-tremen Sk8erbois und Rollbrettfahrerinnen der Jahrtausendwende. Da ist es um so erstaunlicher, dass sich unter den wenigen Anpassungsmöglichkeiten, die sich im Shop gegen Austausch der Skate-Creds genannten Währung erstehen lassen, keine formschönen Vollbärte oder sündhaft teure Kopfhörer befindet. Stattdessen ist das Angebot an Individualisierungsoptionen beispielsweise mit nur einer Hand voll Frisuren und nicht allzu extravaganter Kleidung ebenfalls recht überschaubar gehalten, so dass das Geld nach Freischalten der beiden Örtlichkeiten lieber in Verbesserungen der Fähigkeiten wie Geschwindigkeit oder Gleichgewicht oder einen der acht Spezialtricks gesteckt werden sollte. Für Kreative hält das Spiel noch einen Fotomodus bereit, der sich mir aber nicht so ganz erschließen will, so dass die Screenshots auf herkömmliche Weise über die XBox erstellt wurden. Skate City bietet mit eigenständigen Ideen wie dem Verzicht auf eine frei befahrbare dreidimensionale Umgebung und der Fokussierung von glaubwürdigen Tricks, die auf einer fordernden, aber nicht zu komplizierten Steuerung beruhen, eine vielversprechende und spaßige Basis, die ihr volles Potential leider in dem recht eng gesteckten Rahmen nicht ganz ausschöpfen kann. Hier könnte ein Patch, DLC oder spätestens einen Nachfolger Abhilfe schaffen und den guten Konzepten eine größere Bühne zur Entfaltung bieten.
Taxi Chaos möchte gerne Crazy Taxi sein! Üblicherweise beginne ich einen Review mit einer sanften Einleitung, beispielsweise in Form einer Anekdote, um dann mehr oder weniger geschickt zum eigentlichen Thema überzugehen, doch dererlei Subtilität hat Taxi Chaos, dessen XBox One Reviewcode mir vom Publisher Lion Castle zur Verfügung gestellt wurde, auch nach dem Day-1 Patch nicht verdient. Taxi Chaos möchte gerne Crazy Taxi sein! Es nimmt sich nicht Crazy Taxi zum Vorbild, es ist keine Hommage an Crazy Taxi und es wurde nicht von Crazy Taxi inspiriert, sondern es möchte schlichtweg gerne Crazy Taxi sein, indem es die zentralen Aspekte des Spiels kopiert. Und grundsätzlich ist das gar keine so schlechte Idee, schließlich hat der dritte und letzte „echte“ Teil des Originals mit seinem Erscheinen 2002 schon etliche Jahre auf dem Buckel. Für alle, die vielleicht auch diesem Alter geschuldet nichts mit der Crazy Taxi Reihe verbinden können, sei gesagt, dass es sich um ein 1999 erschienenes 3D Automatenspiel von SEGA handelt, in dem es darum geht, in einer quasi-offenen Stadt Taxigäste einzusammeln und an ihr von einem dicken Pfeil angezeigtes Ziel zu bringen, bevor ein Zeitlimit abläuft. Ich vermeide hier bewusst die Genrebezeichnung Rennspiel, denn auch wenn man in einem Auto unterwegs ist, hat das Fahrverhalten doch wenig mit dem eines echten Kraftwagens zu tun. Vielmehr führt man unrealistisch hohe Sprünge und gewagte Drifts durch oder rast über Häuserdächer, Grünflächen und Meeresböden, um die Fahrgäste bei Laune zu halten und durch pünktliche Ablieferungen ein paar weitere Extrasekunden auf dem stetig herunter zählendem Taxameter einzusammeln. Dieses extrem simple Spielprinzip, das für permanenten Zeitdruck sorgt, ist ideal für die Highscorejagd in der Spielhalle ausgelegt und macht auch in diversen Umsetzungen für Heimkonsole und PC noch eine Menge Spaß.
Auf dem ersten Blick scheint es Taxi Chaos, das am 23.02.2021 für Nintendo Switch, Playstation 4 und XBox One für happige 29,99 EUR erschienen ist, auch durchaus zu gelingen, dieses Spielprinzip in die Gegenwart zu retten. Die Umgebung orientiert sich wie auch schon Teile von Crazy Taxi 2 und 3 am realen New York, präsentieren die Mini-Version der Stadt jedoch in einem farbenfrohen Comiclook, der zumindest ansehnlich, wenn auch nicht sonderlich spektakulär, ist und gut zum zugänglichen Charakter des Titel passt. Auch die Fahrzeuge sind nett gestaltet und spielrelevante Elemente wie die grün umrandeten Parkzonen und die farbigen Kreise um potentielle Passagiere, die den Abstand zu den mal mehr, mal weniger weit entfernten Ziele wie Grand-Hotel, (Central)-Park oder Museum kennzeichnen, wurde augenscheinlich akkurat umgesetzt.
Doch bereits bei der Grafik beginnen die Probleme von Taxi Chaos, die sich im Verlauf als echte Spielspaß-Killer herausstellen werden. Denn trotz überschaubarer Größe der Umgebung und im späteren Spielverlauf freischaltbarer Vehikel mit unterschiedlichen Eigenschaften, liegt die Fahrgeschwindigkeit auf der XBOX One S stets irgendwo zwischen „nicht schnell genug“ und „etwas zu ruckelig“. Damit wird der Titel zwar nicht unspielbar, ist jedoch auch nicht die abgefahrene Arcadeaction, die man sich erhofft hat. Wie erwähnt ist das Physikmodell von Crazy Taxi alles andere als realistisch und ordnet selbst die Naturgesetze gerne mal dem Erhalt des Vortriebs unter. Insofern kann man auch Taxi Chaos nicht das leichtgewichtige Fahrverhalten vorwerfen, das in jedem anderen Rennspiel zur sofortigen Disqualifikation führen würde, sondern eher bemängeln, dass gegebenenfalls sogar noch etwas zu viel Autosimulation unter der Haube steckt, da ich öfter an anderen Verkehrsteilnehmern, Bäumen und kleinen Mauern hängen bleibe, als ich es in Anbetracht der Vorlage erwartet hätte. Zumindest wurde der in der zweiten Inkarnation von Crazy Taxi eingeführte Sprung per Knopfdruck ebenfalls übernommen, so dass man Hindernisse auch auf diese Art umgehen kann. Zudem erhöhen diese Hüpfer den punktespendenden Kombozähler ebenso wie beispielsweise der etwas unhandlich auszuführende Boost. Auf andere fahrerische Kapriolen wie Drifts wurde jedoch leider verzichtet. Wirklich enttäuschend ist jedoch der Mangel an Präsentation und Atmosphäre, der daran Zweifeln lässt, ob Entwickler Team6 Game Studios wirklich begriffen hat, was den Kultcharakter der Vorlage ausmacht. Erschienen um die Jahrtausendwende hat es SEGA meisterlich verstanden, den Aufbruch des Mediums weg vom reinen Kinderspielzeug mit dem Zeitgeist zu vereinen. Dementsprechend strotzt Crazy Taxi nur so vor lauter, übertriebener und rotzfrecher Attitüde, die sich nicht nur am rücksichtslosen Fahrstil als zentralem Spielelement, sondern auch am Design der Figuren, dem permanenten Jauchzen der Fahrgäste und Geklimper des spendierten Trinkgelds bei riskanten Manövern und nicht zuletzt am ikonischen Punkrock-Soundtrack von Bands wie The Offspring festmachen lässt. Taxi Chaos wirkt dagegen wie das brave, glattgebügelte Kinderchor-Cover eben dieser Lieder. Zwar wurden die absolut unpassende Kirmes-Trance-Techno-Tracks per Patch durch nichtssagenden, vermutlich frei verfügbaren Retorten-Rock ersetzt, doch ändert das an der Gesamtsituation wenig. Passanten und die wählbaren Miet-Chauffeure Cleo und Vinni scheinen einem Lego-Friends-Set entsprungen zu sein, Motorengeräusche ähneln eher einem Elektrorasenmäher denn einer hochgetunten Spaßschleuder und wie sehr bei der restliche Vertonung daneben gegriffen wurde, lässt sich bereits bei Fahrtantritt gut ausmachen. Denn wo sich bei der Vorlage die markig vorgetragene Begrüßung „LET’S MAKE SOME CRRRRRRRRAAAAAAZZYYYYYYY MONEY!!!!!“ einen festen Platz im kollektiven Gaming-Gedächtnis gesichert hat, erklingt bei Taxi Chaos in dünner Stimme die Belanglosigkeit „let’s earn some money“. Jetzt erwarte ich selbst bei „übernommenen“ Spielkonzept natürlich nicht die gleichen lizenzierten Songs und exakte Reproduktion der Slogans, aber vielmehr eigenständige Ansätze, wie man nicht nur die Mechanik nachahmen, sondern eben auch Spielspaß und Stimmung der Vorlage einfangen kann. Doch damit kann Taxi Chaos leider nicht aufwarten. Eigentlich sind kleine Konversationen während der Fahrt eine überlegenswerte Idee, doch sämtliche Sprüche und Dialoge wirken fast schon ironisch unmotiviert bis gelangweilt, wiederholen sich ständig, sind in keiner Weise amüsant und nerven binnen kürzester Zeit. Wenn auf englisch die Frage nach dem werten Befinden damit beantwortet wird, dass man sich Tag für Tag dem Ruhestand im Altersheim nähert, ist das nicht beim erstem mal lustig, nicht beim zweiten mal und schon gar nicht beim zweihunderdreiundsiebzigsten mal, nachdem man es von praktisch jedem Fahrgast in unterschiedlichen Stimmen gehört hat. Das peinliche Gequatsche lässt sich genau so wie die übertriebene Rumble-Funktion nicht einmal im Menü separat abschalten, da beim Herunterdrehen der Sprachlautstärke auch die Ansage der gewünschten Destinationen entsprechend verloren gehen würden.
Somit bin ich beim Spielen von Taxi Chaos in etwa so euphorisch und motiviert wie beim Zusammenlegen meiner Wäschen (also nicht besonders), zumal jede der drei Spielvarianten ihre eigenen Tücken hat. Der Arcademodus setzt auf das klassische Spielkonzept mit einer Spieldauer von 90 Sekunden, die sich durch erfolgreiche Fuhren aufstocken lässt. Allerdings scheint es etwas an Feintuning zu fehlen, denn wenn ich mit wenig verbleibender Zeit auf der Uhr eine Tour aufgable, für deren Erfüllung eine Minute veranschlagt wird, mir aber lediglich weitere zehn Sekunden zusätzliche gewährt werden, scheint irgendetwas nicht zu stimmen. Somit reicht die Zeit oft nur für 4-5 Fahrten, bevor es Game Over heißt. Der Profimodus entspricht weitestgehend dem Arcademodus, verzichtet jedoch auf jegliche Hilfestellung wie dem Pfeil bei der Anzeige des Fahrziels. Allerdings habe ich wenig Lust, mich mit dem Aufbau der Karte zu befassen, was auch am Setting liegen könnte. Schon in Crazy Taxi 3 war der Big Apple nicht meine bevorzugte Umgebung, da mir die Orientierung dank sichtversperrender Wolkenkratzer und vieler gleich aussehender, rechtwinkliger Kreuzungen schwer fällt. Der freie Modus verzichtet schließlich auf die Zeitbegrenzung und somit jegliche spielerische Herausforderung, und ist neben dem Erkunden der Stadt allenfalls dazu geeignet, Achivements freizuschalten und die Quests zu erfüllen, die darin bestehen, spezielle Passagiere zu befördern und anschließend Gegenstände einzusammeln. Allerdings kommt mir auch hier einiges Merkwürdig vor, könnte ich doch beispielsweise schwören, bereits mehr als die eine mir vom Spiel angezeigte Kaffeetasse eingesammelt zu haben. Andere Miniherausforderungen, wie sie beispielsweise die Heimvarianten von SEGAs Taxispielen bereichert haben, gibt es leider nicht.
Auch wenn Taxi Chaos vielleicht keine technische Katastrophe ist, hat es dennoch mit Sicherheit mit einigen Herausforderungen und Problemen zu kämpfen und ist schlicht und ergreifend kein gutes Spiel, woran auch der Patch zur Veröffentlichung nichts ändert. Es mag sein, dass Taxi Chaos gerne Crazy Taxi sein möchte, doch wenn selbst die entsprechenden Minispiele in der GTA Reihe diesbezüglich einen besseren Job machen, ist das Spiel an dieser Aufgabe kläglich gescheitert.