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Space Invaders zählt neben Pong und später Pacman sicherlich zu den unbestrittenen Meilensteinen der Videospielgeschichte und hat die frühe Entwicklung des Mediums maßgeblich geprägt. Der japanische Spielhallenautomat aus dem Jahr 1978 ist für eine Vielzahl an Anekdoten wie der zeitweisen Knappheit an 100-Yen Münzen verantwortlich und legte die Grundelemente des Shoot’em Up Genres. Doch anders als nachfolgende Titel wie beispielsweise Galaga, die sich noch immer hervorragend spielen lassen, wirkt das Ur-Space-Invaders heutzutage ehrlicherweise mit seinem recht statischen Ablauf, steifen Steuerung und monochromen Darstellung (die auf den Maschinen mit mechanischen Kniffen und kolorierten Klebefolien eingefärbt wurde) deutlich altbackener und zeigt zudem, welche große Fortschritte Spiele zur Anfangszeit der elektronischen Unterhaltung gemacht haben. Außerdem werden die ikonischen Pixel-Invasoren aus den Tiefen des Weltraums zwar noch immer oft in grafischen Designelementen von Hersteller Taito genutzt, treten spielerisch aber weit weniger häufig in Erscheinung als andere omnipräsente Firmen-Maskottchen wie eben Pacman oder gar Mario. Dementsprechend ist Space Invaders: Infinity Gene von 2011 tatsächlich einer der letzten Titel der ehrwürdigen Serie und selbst als solcher „nur“ für Mobiltelefone beziehungsweise als Download für die damalige Playstation 3 und Xbox 360 erschienen, wobei er sich zumindest in der Microsoft-Umgebung dank Abwärts-Kompatibilität auch auf Nachfolge-Generationen spielen lässt.

Space Invaders Infinity Gene

Doch auf den ersten Blick hat Space Invaders: Infinity Gene dabei nicht einmal eine Daseinsberechtigung in den Download-Stores der Konsolenhersteller: Das archaische Links-Recht-nur-ein-Schuss-auf-dem-Schirm-Spielprinzip ist zwar lediglich eine kurzzeitig spielbare Huldigung an den ursprünglichen Spielablauf und weicht umgehend dynamischerem Design mit einem frei beweglichen Geschütz und verschiedenen Mustern, in denen die Gegner erscheinen, dennoch wirkt das Spiel mit simpel-kruder Klötzchengrafik vor grauem Hintergrund und einfachster Mechanik wie das Ergebnis eines Einsteiger-Tutorials für Spieleprogrammierung. Auch das minimalistische Menü mit markerschütternd klirrendem Bestätigungssound oder die dumpf dröhnenden Technostampfer während der Spielsitzungen scheinen zunächst selbst eines XBox Live Arcade Titels unwürdig. Doch wie es der Untertitel und ein anfängliches Zitat von Charles Darwin andeuten, steckt in dem Shooter mehr, als die ersten Spielminuten vermuten lassen, denn Evolution ist das allgegenwärtige Leitmotiv von Space Invaders: Infinity Gene. In Anlehnung an das Original kommt dabei den gelegentlich auftauchenden Ufos eine besondere Aufgabe zu: Neben Bonuspunkten lassen sie bei Abschluss die namensgebenden und sich optisch mit ihrer klaren Farbgebung deutlich vom Rest des Spiels unterscheidenden Infinity Genes fallen, die aufgesammelt nicht nur die Stärke der eigenen Bewaffnung leicht verbessern, sondern ebenfalls eine stete, sitzungsübergreifende Entwicklungsleiste füllen, welche mit ihren Evolutionsstufen zur dauerhaften Veränderung des Spiels beiträgt. Dementsprechend werden einerseits neue Musikschleifen und Bonuslevel freigeschaltet, anderseits vervollständigt sich die Optionsauswahl in den Einstellungen und ermöglicht so neben Auswahl von Schwierigkeitsgrad und Anzahl der im deutschen etwas sperrig als „Lager“ bezeichneten Leben vor allem den Zugriff auf gänzlich neue Typen von Schiffen. Diese spielen sich allesamt merklich unterschiedlich, indem sie gängige oder ungewöhnliche Genrekonventionen, die in anderen Spielen gerne mit Hilfe von Power-Ups realisiert werden, als eigene Spielfiguren realisieren und damit jeweils fast schon komplett eigenständige Gaming-Erfahrungen bieten. So kommt „die Welle“ dem hinreichend bekannten Streuschuss schon recht nahe, entspricht aber noch immer recht klassischem Baller-Gameplay. Andere steuerbare Verteidigungsanlagen verfügen dagegen beispielsweise ähnlich Segas Rail-Shootern über automatische Laser, die erst aufgeschlossen werden müssen, dann aber eigenständig von jeder Position aus ihr Ziel treffen oder gleich mehrere Geschütze, die abhängig von der letzten Bewegung feuern und sich damit noch einmal deutlich anspruchsvoller steuern. Verdeutlicht durch die weltweiten Highscore-Listen, die anscheinend selbst im Jahr 2023 noch immer aktiv sind, ist vor allem die Feld-Kanone effektiv, die einen beachtlichen Radius um das eigene Gefährt zieht, in dem jegliche Gegner automatisch angegriffen wird. Mit dieser Angriffsmethode -die vielleicht schon den aktuellen ASS-Trend (Auto-Shooter-Survival) von Spielen a la Vampire Survivor vorgegriffen hat- wird das Spiel zwar deutlich einfacher, bietet aber dennoch eine ähnliche Befriedigung wie das Zerplatzenlassen von Luftpolsterfolie, während sich Space-Invaders-Puristen ja dem klassischen Geschütz zuwenden können.

Space Invaders Infinity Gene

Doch nicht nur die eigene Spielfigur, sondern auch Gegner, Spielmechaniken und Präsentation entwickeln sich im Rahmen des Spiels und der Kampagne, die sich über 5 Abschnitte je 6 Level erstreckt. Dabei bleiben die unverkennbaren pixeligen Angreifer aus dem All zwar bis zum Ende Bestandteil der Invasionsarmee, doch zu ihnen gesellen sich alsbald neue Gegnertypen sowie eine ganze Reihe von Mid- und Endbossen, die teilweise mit interessantem Aufbau oder ungewöhnlichen Angriffen selbst heutzutage noch überzeugen. Mit Levelbegrenzungen an den Rändern des Spielfelds werden außerdem die typischen Hindernisse der auf die erste Generation von Ballerspielen folgenden scrollenden Shoot’em Ups eingeführt, wobei sowohl die Erscheinungsmuster der Widersacher als auch deren Bewegungen und ihr Verweilen auf dem Bildschirm oft von der eigenen Vorwärtsbewegung im Abschnitt entkoppelt scheinen und sich der Spielablauf somit als Mischung aus vertikal scrollendem und ursprünglichem Single-Screen-Shooter darstellt. Neben einem effektiven Kombosystem, das dicht aufeinanderfolgende Abschuss-Ketten belohnt, wird zudem schnell die sogenannte Nagoya-Attacke freigeschaltet: Ab dann sind die meisten feindlichen Geschosse nicht sofort tödlich, sondern können für einen kurzen Zeitraum nach dem Abfeuern vom eigenen Schiff passiert werden, was ebenfalls mit entsprechenden Punkte entgolten wird. Wirklich effektiv oder gezielt lässt sich dieses Element aber meiner Meinung nach nicht nutzen, so dass ich mir hier zum Beispiel als Alternative ein System gewünscht hätte, das zum Beispiel für das knappe Vorbeischrammen an gegnerischen Projektilen Boni verteilt hätte.  Doch auch so bieten die jeweils recht kurzen Abschnitte genug Aktion und Motivation, sich längerfristig mit dem Titel auseinanderzusetzen, denn optisch durchläuft Space Invaders: Infinity Gene ebenfalls gleich mehrere Metamorphosen und spiegelt so einige Technologiesprünge wieder, die das Genre seit seiner Entstehung durchlaufen hat. Im Verlauf des Spiels werden grobschlächtig zoomende Sprites durch feine Vektor-Grafiken ausgetauscht, um schließlich als Drahtgittermodelle dezent in die dritte Dimension vorzustoßen. Diese Verwandlung lässt sich im Spielverlauf insbesondere gut an stets wiederkehrenden Boss-Gegnern ausmachen, die gerne mal aus simplen geometrischen Formen zusammengesetzt oder in ihrem essentiellen Aufbau dem Tierreich entliehen sind.  Dennoch bleibt sich Space Invaders: Infinity Gene von Anfang an seiner reduzierten, nahezu monochromen Optik treu, so dass auf eine farbenfrohe, voll texturierte Darstellung als finalem Stadium der Metamorphose verzichtet wird. Stattdessen wird durchgehend auf eine minimalistische, abstrakte Grafik gesetzt, die neben ihrer fast schon klinisch steril wirkenden Ästhetik ganz pragmatische Vorteile bietet: denn mit der Beschränkung auf einfach aufgebaute Strukturen in weiß beziehungsweise grautönen ist das Geschehen praktisch zu jederzeit klar verständlich und lesbar, könnte die visuelle Regel „massiv Weiß = Tödlich“ doch nicht einfacher sein. Dementsprechend kommt es auch nur selten vor, dass man im Eifer des Gefechts doch ein Umgebungshindernis übersieht oder bei einem neuen Feind nicht ganz abschätzen kann, welche Teile nun Schaden verursachen und welche nicht.

Selbst die Eingangs erwähnten stampfenden Techno-Töne verlieren mit der Zeit etwas von ihrem Schrecken. Zwar dürfte die Musikrichtung bereits 2011 ihren Zenit weit überschritten haben und sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein,  der sich erweiternde Elektro-Soundtrack passt jedoch in seiner Einfachheit und seinem treibenden Rhythmus dann doch hervorragend zur Baller-Action, vor allem, wenn die in einfarbige Muster getauchten Hintergründe synchron zum Beat pulsieren. Als synästhetisches Gesamtkunstwerk mit videospielhistorischem Hintergrund würde Space Invaders: Infinity Gene selbst heutzutage durchaus als moderne Museumsinstallation nicht deplatziert wirken, kann sich aber hinsichtlich der Verbindung von Ton, Optik und Gameplay nicht ganz mit Titeln von Tetsuya Mizuguchi wie REZ oder Tetris Effect messen.

Stattdessen trumpft das Spiel gerade im Vergleich zu anderen Genrevertretern mit seinem überraschenden Umfang auf: Neben den 30 Leveln des Hauptmodus, und der steten Jagd nach der nächsten Evolutionsstufe sorgt vor allem der Herausforderungsmodus mit satten 99 Abschnitten für Langzeitmotivation. Diese werden zudem zufällig aus den Versatzstücken des Titels generiert, womit Infinity Gene durch frühe Nutzung dieser inzwischen immens populären Rogue-Like-Mechanik erheblichen Wiederspielwert bietet. Darüber hinaus kann man sich noch an speziellen Bonuspassagen versuchen oder per Musik-Import eigene Level generieren lassen.

Space Invaders Infinity Gene

Vom durchgängig spaßigen Spielablauf ist der Space Invaders Titel angenehm flott und dynamisch, ohne dabei zum unübersichtlichen Bullet-Hell-Shooter zu verkommen. Nicht zuletzt die intuitive, auf ein Minimum reduzierte Steuerung trägt ihren Teil dazu bei, dass Space Invaders: Infinity Gene so einsteigerfreundlich wie kaum ein anderer halbwegs moderner Vertreter des Shoot’em Up Genres ist. Lediglich der höchste der fünf Schwierigkeitsgrade ist durchaus anspruchsvoll, verabschieden sich dort doch die meisten Feinde bei ihrem Ableben noch einmal mit einem finalen Kugelhagel, so dass es sinnvoll seien kann, umzudenken, und so manchen Invasoren zu verschonen, oder diese, praktisch noch einmal mit einem komplett neuen Spielelementen versehene Herausforderungsstufe in einem Schiff zu bestreiten, dass mehr Kontrolle über die eigenen Angriffe erlaubt.

Es dürfte nicht weiter verwunderlich sein, dass im Jahr 2011 ein schnörkellos arcadiger Nischen-Downloadtitel mit unspektakulärer Grafik die Gamingwelt nicht gerade in Aufruhr versetzt und bei weitem nicht so tiefreichende Spuren wie sein Urahn hinterlassen hat. Als umfangreiches und tadellos spielbares Gedankenexperiment, dass quasi im Zeitraffer interaktiv eine alternative Version der Geschichte der Videospiele aufzeigt, in der sich das Shoot’em Up Genre vorrangig auf Basis einer seiner Gründungsväter weiterentwickelt hat, sollte Space Invaders: Infinity Gene aber definitiv nicht in Vergessenheit gelangen. Mit seiner Zugänglichkeit ist der Titel nicht nur für eingefleischte Baller-Fans einen Blick wert, sondern ermöglicht im Gegenteil quasi jedem, der sich für das Medium interessiert, einen Einblick in das einst so populäre, inzwischen jedoch weit an den Rand des Mainstream verdrängte Spielprinzip.

Außerdem verdeutlicht das Spiel, dass es manchmal erstrebenswert sein kann, alt eingesessene Serien fortzuführen, ohne sie gleich in aufwändige AAA Produktionen mit epischer Geschichte, jahrelanger Entwicklung und Multi-Millionen an Umsatzerwartung zu verwandeln. Als einer der letzten Inkarnationen der Reihe macht Infinity Gene dem Namen Space Invaders alle Ehre.

Der Retro-Platformer Bat Boy, der am 25.05.2023 für praktisch alle aktuellen System wie PC, Xbox, Playstation und Switch veröffentlicht wurde, ist weder das falsch geschriebene Solo-Spin-Off zum Will-Smith/Lawrence Buddy-Cop-Streifen noch handelt es von den Jugendtagen Bruce Waynes Alter Ego Batman. Stattdessen hat das Spiel, für das mir Publisher X Plus Games freundlicherweise einen Xbox Code hat zukommen lassen, einiges mit einem anderen berühmten Man(n) der Videospielgeschichte zu tun, nämlich Megaman, gilt es doch in beiden Fällen in abgeschlossenen Level Jump’n’Run Passagen zu bestreiten, an deren Schluss ein themenspezifischer, ebenbürtiger Endgegner wartet, von den neue Aktionen erlernt werden können. Ganz abwegig ist der Bezug zu DCs dunklem Comic-Ritter dann aber doch nicht, denn während Protagonist Ryosuke und seine sportbegeisterten Freunde tagsüber regulär die High-School nebst entsprechender Clubs zur körperlichen Ertüchtigung besuchen, wirft sich die famose Fitness-Clique des nächtens in ihre Superheldenkostüme, um mit den athletischen Fähigkeiten ihrer jeweiligen Disziplin das Böse zu bekämpfen. So wird aus dem Baseball-Ass Ryosuke der namensgebende Bat Boy, die passionierte Bodenturnerin wandelt sich zu Starlet Twirl und so weiter. In der für Spiele aus der 8Bit Ära typischen simplen, mit pixeligen Standbildern, kleinen In-Game-Animationen und Dialogboxen aber durchaus humorvoll erzählten Hintergrundstory triff diese Truppe dabei auf den üblen Lord Vicious, der den gesamten Kader bis auf Bat Boy per Gehirnwäsche unter seine Kontrolle bringt und anschließend in seine Heimatdimension Stratoss entführt. Nun ist es an Bat Boy, seine Freunde im Zweikampf zu besiegen und damit von dem Bann zu befreien sowie Lord Vicious und seinen Schergen Einhalt zu gebieten.

Die Einflüsse von Capcoms Megaman-Reihe sind in Bat Boy vom grundsätzlichen Ablauf bis hin zu den teils bildschirmweise scrollenden Umgebungen, in denen bei erneutem Besuch bereits besiegte Gegner wieder auftauchen, klar erkennbar, doch auch andere klassische und moderne Genrevertreter wie Shovel Knight, The Messenger, Ducktales und vielleicht sogar eine Prise Sonic, Mario oder das frühe Castlevania dürften als Inspirationsquelle hergehalten haben. Besonders erwähnenswert ist dabei Ryosuke Baseballschläger, mit dem er nicht nur direkt auf Widersacher eindreschen, sondern auch durch einem gut abgestimmten Schlag feindliche Projektile zurückschicken kann. Bereits dieses Gameplay-Element ist dem Spielspaß extrem zuträglich, ist eine gut implementierte Konter-, Parier- oder sonstige Mechanik, mit der sich gegnerische Angriffe gegen sich selbst richten lassen, in Spielen von Metal Gear Rising: Revengeance bis hin zur DOA Prügelserie immer gerne gesehen. Dass manche Gegner nach dem Kassieren von Prügel durch die Gegend rollen und sich somit arcadetypische, befriedigende Kombo-Ketten auslösen lassen, ist ebenfalls ein gelungener Designkniff. Überdies kann die Keule genutzt werden, um für sich alleine geschleudert oder beim Kontakt mit Gegnern oder Geschossen einen extra Sprungschub zu erhalten. Derart lassen sich dann zum Beispiel Kanonenkugeln oder Feinde nutzen, um eigentlich unüberwindbar scheinende Abgründe zu überqueren oder höhergelegene Plattformen zu erreichen. Etwas unangenehm fällt dabei auf, dass der Bat Boy auch außerhalb des obligatorischen rutschigen Eislevels anscheinend im Nebenfach passionierter Eisläufer ist, denn selbst bei kleineren Bewegungen verfügt der Charakter über ein gewisses Momentum, das ihn noch etwas weiter in die entsprechende Richtung rutschen lässt beziehungsweise dazu verleitet, Steuerungseingaben etwas zu überkompensieren. So habe ich beispielsweise unnötig lang mit einer eigentlich trivialen Sprungpassage verbracht, in der seitlich wehender Wind mit einzuberechnen war, weil mal um mal eine schmale Landezone verpasst wurde. Andere dürften damit aber vermutlich weniger Probleme haben, besonders da die Hüpfabschnitte zwar teils fordernd, aber durchaus fair designt und weitestgehend nicht so bockschwer wie so manch ein Megaman Level sind. Mit gerecht platzierten Checkpunkten, Standardgegner, die bereits nach einem Treffer das zeitliche segnen, dem Verzicht auf eine begrenzte Anzahl von Versuchen und dem netten Feature, dass aufgesammelte Boni auch nach dem Ableben erhalten bleiben, kam somit selten Frustration auf, selbst wenn teils 20, 30 oder mehr Anläufe nötig waren, um eine Stufe letztlich erfolgreich abzuschließen. Dabei ist oftmals eher umsichtiges Vorgehen denn blitzschnelles Reaktionsvermögen gefordert, bis hin zu fast schon kleineren Knobelaufgaben, bei denen man sich überlegen muss, wie man den Bildschirm am besten unbeschadet durchquert. Andererseits sorgen diverse Feinde und Hindernisse durchaus für actionreiche Abschnitte. Da die Levelauswahl über eine sich nach und nach erweiternde Oberweltkarte getroffen wird, ist dabei sichergestellt, dass einerseits der Schwierigkeitsgrad gezielt angezogen werden kann und andererseits dennoch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gewährt wird, zumal jede der abwechslungsreichen Spielstufen mit teils eigenen spielerischen Schwerpunkten und vielen kreativen Ideen aufwarten kann.

bat boy Karte

In den vorrangig gegen ehemalige Mitstreitern zu bestehenden Bosskämpfen ist eine behutsame beziehungsweise reagierende Herangehensweise ebenfalls erfolgversprechender als blindes Losstürmen, denn mit einem ganzen Arsenal an verschiedenen Attacken und in der Regel zwei Phasen sind sie wahrlich kein Spaziergang, ein Sieg fühlt sich dann aber um so triumphaler an. Als Belohnung winken zudem neue Fähigkeiten wie ein Greifhaken, die verdeutlichen, warum das Spiel (abgesehen vom fehlenden Absatzmarkt) nicht für „echte“ Retrosysteme entwickelt wurde, ist doch der XBox-Controller bis hin zu den Schultertasten gut mit diesen Sonderaktionen ausgelastet, so das ein simples 2-Button Gamepad hier heillos überfordert wäre. Dennoch ist der Einsatz dieser Upgrades nicht etwa zwingend nötig, um spätere Level abzuschließen, sondern sie bieten vielmehr eine willkommene Erleichterung in brenzligen Situationen oder dienen dazu, auch in bereits besuchten Umgebungen geheime Bereiche zu erreichen und so versteckte Collectables wie Soundtrack-Kassetten, magische Samen oder einfach nur die verteilten Diamanten einzusammeln. Um die Spielbalance dabei nicht allzu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, ist die Nutzung dieser Spezialbewegungen dementsprechend auf eine zunächst nur drei Anwendungen umfassende Ausdauer-Anzeige beschränkt, die sich aber ebenso wie die Lebensleiste in Shops ausbauen lässt.

Bat Boy bietet damit eine ausgewogene und auch langfristig motivierende Spielmechanik, dargeboten in einer attraktiven Retro-Verpackung, die deutlich Anleihen bei den Konsolen-Titeln der 80er  nimmt. Die Chip-Tune-Stücke haben vielleicht nicht ganz das Zeug zum Allzeit-Ohrwurm anderer 8-Bit Hymnen, klingen jedoch authentisch und passen mit ihren fröhlichen, energiegeladenen Kompositionen hervorragend zum Geschehen.

Gleichermaßen ist die Optik und das bunte Kolorit klar von den Möglichkeiten und der Farbpalette des NES inspiriert, und auch inhaltlich wird zumindest hinsichtlich der Umgebungen mit Themen wie Dschungel, Strand oder eben frostige Eislandschaft auf Altbewährtes zurückgegriffen, das mal mehr, mal weniger zur sportlichen Motiv des jeweiligen finalen Konflikts passt. Ab und an nimmst sich Bat Boy dabei zwar anscheinend die Freiheiten höherer Auflösung, um beispielsweise Texte etwas lesbarer darzustellen oder Schneeflocken sanft über den Schirm rieseln zu lassen, im Großen und Ganzen stimmt aber der hübsche Pixel-Look und vermittelt nostalgische Gefühle. Wie auch die Musikuntermalung kann sich dabei die blockige Grafik nicht unbedingt mit den absoluten Highlights moderner und historischer Klassiker messen, weil zum Beispiel einzelne Figuren gelegentlich etwas „unsauber“ ausgearbeitet erscheinen, doch diese technischen Kritikpunkte macht Bat Boy mit einer Menge Charme wieder wett. Vor allem die in allen Leveln auftreten Pigzies genannten schweinischen Gegner sorgen für Belustigung, wenn sie die Sportart des Abschnitt-Wächters aufgreifen und so beispielsweise Gymnastikbänder schwingend Pirouetten drehen oder in voller American Football Montur die eiförmigen Bälle umherwerfen.

bat boy

Wer sich auch nur im geringsten für diese Art von klassisch inspirierten Spielen interessiert, sollte daher auf jeden Fall einen Blick auf Bat Boy werfen. Der Titel verbindet gekonnt unverfälschtes Spielgefühl und grundsolide Präsentation der 8Bit Generation mit einigen modernen Annehmlichkeiten, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen, und lässt mit seinem anspornenden Schwierigkeitsgrad die Zeit wie im Fluge vergehen.

Einige der meiner Meinung nach interessantesten Videospiele der letzten Jahre basieren auf der Verbindung von eigentlich komplett unterschiedlichen Genres. Yoku’s Island Express zum Beispiel ist zu gleichen Teilen Flipperautomat und Metroidvania, während Dicy Dungeon Rouge-Light-Dungeoncrawling und Würfelspielelementen a la Kniffel mischt.
Auch BROK the InvestiGator von Entwickler und Publisher CowCat Games setzt neben dem typischen Rollenspiel-Auflevel-System, das sich inzwischen in praktisch jedem Spiel wiederfindet, auf die ungewöhnliche Kombination von Brawler-Pügelei und Point-n-Click Abenteuer. Das Spiel ist bereits seit einiger Zeit für den PC erhältlich, doch die Konsolenversionen für Playstation, XBox und Switch erschienen erst am 01.03.2023, von denen mir freundlicherweise ein Code für die Xbox One zur Verfügung gestellt wurde.

BROK the InvestiGator

Vom Ablauf her ist BROK the InvestiGator vorrangig ein storylastiges Adventure-Game, doch anders als es die farbenfrohe Zeichentrick-Optik vermuten lässt, unterscheidet sich die Spielwelt voller anthropomorpher Tieren wie Reptilien, Katzen und Vögel teils deutlich vom freundlich-heiteren Setting der Glücksbärchen und Co. Vielmehr wird eine krisengebeutelte, dystopische Zukunft voller Zerfall, Klassenunterschiede und staatlicher Überwachung beschrieben. Angesichts fast schon nihilistischer Situationen, beispielsweise wenn ein obdachloser Veteran sein Ableben bereitwillig akzeptiert, weil er KreditHaien Ratten das Geld für seine Medikamente nicht zurückzahlen kann, bin ich mir nicht ganz sicher, inwieweit der Titel gar politische Gesellschafts- und Technologiekritik im Gewand einer Fabel sein soll oder doch überspitzte Satire. Denn strukturell bleibt es den Samstag-Vormittags-Cartoons, die offensichtlich als Inspiration dienten, durchaus treu und bietet auch viel Amüsantes wie Anspielungen auf Disney-Channel-Serien, die dezent genug sind, um Eingeweihten ein ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Aber auch die persönlichen Schicksale, denen sich der namensgebende Protagonist Brok gegenübersieht, sind verhältnismäßig bodenständig und ernst, wenn er sich z.B. als Witwer um die Erziehung des pubertierenden Kind seiner verstorbenen Frau kümmern muss. Um sich und sein Adoptivsohn Graff, den man in späteren Kapiteln parallel durch eigene Aufgaben steuert und somit die Handlungen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, jenseits der Oberschicht selbst als Alligator über Wasser halten zu können, arbeitet Brok in verschiedenen Berufen, insbesondere als Privatdetektiv. In bester Tradition entsprechender Kriminalgeschichten ist dann auch in seinem jüngsten Fall, der sich zunächst nach einem einfachen Routinejob anhört, nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die in zusammenhängende Episoden aufgeteilte Story nimmt mit ungewohnten Wendungen bis hin zu Columbo-esken Mordermittlungen und Mystery-Einflüssen einen interessanten Verlauf, sich dabei aber auch genügend Zeit, um dem vielleicht nicht in allen Aspekten perfekt ausgearbeiteten Science-Fiction-Szenario und den persönlichen Dramen genug Raum zur Entfaltung zu geben. Das liegt vor allem an der Gesprächigkeit der Figuren, allen voran Brok, der zu praktisch jedem der zahlreichen Umgebungsobjekte einen Kommentar zwischen Zweckoptimismus und „Früher-war-alles-besser“-Attitüde bereit hält, und auch in den Dialogen mit anderen Charakteren stehen nicht nur quest-relevante Gesprächsthemen zur Auswahl, sondern man kann auch zu vielen der mitgeführten Gegenständen eine Meinung einfordern.

BROK the InvestiGator

Die durchdachte Controller-Steuerung trägt ebenfalls stark dazu bei, tief in die Welt von BROK the InvestiGator einzutauchen: Da man die Spielfiguren zügigen Schrittes direkt bewegt, sind interagierbare Bereiche schnell erreicht, zumal in deren Nähe ein erklärender Text eingeblendet wird. Sollte dennoch Unklarheit drüber herrschen, ob man in den maximal zwei bis drei Bildschirm großen Lokalitäten alles Interessante untersucht hat, können mit der X-Taste sämtliche Hotspots eingeblendet oder zwischen ihnen mit dem Steuerkreuz durchgeschaltet werden, und für den seltenen Fall, dass Gegenstände mal etwas zu dicht beieinander stehen, lässt sich mit dem linken Stick noch ein Cursor pixelgenau platzieren. Damit ist die Bedienung nahezu perfekt auf die Konsole angepasst und lässt klassische Maus-Interfaces am PC wie ein klobiges Relikt aus alten Tagen wirken. Lediglich in der Nähe von Ausgängen sorgt die unmittelbare Steuerung ab und an dafür, dass man ein Areal vielleicht unbeabsichtigt verlässt und so wieder auf der Weltkarte landet, um andere Schauplätze zu erkunden. In Kombination mit dem Inventar reicht dann auch praktisch eine Taste aus, um die teils anspruchsvollen Denksportaufgaben zu lösen. Gelegentlich muss man zwar leicht um die Ecke denken oder in seltenen Fällen herumprobieren, doch in der Regel sind die Puzzle sehr konkret entworfen und haben nachvollziehbare Lösungen, so dass sich gleich mehrfach sehr befriedigende „A-ha“-Momente eingestellt haben. Dabei wird viel Abwechslung geboten, denn neben klassischen „Benutze-Gegenstand-X-mit-Objekt-Y“ Point and Klick Aufgaben finden sich auch für sich alleine stehende Logikrätsel, Escaperoom-Elemente oder Dialogknobeleien. Außerdem haben verschiedene Handlungsmöglichkeiten teils deutlichen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte und eröffnen optionale Aufgaben. Für meinen Geschmack leider viel zu selten muss Brok seinen kriminalistischen Verstand in Verhörsituationen nutzen, um ähnlich der Ace Attorney Reihe in großartiger Weise Informationen, die er im Laufe des Abenteuers gesammelt hat, so zu verknüpfen, dass sich neue Erkenntnisse oder Widersprüche ergeben. Und reicht der Hirnschmalz in machen Situationen nicht aus, kann auch auf rohe Muskelkraft zurückgegriffen werden. Ein simpler Knopfdruck genügt nämlich, um in den Prügelmodus zu wechseln. Der ermöglicht es nicht nur, agil durch die Landschaft zu hüpfen, was ebenfalls zum Knacken der einen oder anderen Kopfnuss beiträgt, sondern auch, nach belieben Backpfeifen auszuteilen und auf Gegenstände einzuschlagen. Auf diese Art und Weise eröffnen sich dann auch verschiedenste Herangehensweisen zur Bewältigung ein und der selben Aufgabe, so dass mich BROK the InvestiGator in diesem Punkt stark an die leider viel zu sehr unterschätze Quest for Glory Reihe erinnert. Beispielsweise könnte man eine Türe einfach einschlagen oder sich auf die Suche nach einem entsprechenden Code machen.

Spielt man das Spiel nicht im einfachen Modus, sind manche Auseinandersetzungen jedoch unvermeidlich, und der Titel entfaltet sein vollständiges Brawler-Potential. Denn so gelungen der hauptsächliche Adventure-Anteil ist, so kompetent sind die Prügelabschnitte. Bei den Rangeleien mit Gang-Mitgliedern, Profikämpfern und Sicherheits-Robotern bietet Brok the InvestiGator alles, was man von einem entsprechenden Spiel erwartet, und mehr. Gemäß der massiven Figuren steckt in den Hiebe und Tritte merklich Gewicht, und eine Block-Taste, die ich in vielen anderen Genrevertretern schmerzlich vermisse, verleiht dem Kombo- und Air-Juggle-lastigen Kampfsystem eine weitere taktische Note. Nun sind die Schlägereien während der Story-Abschnitte relativ kurz gehalten, um die Geduld nicht unnötig zu beanspruchen, in meinen Augen stehen sie aber durchaus aktuellen Vertretern des in letzter Zeit wiederbelebten Metiers wie Streets of Rage 4 in kaum etwas nach, auch wenn ich etwas die Möglichkeit vermisse, Wiedersacher zu greifen. Vermutlich auch darum kann Brok an virtuellen Arenakämpfen zur Aufbesserung des stets knappen Budgets teilnehmen beziehungsweise für diese abendlich stattfindenden Veranstaltungen trainieren. In bestem Stile eines Rouge-Lights wird dann aus verschiedenen Bausteinen ein kurzer, linearer Level generiert, der neben allerlei Gegner auch einige Fallen wie Minen oder herabfallende Felsen enthalten kann. Auch wenn letztere Elemente vielleicht etwas zu viel des Guten sind, machen diese Kämpfe jede Menge Spaß (weswegen sie auch unabhängig vom Spielverlauf direkt vom Hauptmenü aus gestartet werden können) und dienen darüber hinaus mit Erfahrungspunkten noch dazu, die eigenen Fähigkeiten hinsichtlich Stärke, Lebensenergie oder Spezialangriffen aufzubessern. Lediglich wenn zu viele zu starke Gegner wie Militärroboter, die ganz eigene Taktiken benötigen, in den Mix geworfen werden, wird das ganze etwas hektisch, andererseits erlauben es Gegenstände wie Nahrungsmittel, Energydrinks oder Waffen die Oberhand zu behalten.

BROK the InvestiGator

Wer übrigens angesichts dieser Actioneinlagen besorgt um ein vorzeitiges Game Over ist, darf getrost aufatmen. Genau wie bei den Toden, die Brok auch im Adventure-Teil ereilen können, wird man nicht nur praktisch unmittelbar wieder an die Stelle des Scheiterns versetzt, sondern die verschiedenen, jeweils mit eigenen Bildern dokumentierten Sterbesituationen sind auch eines von unzähligen Sammelobjekten.  Neben freischaltbaren Galerien sind in jedem Schauplatz außerdem noch drei Werbeflyer verborgen, die sich ihrerseits mitunter hinter kleineren Rätselaufgaben verstecken und die gegen hilfreiche, aber nie zu direkte Ratschläge eingetauscht werden können, sollte man einmal feststecken.

Anhand der Konzept- und Produktionszeichnungen lässt sich dann auch gut der optischen Werdegang des Kickstarterprojekts nachvollziehen, wobei ich gestehen muss, dass mir der Grafikstil zunächst nur bedingt zugesagt hat. Anfangs scheinen die handgezeichneten Umgebungen etwas zu bunt und chaotisch und die Figuren könnten mit ihrer flächigen Gestaltung und Zoom-Effekten wie ein Fremdkörper wirken und Erinnerungen an triviale Flash-Spielchen wecken. Dieser Eindruck verfliegt aber schnell und man hat sich rasch an den etwas kruden Look gewöhnt. Winzig kleine Probleme treten allenfalls im Zusammenhang mit der Darstellung der räumlichen Tiefe in den letztlich zweidimensionalen Umgebungen aus, so dass es eventuell mal vorkommt, dass der flache Held etwas weiter über einen Vorsprung ragt, als es eigentlich möglich sein sollte, oder zu früh hinter einem Schreibtisch verschwindet. Zudem sind die Hintergründe sehr statisch gehalten und zeigen allenfalls mal ein paar Fahrzeuge, die sich durch das Bild schieben. Auch bei den Animationen der Handlungstragenden scheint man klare Prioritäten gesetzt zu haben. Die Charakterportraits in den Gesprächen verfügen noch über ausdrucksstarke Mimik und die Standardbewegungen der tierischen Geschöpfe sind ausreichend flüssig animiert. Vor allem in den Prügelabschnitten kommt dieser Verzicht auf allzu ausladende und akribische Wiedergabe der Abläufe sogar der flotten und direkten Spielbarkeit zugute. Leider werden aber auch für sonstige, speziellen Handlungen weniger die konkrete Ausführung als oftmals nur das Ergebnis mit ein, zwei Zwischenschritten dargestellt. Damit dürfte sich Brok the InvestiGator eher an einfachen Hanna-Barbera-Cartoons als an detailverliebten Disney-Spielfilme orientieren, was der Präsentation insgesamt aber keinen Abbruch tut, zumal die animalischen Akteure ähnlich sympathisch designt sind wie Jabberjaw oder Wally Gator. Doch heimliches Highlight des Spiels ist sowieso die vollständige englischsprachige Vertonung. Beeindruckende 23000 Zeilen des gut ausgearbeiteten Skripts wurden von den Synchronsprecherinnen und Synchronsprechern in einer Qualität vorgetragen, die sich mit Hörspielen oder eben einer Zeichentrickepisode durchaus messen kann. Gerade im Kontext der comicartigen Inszenierung wirken die deutlich vorgetragenen Dialoge trotz einigem Pathos nie deplatziert oder mit unnötig verstellter Stimme eingesprochen, sondern lassen die Konflikte trotz der tierischen Beteiligten erstaunlich menschlich wirken. Dazu gesellt sich ein unaufdringlicher Soundtrack, der mit punktuell eingesetzter, dramatischer Musikuntermalung gekonnt zum Spannungsaufbau beiträgt.

Nicht nur mit seiner reifen Story, die gegen Ende leider etwas abdriftet, richtet sich Brok the InvestiGator klar an Spielerinnen und Spieler, die in den frühen 90ern und somit in der Hochzeit des Adventure- und Beat’em Up Genres und entsprechenden Cartoonserien aufgewachsen sind. Doch statt einfach nur auf auf nostalgisches Retro-Gameplay zu setzen, wurden gleich zwei Genres gekonnt an moderne Belange angepasst und zu einer nahtlosen, homogenen Spielerfahrung zusammengefügt. Überdies bietet der Titel mit seinen Action-Elementen, optionalen Nebenaufgaben und unterschiedlichen Enden für das Adventure-Genre eigentlich unüblich viel Wiederspielwert, der über die eine oder andere raue Kante des Spiels hinwegsehen lässt. Die tadellose Spielbarkeit und Qualität von BROK the InvestiGator lässt mich auf jeden Fall hoffen, dass Entwickler CowCat mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht und vielleicht sogar in Kooperation mit einem Lizenzgeber weitere Spiele dieser Art zu in Vergessenheit geratenen Zeichentrickserien wie beispielsweise Fish Police entwickeln darf.

Mit Ninja Gaiden und Dead or Alive 3 hat Tecmos Team Ninja nicht nur tapfer die Fahne der in Japan entwickelten Titel für die ursprünglichen XBox hochgehalten, sondern auch gleich zwei meiner absoluten Lieblingsspiele erschaffen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass ich voller Vorfreude hellhörig wurde, als mit Wanted: Dead ein Actionspiel von den Machern eben dieser Klassiker angekündigt wurde, auch wenn die Entwicklerinnen und Entwickler inzwischen beim Studio Soleil untergekommen sind. Das Spiel ist am 14.02.2023 für den PC, Playstation und XBox erschienen, doch angesichts der Qualität des Machwerks bedaure ich es fast, Publisher 110Industries um einen Code für die XBox One gebeten zu haben.

Dabei ist die Prämisse des Titels durchaus vielversprechend: In einer alternativen Version des Jahres 2022 haben einerseits die 80er Jahre und die deutsche Sprache deutlich größeren internationalen Einfluss auf die Gegenwart, andererseits ist die Technologie soweit fortgeschritten, dass kybernetische Prothesen zur Selbstverbesserung und synthetisch erzeugt Arbeitsandroiden an der Tagesordnung sind. Im Rahmen eines Rehabilitierungsprogramms wird Protagonistin Hannah Stone ihre lebenslange Haft im Militärgefängnis erlassen, um zusammen mit drei anderen schlachtfelderprobten Ex-Knackies im so geformten Suicide … – äh, Verzeihung – Zombie-Squads die Hongkonger Polizei in prekären Situationen zu unterstützen. Der sich konkret eröffnende Fall greift mit der Identitätsfindung der künstlich geschaffenen Menschen kurzzeitig gar ähnliche Storyansätze wie der Kultstreifen Blade Runner auf, besonders für ein Vollpreis-Spiel ist Wanted Dead aber geradezu laienhaft und planlos inszeniert. Sinnfreie Zwischensequenzen ziehen sich zäh wie Kaugummi und schaffen es mangels Dramaturgie weder, konsequent Licht in die wirre Handlung zu bringen noch die in Kapitel aufgeteilten Actionsequenzen stringent miteinander zu verbinden. Stattdessen werden häufig die Teammitglieder in banalen Situationen wie dem Besuch eines Restaurants gezeigt oder inhaltsleere Gespräche nur um ihrer selbst willen geführt. Nun sind gerade japanische Titel durch dafür bekannt, mitunter auch mal „amüsant-merkwürdig“ zu sein, beispielsweise wenn Solid Snake ellenlange Referate über seine Lieblingsfilme hält oder sich Yakuza Held Kiryu mit Exibitionisten herumschlagen muss, doch Wanted Dead ist in meinen Augen einfach nur „merkwürdig-merkürdig“. Wie viel Fremdschäm-Potential und stilistische Inkonsistenz Wanted Dead bietet, wird selbst an den viel zu oft auftretenden Ladeanimationen deutlich: Denn hier wird ohne irgendwelchen Kontext das „Supa Hot Fire“ Meme-GIF aufgegriffen, doch anstatt dann wenigstens den ruckeligen Zwei-Sekunden-Clip vorlagengetreu nahtlos in einer Endlosschleife abzuspielen, wird er von von einer ca. 3 Sekunden langen Schwarzblende unterbrochen. Die angesprochen Sequenzen sollen vermutlich ebenso wie die Möglichkeit, zwischen den Einsätzen das Polizeipräsidium frei zu erkunden, dazu dienen, den Figuren so etwas wie Persönlichkeit zu verleihen, jedoch bleiben sie eindimensional, entbehren jeglicher interessanter Chrakterzüge und fallen vielmehr durch beklemmend unangenehmes Verhalten auf. Das trifft allen voran auf Scharfschütze Belästiger Herzog zu, wenn er offensichtlich ungewollte körperliche Nähe erzwingt oder zotige Sprüche als vermeintliche Witze von sich gibt, die nicht einmal ansatzweise humorvoll sind. Die englischsprachigen Dialoge sind dann auch noch derart amateurhaft vertont, dass man sich fragen muss, ob hier wirklich Sprecher und Sprecherinnen unter professionellen Bedingungen in ein Tonstudio gebeten wurde, oder zufällig ausgewählte Leute in Heimarbeit Sätze ohne deren Kontext zu kennen mit einem alten Mobiltelefon aufgenommen haben. Die Synchronstimme der Hauptdarstellerin dürfte deutlich hörbar Englisch nicht als Muttersprache erlernt haben, sondern – wenn ich auf Basis einer akzentfreien Interpretation von „99 Luftballons“ raten müsste – Deutsch, was jedoch nicht davon entbinden sollte, dem Gesprochenen in irgendeiner Form Gefühl zu verleihen oder es auf die jeweilige Situation im Spiel anzupassen.

Über diese stilistischen Kritikpunkte könnte man eventuell sogar noch hinwegsehen, wenn die Spielmechanik stimmen würde – schließlich ist selbst in den besten Actionspielen Setting oder Story eher Nebensache -, doch auch in diesem Punkt versagt Wanted Dead kläglich, selbst wenn man sich die Kämpfe, in denen man sich wohlgemerkt als Gesetzesvertreterin im Rang eines Detectivs findet, halbwegs logisch erklären könnte. Erneut hört sich die Grundidee, deckungsbasierten Shooter mit stylischer Character-Action zu verbinden, eigentlich nach einem frischen, spaßigen Konzept an. Überraschenderweise ist der schusswaffenbasierte Teil der oft in übersichtlichen Arenen ausgetragenen Gefechte dann sogar zunächst das kleinere der beiden Übel: In der Nähe von Mauern, Barrikaden und sonstigen Landschaftselementen wird relativ anstandslos automatisch in Deckung gegangen, verschiedene Zweitwaffen erhöhen die Durchschlagskraft und das Standard-Gewehr kann ebenso wie die vorrangig für kürzeste Distanzen genutzte Pistole hinsichtlich diverser Eigenschaften modifiziert werden. Doch gewisse Gegnertypen, die selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad, der erst nach mehreren Fehlversuchen freigeschaltet wird, Unmengen an Kugeln einzustecken beziehungsweise komplett von ihnen unbeeindruckt zu bleiben, vermiesen dann schon mal die Feuergefechte, zumal man sich schnell von allen Seiten attackiert findet und somit das Deckungs-Feature nur bedingt hilfreich ist. Chronischer Munitionsmangel und die unnatürlich wirkende Geschwindigkeit, mit der sich die Widersacher fast schon gleich einem Benny-Hill-Sketch zwischen den Schutzmöglichkeiten bewegen, sind weitere – wenn auch nicht motivierende Anreize – in den Nahkampf überzugehen. Der ist jedoch gerade hinsichtlich der Referenzen des Teams hinter Wanted Dead mehr als enttäuschend. Für die Auseinandersetzungen von Angesicht zu Angesicht steht Hannah lediglich ihr Samuraischwert beziehungsweise die X-Taste als Angriffsoption zur Verfügung, was die Möglichkeit der sonst so typischen Kombos und Waffenwechelwirkungen arg einschränkt. Zwar lässt sich auch noch ein Schuss aus der Pistole einstreuen, die ist aber vor allem zur Abwehr ansonsten unblockbarer Attacken hilfreich. Normale Hieb- und Stichangriffe können stattdessen theoretisch per Seitenschritt vermieden oder Schultertaste geblockt und pariert werden. Doch wo sich alle Ninja Gaiden-Teile trotz berechtigter Kritikpunkte butterweich und exakt steuern lassen, fühlt sich Wanted Deads Offensivbewegungen auf kurze Distanz ungewohnt passiv, träge und ungenau an. Während Ryu Hayabusa praktisch mit Controller und Spieler verschmilzt, so dass man jederzeit das Gefühl hat, ihn wirklich zu steuern, wirken Hannah Stones Aktionen mit dem Katana distanziert, indirekt und mitunter etwas verzögert. Mag es an der mangelnden Performance der Xbox One S, merkwürdiger Animations-Priorisierung oder sonstigen Gründen liegen, aber regelmäßig scheinen Blocks wenig Effekt zu haben oder verhindern trotz vermeintlich korrekter Ausführung nicht, dass die Heldin ohne Kontrollmöglichkeiten zurückgeworfen wird. Wenigstens setzt man die für Ninja Gaiden typische Tradition einer störrischen Kamera fort, so dass man oft in eine Ecke gedrängt die Übersicht verliert und nachjustieren muss, um überhaupt erkennen zu können, aus welcher Richtung man angegriffen wird. Dazu gesellen sich andere Klassiker schlechten Designs wie unpassende Rücksetzpunkte, durch die man beim Scheitern gerne auch mal eine halbe Stunde wiederholen darf, oder dumme KI, die sich zumindest auf beiden Seiten des Konflikts wiederfindet. So stürmten in einem Treppenhausabschnitt mehrere Feinde seelenruhig an mir vorbei ins Erdgeschoss, nur um anschließend wieder zu mir aufzuschließen. Die bis zu drei Teammitglieder, die Hannah auf ihren Einsätzen begleiten, ballern dagegen zwar permanent aus allen Rohren, erledigen ab und an tatsächlich mal einen Gegner und es lassen sich über den Verbesserungbaum sogar aktive Fähigkeiten für sie freischalten, ihr tatsächlicher Nutzen hält sich aber dennoch in Grenzen und oft genug stehen Sie dumm in der Schusslinie herum. Die Upgrades für die eigene Spielfigur haben ebenfalls kaum merkbaren konkreten Einfluss auf den späteren Spielverlauf. Aus diesen mäßigen Gameplayelementen zimmerte Entwicklerstudio Soleil schließlich eine öde und uninspirierte Struktur, in der sich ohne jegliche Abwechslung endlose Korridore und Gefechtsarenen aneinanderreihen, in die schiere Unmengen der eigentlich nur zwei verschiedenen Prototypen von Widersachern geworfen werden: Soldaten mit Automatikwaffen, die sobald möglich auf Distanz gehen und aus sicherem Abstand das Dauerfeuer eröffnen, und schwertschwingende Shinobis, die uns mit ihren Klingen den Garaus machen wollen. In einzelnen Abschnitten werden die Charaktermodelle zwar großzügig durch Gangster oder rebellierende Arbeiter ersetzt und regelmäßig werden überdies gepanzerte Infantrieeinheiten und Elite-Ninjas in den Mix geworfen, echte Abwechslung sucht man jedoch vergebens, woran selbst die wenigen Bossgegner nichts ändern. Aufgrund der geschäftigen Situationen hatte ich nie das Gefühl, eine hochpräzise Killermaschine zu steuern, die es dank taktischer Überlegenheit und exakter Ausführung mit Heerscharen an Kontrahenten aufnehmen kann, sondern dass unter unvermeidbar erlittenem Schaden lediglich Energiebalken und Heilpacks gegeneinander abgewogen werden. Daher würde es mir nicht einmal im Traum einfallen, mich an einem höheren Schwierigkeitsgrad zu versuchen.

Bei derart schlechten Spielbarkeit dürfte es wenig verwunderlich sein, dass auch die audiovisuelle Präsentation von Wanted Dead nicht gerade überragend ausfällt. Die Charaktermodelle sind dabei noch relativ hübsch anzusehen, und geschwächte Gegner lassen sich mit einem durchaus coolen Finisher im John Wick Stil ausschalten. Der allgemein hohe Gewaltgrad mit abtrennbaren Körperteilen und Blutspritzern, die dauerhaft den Spielfiguren anhaften, dürften dagegen eher zu Playstation 2 Zeiten ein wirklich erwähnenswertes Feature gewesen sein. Stattdessen hätten einige Animationen etwas mehr Arbeit vertragen können, da vor allem beim Aufeinandertreffen von Stahl und Körper die beteiligten Polygonmodelle weiterhin etwas distanziert und unabhängig voneinander zu agieren scheinen. So ist vor allem die als Extrawaffe einsammelbare Kettensäge an Lächerlichkeit kaum zu übertreffen, clippt das Werkzeug doch mehr durch die Widersacher statt glaubwürdige Schnittverletzungen darzustellen.

Ebenso sind die oft etwas dunkel geratenen Umgebungen per se nicht unbedingt hässlich, mit Settings wie Park, Club oder Bürogebäude jedoch alles andere als einfallsreich oder spektakulär und in ähnlicher Form sicherlich auch auf ein bis zwei vorherigen Hardwaregenerationen möglich gewesen. Dabei vollbringen sie zumindest das Kunststück, gleichzeitig leer und verwirrend zu wirken, denn mehr als einmal fand ich mich nach Beendigung einer Gefechtssequenz auf dem Weg wieder, auf dem ich das Areal betreten hatte, da es kaum nennenswerte Orientierungspunkte gibt. Außerdem besteht der lineare Weg der Polizeitruppe durch die Level gerade in Anbetracht der oben beschriebenen Kameraprobleme aus einer fast schon böswillig hohen Anzahl aus engen Räumen.

War die Synchronisation bereits in den Zwischensequenzen zum Stirnrunzeln, sind die Zwischenrufe der Kollegen in den eigentlichen Spielszenen nahezu unerträglich. Wer im Sekundentakt die immer gleichen Sprachsamples „grenade“ und „reinforcements“ hört, wünscht sich schnell, das Abenteuer ausschließlich mit dem stummen Partner Cortez bestreiten zu können. Und während die Jukebox im Hauptquartier überraschend eingängige 80er Pop-Ohrwürmer und Coverversionen von Hits wie „Maniac“ bereithält (teils interpretiert vom niederländischen Model Stefanie Joosten, genau: Silent aus Metal Gear V!!!), wird die Action von bestenfalls akzeptablen Klängen verschiedener Stilrichtungen untermalt, die aber gerade gegen Ende des Spiels aus nervtötenden Dauerschleifen von maximal 10 Sekunden bestehen.

Falls es bis hier hin noch nicht deutlich geworden ist: Wanted Dead ist kein gutes Spiel! In den besten Momenten war ich lediglich gelangweilt, in den schlechtesten aktiv verärgert. Von belanglosen Erkundungen im HQ-Hub abgesehen läuft das Spiel von der ersten Sekunde an nach dem gleichen, langweiligen Schema ab und das unausgegorene Kampf-, Level- und Gegnerdesign erstickt jegliche Form von Spielspaß im Keim. Selbst das vielgescholtene Ninja Gaiden 3 ist um Längen besser, und angesichts sehr viel älterer hochkarätiger Konkurrenztitel aus dem Hause Platinum wie Bayonetta, Vanquish oder Metal Gear Rising muss man sich wirklich fragen, welche Daseinsberechtigung Wanted Dead hat. Einen ernstgemeinten versöhnlichen Aspekt hat das Spiel dann aber doch: Denn neben ungelenken Minispiel-Abklatschen von Karaoke und Kranspielen findet sich auch ein erstaunlich kompetenter 16Bit-Horizontalshooter im Stil eines R-Types.  Hätte man in diesen etwas mehr Arbeit gesteckt und das Ganze für schlankes Geld zum Kauf angeboten, statt Wanted Dead fertigzustellen, wäre die Gamingwelt um einiges besser dran.

 Wie schon in meinem Test zu Escape Academy erwähnt, sind Escape-Rooms und das Videospielkonzept, auf dem sie beruhen, ein Phänomen, das den späten Nullerjahren entstammt, was eigentlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich nur eine komprimierte Spezialform des Point-n-Click-Adventure-Genres sind, das bereit in den 80ern seinen Ursprung fand. Das hat sich 2019 wohl auch Kevin Hanley nebst einem keinen Team bei KHAN Games gedacht, und mit dem clever benannten NEScape! ein Escape-Room Abenteuer für das ursprüngliche Nintendo Entertainment System geschaffen. Wer keine Original-Hardware aus dem Jahr 1983 oder einen entsprechenden Emulator zur Hand hat, kann seit kurzem das Spiel für ca. 5 EUR auch auf Switch oder XBox spielen, wobei der auf original NES-Spiele spezialisierte Publisher 8bit Legit so freundlich war, mich mit einem XBox-One Code zu versorgen. Die Umsetzung für die Microsoft-Konsole enthält dann auch ein paar Hintergrundbilder, um den Bereich außerhalb des in 4:3 Format  gehaltenen Inhalts mit schmückendem Beiwerk zu nutzen, sowie einige leicht zu erfüllende Achivements, schlägt dann aber auch mit (für ein NES-Modul) satten 900 MB zu buche.

NEScape!

Was das Spiel selber angeht, hält sich NEScape getreu des Alters der ursprünglichen Zielplattform auch an klassische Escape-Room-Vorgaben: Ein Raum, eine verschlossene Ausgangstür und vier Wände, die mit allerlei Krimskrams für illustere Rätsel vollgestellt sind. Auch wenn derartige Spiele vorrangig auf eine Bedienung per Maus (oder Touchscreen) ausgelegt sind (und daher das NES-Modul sogar Mausunterstützung bietet), stört mich die Steuerung des Cursors per Controller grundsätzlich nicht, zumal das Spielkonzept sehr einfach ausgelegt ist, jedoch hätte ich mich auch über einige moderne Annehmlichkeiten gefreut, wie beispielsweise die Möglichkeit, interagierbare Bereiche hervorzuheben oder zumindest leichter anzusteuern, statt den Bildschirm detailliert nach Pixeln abzusuchen zu müssen in der Hoffnung, dass sich das Zeigersymbol verändert. Auch kann die Detailansicht eines interessanten Areals nur etwas umständlich über den Bildschirmrand verlassen werden, statt einfach einen zweiten Knopf, den selbst ein NES-Pad besitzt, dafür zu nutzen. Nun mag man diese Beschränkungen durchaus als Hommage an die etwas sperrigen Bedienelemente früher Konsolenabenteuer sowie integralen Bestandteil der Rätsel selber betrachten, doch leider sind diese mitunter ebenfalls von durchwachsener Qualität. Während einige Aufgaben durchaus clever designt sind, beispielsweise wenn man Codesymbole und deren Reihenfolge anhand der Umgebung entschlüsseln muss, kränkeln andere an verschiedensten Symptomen. So konnte ich den bekannten und wenig kreativen Kachel-Schiebe-Puzzels oder Senso-Gedächtnis-Tests noch nie viel abgewinnen, und Rätsel, bei denen Tonhöhen identifiziert werden müssen, setzen für meinen Geschmack zu sehr ein musikalisches Gehör voraus, das vielleicht nicht überall vorhanden ist. Andere Knobelaufgaben von NEScape sind wiederum vielleicht etwas zu ambitioniert entworfen und haben mit den technischen Limitationen der 8Bit-Konsole zu kämpfen. Denn die bunte Pixeloptik in der typischen NES-Farbpalette versprüht mit klarer Optik naturgemäß authentischen Retro-Charme, ist mancherorts dann aber doch zu grob aufgelöst oder verfügt nicht über die Darstellungsmöglichkeiten, um Hinweise oder Lösungsansätze eindeutig zu kennzeichnen. Und auch akustisch mögen kratzige, dahingenuschelte, englische Wortfetzen aus technischer Sicht auf dem Nintendo Entertainment System vielleicht beeindrucken, stellen aber ohne Kontext auch der Sprache mächtige Ohren vor praktisch unlösbare Aufgaben. Eine weitere Herausforderung stellt auch das fipsige Gedudel zu Beginn des Spiels dar, das den leider verwehrten Wunsch aufkommen lässt, zumindest die Musikuntermalung ausschalten zu können. Zwar gibt es später noch etwas erträglichere Stücke, eine Chiptune-Meisterwerk wird mit dem NEScape-Soundtrack aber sicherlich nicht abgeliefert, zumal sich selbst auf der XBox One S mitunter einige Slowdowns einschleichen, die die Beschallung noch mehr in Mitleidenschaft ziehen.

NEScape

Wenigstens tragen die düsteren Tone etwas zur typisch mysteriösen Stimmung des Escape Rooms bei, auf ein konkretes Setting, Überraschungsmomente oder gar eine Hintergrundgeschichte verzichtet NEScape! jedoch komplett. So gibt es weder Informationen zur eigenen Spielfigur noch nachvollziehbare Erklärungen, wie die Rätsel den Raum verändern oder warum es ein Zeitlimit von einer Stunde gibt. Sind nicht alle linear abfolgenden Aufgaben innerhalb der 60 Minuten gelöst, heißt es Game Over und der Ausbruchversuch muss komplett von vorne durchgeführt werden. Nach zwei oder drei Anläufen sollte man aber das Zimmer verlassen und damit zeitgleich NEScape! ein für alle male beendet haben, denn es gibt praktisch keinen Wiederspielwert.

NEScape mag als neues Stück Software für eine vierzig Jahre alte Konsole durchaus bemerkenswert sein. Für sich alleine betrachtet muss es sich jenseits der Retro-Hardware aber mit einer großen Menge vergleichbarer Titel wie der Rusty Lake Serie messen, und bietet dahingehend lediglich solide Durchschnittskost. KHAN Games scheint die etwas grobschlächtigen Grundlagen für ein brandneues Spiele auf Nintendos Heimkonsole geschaffen zu haben, NEScape! hätte meiner Meinung nach noch etwas mehr Feinschliff und ausgearbeiteteres Spieldesign vertragen können. Bleibt zu hoffen, dass diese Aspekte in einem möglichen Nachfolger stärker berücksichtigt werden.

Es ist immer wieder interessant mit anzusehen, wie sich die Gamingbranche die Zukunft des Rennsports vorstellt. Schwebende Boliden scheinen dabei seit jeher eine unumstößliche Säule kommender Mobilität zu sein. Häufig wird dabei in Serien wie Wipeout oder F-Zero ein schlankes, an Rennboote angelehntes Design bevorzugt, das die Fahrzeuge ungeachtet der physikalischen Machbarkeit über der Fahrbahn hält. Das Rennspiel Warp Drive geht dagegen angesichts realer Entwicklungen etwas andere Wege, indem es exotische oder klassische Karosserien und  Drohnen-Optik mit den für Quadcopter typischen vier Propellerringen verbindet. der britische Publisher und Entwickler Supergonk war so freundlich, mir einen XBox One Code zu Testzwecken zu überlassen, das Spiel erscheint darüber hinaus auch noch für den PC, die Playstation und IOS Plattformen, während die Version für die Nintendo Switch bereits 2020 erschien. Als Hauptinspirationsquellen führt das nur 4 Personen umfassende Team das schon erwähnte F-Zero sowie Jet Set Radio an. Während der erste Titel angesichts des futuristischen Renngenres noch nahe liegt, sorgt die Nennung von SEGAs trendiger Skate-Reihe zunächst für etwas Stirnrunzeln. Doch bereits im Hauptmenü wird schnell klar, was gemeint ist, ertönen dort doch funkige Elektro-Hip-Hop Klänge aus der Feder von Hideki Naganuma, der ebenfalls für einen Großteil des überragenden JSR-Soundtracks verantwortlich zeichnet. Das Stück „Pumpin‘ Jumpin‘“ versprüht dann auch die gewohnte gute Laune und treibende Energie früherer Lieder wie „Let Mom Sleep„, stellt gleichzeitig aber auch den Höhepunkt der arg eingeschränkten Musikauswahl dar. Denn weil sich in den eigentlichen Rennen die knappe handvoll Songs, die wohl ohne Naganumas Mitwirkung entstanden, ständig wiederholen, hat man sich trotz halbwegs akzeptabler, treibender Beats den Soundtrack innerhalb kürzester Zeit „überhört“.

Warp Drive

Auch bei der visuellen Präsentation ist der Verweis auf Jet Set Radio zumindest in der Theorie nachvollziehbar, wird die sehr farbenfrohe und mit Graffiti- und Comic- beziehungsweise Print-Effekten durchzogene Optik doch zusätzlich von den typischen schwarzen Außenlinien geziert, die auch den Cell-Shading-Look des Dreamcast-Titels unverkennbar machten. Allerdings ist die Grafik hier sehr viel feiner ausgearbeitet, wodurch auch kleine Details an den Ecken und Kanten der Boliden besser zur Geltung kommen. Vor allem technisch erzeugt Warp Drive damit einen durchaus coolen Look. Dem gegenüber stehen jedoch die mitunter etwas fade gestalteten Landschaften der 12 Rennstrecken: Umgebungen wie „Wald der Riesenpilze“, „Kristallhöhle“ oder auch ein gigantisches Tentakelmonster auf einer verschneiten Bergpiste scheinen eher für eine Kart-Raserei knuffiger Maskottchen als für ein High-Tech-Rennenspektakel passend zu sein und beißen sich zudem auch etwas mit dem eher urban angelegten Jet-Set-Style. Außerdem vermisse ich ein wenig mehr Veranstaltungs-Atmosphäre, denn im Teilnehmerfeld treten gesichtslosen Namen statt markanter Charaktere an, und auch typisches Wettstreit-Beiwerk wie Tribünen, Siegerpodien oder allgegenwärtiges Sponsoring fiktiver Sci-Fi-Marken sucht man vergebens. Und so bin ich mir nicht ganz sicher, was für ein Szenario Warp Drive überhaupt eröffnen will, ist es doch irgendwo zwischen technisch-seriös, stylisch-cool und märchenhaft-niedlich angesiedelt.

Warp Drive

Zum Glück ist gerade bei Rennspielen das Setting eher zweitrangig und die Geschmäcker durchaus verschieden. Spielerisch ist Warp Drive nämlich ein leicht zugänglicher und absolut kompetenter Arcade-Racer, der auf bewährte Genrekonventionen setzt und diese bei Bedarf noch weiter vereinfacht. Auf den angenehm breiten Strecken steuern sich die Fluggeräte fast schon etwas zu einfach durch die Kurven, um die Ideallinie nach Temposchüben, die beispielsweise durch Beschleunigungsfelder ausgelöst werden, zu treffen, ist aber dennoch entsprechendes fahrerisches Können vonnöten. Auch einsetzbare Boosts und ein Extraschub nach einem ausreichend langen, mit dem linken Trigger durchgeführten Drift sorgen kurzzeitigen für mehr Vortrieb und somit bessere Chancen auf einen Sieg. Vor allem die Handhabung des in Zukunfts-Raser anscheinend typischen Item-Systems kommt dabei angenehm entschlackt daher. Denn statt vorgegebene oder zufällige Gegenstände von der Piste aufzugabeln, die dann doch für die momentane Lage unpassend sind, werden lediglich Kristalle eingesammelt, die bequem über die vier Controller-Knöpfe situationsbedingt in Bonusbeschleunigung, einen zielsuchenden Raketenangriff nach vorne oder eine nach hinten abgeworfene Miene umgewandelt werden. Nicht nur die Aktivierung und die jederzeit deutliche Lesbarkeit dieser Aktionen, sondern auch ihr Wechselspiel untereinander bestechen durch ihre simple Eleganz: so können eingehende Geschosse mittels Minen geblockt werden, die ihrerseits mit einem Turboost unbeschadet durchfahren werden können. Mangels Schadensmodell übersteht man aber auch erfolgreiche gegnerische Attacken oder seltenen Feindberührungen zunächst ohne Blessuren, muss aber genau wie bei einem Ausflug in die Auslaufzonen neben der Stecke mit deutlichem Geschwindigkeitsverlust rechnen. Die vierte Möglichkeit der Kristallverwertung ist schließlich noch die namensgebende Warp-Fähigkeit: Diese teleportiert die Piloten und ihre Maschinen unter optischem Feuerwerk gleich einem LSD-Trip nicht nur an vorgegebenen Punkten automatisch zum nächsten Abschnitt, um beispielsweise eine Schlucht zu überbrücken, sondern kann an bestimmten Stellen darüber hinaus manuell ausgelöst werden, um die Fahrt auch mal kopfüber auf alternativen Routen fortzusetzen oder Abkürzungen entlang der Seitenwände zu nehmen. Für andere Passagen ist wiederum der gekonnte Einsatz der Boost-Funktion nötig, denn nur so können höher gelegene Spuren nach einem Sprung erreicht oder aus Gittern bestehende Fahrbahnsegmente passiert werden. Zusammen mit Steilkurven, Gabelungen, Korkenziehern und anderen Schikanen kommen die Rundkurse dabei alleine durch ihre gelungene Streckenführung fast einer wilden Achterbahn gleich, so dass ein Mangel an spektakulären Sehenswürdigkeiten entlang der Begrenzungen kaum auffällt. Auf der Xbox wird die Raserei dabei trotz hohem Tempo und allerlei Rotationen und Effekten stets flüssig und übersichtlich dargestellt, egal ob man in der vermeintlich noch gemütlichen 500ccm Klasse antritt oder den Anspruch  mit 1500ccm noch einmal in die Höhe schraubt. An Wettkämpfen stehen entweder sechs klassische Turniere-Serien zur Auswahl, in denen in jeweils vier Rennen je nach Positionierung Punkte verteilt werden, oder der sogenannte Überlebensmodus, der Ähnlichkeiten mit gleichnamigen Varianten in Fighting Games aufweist und in einer quasi endlosen Abfolge von Rennen Stecken, Teilnehmer und Siegesbedingungen wie eine Mindestpositionierung kombiniert. Um der von Beginn an durchaus fordernden Konkurrenz etwas entgegensetzen zu können, kann verdientes Geld zwischen den Austragungen nicht nur in bunte Lackierungen, sondern auch in Upgrades und Spezialfähigkeiten investiert werden. Weil kein vordefinierter Fuhrpark existiert, sondern das eigene Vehikel komplett aus einzelnen Elementen zusammengesetzt wird, haben die verschiedenen Chassis, Antriebe und Schwebevorrichtungen deutlichen Einfluss auf die Eigenschaften Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Fahrverhalten, während der Spezial-Slot beispielsweise einen aufgefüllten Kristall-Vorrat beim Start gewährt oder eines der Attribute noch einmal deutlich verbessert.

Auch hier speckt Warp Drive die Shop- und Tuning-Funktionalität stark ab, indem die Auswahl stets auf eines von nur maximal drei Bauteilen beschränkt ist, das bei Kauf dauerhaft freigeschaltet und sofort installiert wird. Da das Angebot zufällig ist und einige Komponenten in jederlei Hinsicht besser als andere sind, ist dieser Aspekt meiner Meinung nach jedoch nicht ganz so gut gelungen, denn ich hatte das Glück, relativ früh das für mich optimale Setup zu aktivieren, so dass ich die Werkstatt weitestgehend links liegen ließ, um mich voll und ganz den Rennen zu widmen. Als spaßige Alternative gibt es jedoch auch noch 104 Fahrmissionen, die mich angenehm zum Beispiel an den entsprechenden Heimkonsolen-exklusiven Modus in Out Run 2 erinnern. Dort gibt Warp Drive die Fahrzeugkonnfiguration fest vor, und die vielfältigen Herausforderungen reichen von klassischen Motorsportszenarien wie Zeit- oder Positionsrennen über aktionorientierte Anforderungen, in denen die Mitstreiter beschossen oder Minen zerstört werden müssen, bis hin zu Aufgaben, bei denen innerhalb eines Zeitlimits Münzen gesammelt werden müssen. Auch wenn gerade letztere Ziele mitunter recht schwer zu erfüllen sind, finde ich derartig kreativen Umgang mit den Grundbausteinen eines Spiels zur Erweiterung des Umfangs vor allem für Einzelspieler stets lobenswert. Den lokalen Multiplayer-Modus, der bis zu vier Personen die Teilnahme ermöglicht, habe ich dagegen nicht angetestet. Auf die Möglichkeit, sich online zu messen, hat Supergonk indes gänzlich verzichtet.

Warp Drive

So sehr mich Warp Drive anfänglich mit seinen Vermengung unterschiedlicher Stilelemente und der ewig gleichen Musikuntermalung aktiv verschreckt hat, so sehr hat es mich mit der sauberen Spielbarkeit, dem ordentlichen Umfang und einem guten Geschwindigkeitsgefühl überzeugt. Auch wenn die aufgerufenen 25 Euro kein Schnäppchen sind und der Titel nicht frei von Kritikpunkten ist, ist das Spiel vor allem auf der Xbox einen Blick wert, sind die prominenteren Konkurrenz-Serien doch exklusiv auf Nintendo- und Sonykonsolen beheimatet und die Veröffentlichung ihrer letzten Ableger schon eine ganze Weile her.

Shoot’em ups gehören sicherlich zu den ältesten Vertretern von Videospielen und lassen sich beispielsweise anhand der Bewegungsmöglichkeiten in weitere Unterarten einteilen. Nach anfänglich statischen Szenarien wie Space Invaders waren es vor allem die horizontal oder vertikal scrollenden Ballereien der späten 80er und 90er, die dem Genre in der Spielhalle und auf Heimgeräten Popularität bescherten. Später ermöglichte der technische Fortschritt den sogenannten Railshootern quasi Bewegungen auf den namensgebenden Gleisen in die Tiefe des Bildschirms, wobei zu diesem Zeitpunkt die Spielegattung bereits den Zenit ihrer Beliebtheit überschritten hatte. Dennoch finden sich auch unter den Schienenshootern einige bekannte Namen, von denen Segas Panzer Dragoon aus dem Jahr 1995 gleich aus mehreren Gründen hervorsticht: Das Spiel für die hauseigene Saturn-Konsole war einer der ersten Shooter mit Echtzeit-3D-Grafik überhaupt und schlug mit einem für damalige Verhältnisse üppigen Budget von 3 Millionen Dollar zu buche. Zudem war der Titel nicht in einer ansonsten üblichen Science Fiction Umgebung angesiedelt, sondern man ballerte sich auf dem Rücken eines Flugdrachen durch ein industrielles Fantasy-Setting, das mit seinem knochig-organischem Naturdesign sichtlich von den Werken des französischen Comiczeichners Jean Giraud aka Moebius inspiriert wurde, der zumindest in Form weniger Konzeptzeichnungen und einem Entwurf für das Cover sogar am Spiel mitwirkte. Ein unverkennbarer, orchestraler Soundtrack tat sein weiteres dazu, um aus Panzer Dragoon zumindest unter Sega-Fans einen Kult-Klassiker zu machen. Diesem Status dürften wir dann auch das Panzer Dragoon Remake verdanken, dass 2020 für PC, Switch, PS4 und XBox One erschien, und dessen XBox One Version ich mich in diesem Review widmen möchte. Wie es der Zusatz bereits andeutet, handelt es sich bei Panzer Dragoon: Remake nicht bloß um einen HD Fassung des ursprünglichen Saturn-Silberlings, sondern um ein von Grund auf neu entwickeltes Spiel, das die Kernelemente des Titels zeitgemäß aufbereiten will. Und zumindest optisch gelingt dieses Vorhaben  dem polnischen Entwickler Megapixel Studio recht gut. Denn auch, wenn die 6 aus dem Original übernommenen, abwechslungsreichen Level weder die XBox One technisch ausreizen noch anderweitig wirklich spektakuläre Bilder zaubern, sind sie doch hübsch und farbenfroh inszeniert und fangen die Essenz der Vorlage gut in hochauflösender Grafik ein, indem sie ikonische Momente wie den einstürzenden Palast im ersten Wasserlevel oder die Flucht vor den riesigen Sandtausendfüßlern aufgreifen. Auch kleine Kritikpunkte wie etwas  steif wirkende Flügelanimationen trüben da das Gesamtbild kaum.

Panzer Dragoon: Remake

Gleiches trifft auch auf die musikalische Untermalung zu, die weiterhin von einem umfangreichen Ensemble eingespielt worden zu sein scheint und die sich im Optionsmenü darüber hinaus auf die Originalkompositionen umstellen lässt: die mal fröhlichen, mal exotischen Klänge tragen merklich dazu bei, die fremdländisch wirkende Welt von Panzer Dragoon mit ihren Wüsten, Canyons und Dschungeln zum Leben zu erwecken. Doch während die Präsentation dank frischer Optik und zeitloser Musik gut in die zweite Dekade des 21. Jahrhunderts  transportiert wurde, offenbaren andere Aspekte das Alter der Vorlage von über 25 Jahren. Das beginnt bereits beim wenig informationsreichen und verwirrende Intro, dass weiterhin den absolut zufälligen Werdegang des stummen Protagonisten vom einfachen Jäger zum drachenreitenden Kämpfer gegen ein böses Imperium thematisiert, indem wortwörtlich der sterbende Vorbesitzer der Schuppenechse das Tier vor dessen Füße parkt. Doch das größte Manko von Panzer Dragoon: Remake ist jedoch schlich und ergreifend die Tatsache, dass es auf einem recht simplen und kurzen Spiel basiert. Gemäß der Subgenre-Konventionen bewegt sich die innerhalb eines Korridors zu steuernde Reiter-Drache-Kombo dabei wie eingangs erwähnt auf einer fest vorgegebenen Bahn durch die Landschaft, weicht Projektilen und Hindernissen aus und ballert mit Hilfe eines (3D)-Cursors auf allerlei gegnerische Fahrzeuge, feindlich gesinnte Flora und Fauna sowie mächtige Abschlussbosse am Levelende. Recht markant für Sega-Entwicklungen sind dabei die zwei Schussmodi, bei denen entweder auf die A-Taste gehämmert wird, um einzelne, schwache Salven abzufeuern, oder durch gedrückte A-Taste mehrere Ziele mit dem Fadenkreuz markiert werden, um anschließend kräftige, zielsuchende Laser zu entfesseln. Ein klein wenig Tiefgang und eine Daseinsberechtigung  für mit Polygonen modellierte 3D-Spielwelt bietet die Möglichkeit, nicht nur in Flugrichtung zu schießen, sondern per Schultertasten den Blick in 90° Schritten rotieren zu lassen, letztendlich erwehrt man sich dann aber doch hauptsächlich frontaler Attacken. Und damit ist das Spielprinzip sowohl des original Panzer Dragoons aus 1995 als auch der 2020er Neuauflage praktisch umfassend beschrieben. Die Kernmechanik ist zwar gekonnt und routiniert umgesetzt, es gibt aber weder shootertypische Abwechslung in Form von Power-Ups, noch wird die Umgebung für Abzweigungen oder alternative Routen genutzt, denn diese Elemente blieben dem Saturn-Nachfolger Panzer Dragoon II zwei (mit deutschem Zahlwort) aus dem Jahr 1996 vorbehalten. Zudem krankt das Spiel an Schwächen, die meines Erachtens nach zwangsläufig für Railshooter sind: Denn die Bewegung entlang vordefinierter Pfade mag eine dynamische Inszenierung mit actionreichen Kamerafahrten ermöglichen, bereitet aber auch Probleme, wenn es darum geht, die Flugbahn vorauszuahnen, etwa um gefährlicher Szenerie auszuweichen oder abzuschätzen, wann eine Kollision mit einem gegnerischen Geschoss bevorsteht. Das dürfte auch der Grund sein, warum Bahnenballereien in der Regel auf eine Energieleiste setzen, statt wie viele Shooter der 8 und 16-Bit Ära den einmaligen Feindkontakt direkt mit einem Lebensverlust zu bestrafen. Nun muss man Panzer Dragoon Remake dabei zugute halten, dass das Tempo relativ gemächlich ist und auf all zu wilde Achterbahnfahrten verzichtet wird. Schlängelt sich der Lindwurm dann doch mal zwischen Bauwerken oder Landschaftselementen hindurch, muss man sich halt ab und an auf sein Gedächtnis verlassen und beispielsweise erinnern, dass Brücken stets unterflogen werden. Diese Situationen offenbaren dann auch einen weitere Unannehmlichkeit, denn die Steuerung der Spielfigur ist direkt an die Steuerung der Zielerfassung gekoppelt. Wenn man also den Reitdrachen nach unten links bewegen will, kann man zumindest in der klassischen Steuerung nicht gleichzeitig einen Widersacher oben rechts anvisieren. Mit einer „modernen“ Eingabeoption wurde zwar versucht, diesen Punkt anzugehen, indem sich Spielfigur und Fadenkreuz unabhängig voneinander mit den beiden Analogsticks bewegen lassen, doch diese Steuerung ist noch weniger intuitiv, so dass das herkömmliche Modell dennoch die bessere Wahl ist.

Panzer Dragoon: Remake

Doch während letztgenannte Punkte wohl für das gesamte Genre gelten und bei einer mehr oder weniger authentischen Umsetzung von Panzer Dragoon unumgänglich sein dürften, hat es Megapixel Studio zu meiner Enttäuschung kläglich versäumt, das Remake zu nutzen, um Anreize zu schaffen, die der Langzeitmotivation dienen beziehungsweise die den Wiederspielwert erhöhen. Die 6 Kapitel sind in nicht einmal einer Stunde durchgespielt und konnten auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad direkt im ersten Anlauf gemeistert werden. Auch eine abschließende Bewertung mit anzeige der Trefferqote ist zwar ganz nett, dürfte jedoch als alleinige Maßnahme Spielerinnen und Spieler wohl kaum dauerhaft bei der Stange halten. Da mutet es fast schon zynisch an, dass das Durchspielen lediglich mit der Anzeige eines (von vornherein aktivierbaren ) Cheatcodes belohnt wird, der direkte Levelwahl und einige andere oberflächliche, unbedeutende Einstellungen ermöglicht. Alternative Spielmodi, freischaltbare Kostüme, das original Panzer Dragoon oder dokumentarische Extras, die über einige wenige Designskizzen hinausgehen, sucht man dagegen vergeblich, so dass der Titel im Kontext „moderner“ Spiele in seiner Schlichtheit seinesgleichen Sucht, zumal Panzer Dragoon: Remake regulär mit gut 25 EUR im XBox Store zu Buche schlägt. Vor allem angesichts des Nach-Nachfolgers Panzer Dragoon Orta, der 2002 für die ursprüngliche XBox veröffentlicht wurde und der dank Abwärtskompatibilität auch auf den Nachfolgegenerationen spielbar ist, gibt es weniges, was für den Neuauflage des Erstlings spricht. Orta übertrifft Remake in vielen Aspekten wie Umfang, Steuerung und Spieltiefe, sieht auch auf der aktuellen Hardware noch ziemlich gut aus und bietet umfangreichen Zusatzinhalt und Bonusmaterial bis hin zum eben erwähnten Saturn-Debüt. Das 2020er Panzer Dragoon Remake bietet dagegen dank der robusten Spielmechanik zwar kurzzeitig grundsoliden Spaß,  ist aber selbst für eingefleischte Panzer Dragoon Fans allenfalls ein kleiner Snack zwischendurch als ein neues oder auch altes, aufregendes Kapitel in der Geschichte der Sega-Serie.

Sicherlich haben wir alle unsere Vorlieben, was das jeweilige Setting eines Videospiels angeht. Als ich den Trailer und erste Screenshots von Blind Fate: Edo No Yami sah, hat der Titel sofort mein Interesse geweckt, mutete er doch wie eine moderne Interpretation des klassischen sidescrolling Actiongenres a la Shinobi an mit cooler 80er Asia-Cyberpunk-Ästhetik voller japanischer Neonwerbung, die sich nächtens in regennassen Straßen voller futuristischer Fahrzeuge spiegelt.

blind fate: edo no yami

Entwickler Troglobytes hat mir dann auch freundlicherweise einen Reviewcode für die XBox One Version überlassen, das Spiel ist aber auch für Series X/S, Playstation, Switch und den PC verfügbar. Leider ist dann aber auch der letztlich doch etwas unerwartet andere Hintergrund, vor dem die Handlung von Blind Fate: Edo No Yami  angesiedelt ist, noch der beste Aspekt des Machwerks, und das, obwohl auch spielmechanisch hier einige eigentlich interessante Ansätze eingeflochten wurden. Denn der Titel erstreckt sich über mehrere Zeitstränge und verbindet traditionelle japanische Folklore und Geschichte mit einer postapokalyptischen Science-Fiction-Welt voller Maschinen in Tier- und Fabelwesengestalt, ähnlich Enslaved oder Horizon. Protagonist Yami ist Samurai und Dämonenjäger, hat jedoch in seinem letzten Kampf nicht nur seine Ehre, sondern auch diverse Körperteile inklusive seines Augenlichts verloren, woraufhin er von der antiken künstlichen Intelligenz in Robotergestalt namens Tengu mit Hilfe allerlei bionischer Implantate zusammengeflickt wurde. Überraschenderweise gehört eine einfache Kamera wohl nicht zum futuristischen Ersatzteillager, so dass Yamis Wahrnehmung der Umgebung zum Teil auf jahrhundertealten Aufzeichnungen aus Tengus Archiven beruht, als Nippons Zivilisation offenbar auf ihrem vermeintlichen Höhepunkt war. Etwas unrealistisch scheint sich zumindest auf den zweidimendionalen Laufwegen des Helden seither praktisch kaum etwas verändert zu haben, nur gelegentlich ist beispielsweise ein solide dargestellter Boden zwischenzeitlich eingebrochen oder eine Brücke seitdem verrottet, so das man dort quasi durch solide Szenerie glitcht. Die Repräsentation der Umwelt kann auf Basis frischerer Daten aktualisiert werden, und auch die in Yamis Krieger-Maske eingebauten Sensoren für Geräusche, Gerüche und Wärme, die bei Bedarf das Bild überlagern beziehungsweise einfärben, helfen, die Situation besser einzuschätzen. Da entpuppt sich mit aktuellen Informationen eine prall gefüllte Lagerhalle als inzwischen verfallene Ruine oder ein augenscheinlich idyllisches Dorf offenbart in der Geruchsansicht unzählige Opfer einer Schlacht mit den Kami und Yokai genannten Gegnern. Das ist sicherlich ganz nett für das überraschend gesprächige Actionspiel, dessen Story sowohl in In-Engine-Cut-Scenes als auch kleinen Comic-Filmchen und vielen mit durchaus kompetenten Sprecherinnen und Sprechern vertonten Dialogboxen erzählt wird, wirklich bahnbrechende spielerische Neuerungen ergeben sich dadurch aber nicht. Vielmehr wirkt das ganze wie ein aufgesetztes Gimmick, das nach seinem Einsatzzweck sucht und sich recht schnell abnutzt. Dementsprechend lässt sich zwar mit einigen Objekten nur im entsprechenden Visualisierungs-Modus interagieren, praktisch entstehen dadurch aber nur weitere von vielen Sollbruchstellen, die die Action ausbremsen, indem regelmäßig der zur Lage passende Filter aus dem wenigstens jederzeit über den linken Trigger leicht aufrufbaren Menü zu wählen ist. Theoretisch müssen auf diese Art und Weise eigentlich auch die Feinde entdeckt werden, doch zum Glück verbleibt in den Auseinandersetzungen entlang der linearen Level ein Echtzeitbild der mechanischen Wiedersache, auch wenn man sie vorher nicht anhand ihrer Schritte, Ausdünstungen oder Wärmesignatur entdeckt hat. Leider sind diese üblicherweise unausweichlichen Kämpfe, die einen Großteil des Spiels ausmachen, alles andere als inspiriert, obwohl Blind Fate: Edo No Yami mit flotten Komboangriffen, Blocks, Doppelsprüngen, Dashes und mehr eigentlich genug interessante Verben zur Verfügung stellt, um daraus ein gefälliges Spektakel zu formulieren. Stattdessen kommt jegliche Dynamik schnell zum erliegen, wofür es viele Gründe gibt. Zum einen wurde ein meiner Meinung nach völlig überflüssiges Ausdauersystem eingebaut, das anscheinend jedes Spiel seit Dark-Souls braucht. Nun muss man diese Leiste nicht zwingend nach jedem Angriff im Auge behalten, sondern sie erlaubt durchaus einige Attacken oder Paraden in Folge, verwehrt dann aber doch oft genug im Eifer des Gefechts den ein oder anderen Hieb. Wie an vielen anderen Stellen scheint das Spiel hier nicht genau zu wissen, was es sein will. Denn für eine flotte Katana-Choreografie im Stile der 16-Bit-Generation wirkt das Kampfsystem etwas zu sperrig und die Feinde zu sehr in speziellen Arena-Abschnitten positioniert, statt sie organisch in den Spielabschnitten zu verteilen, während es für bedächtige Duelle an Tiefgang fehlt. Das merkt man vor allem an den ewig gleichen Angriffsmustern der jeweiligen Gegnertypen. Hat man die mit kleinen Symbolen angezeigten Abfolgen aus blockbaren und unüberwindlichen Offensivmanövern erst einmal verinnerlicht, verkommen die Gefechte weitestgehend zu stupider Knöpfendrückerei. Dass Blind Fade dabei selbst auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad durchaus kein Spaziergang ist, liegt dann eher an den sehr knapp bemessenen Reaktionsfenstern und teils unfair hohem Schaden denn an einer echten Herausforderung. Darüber hinaus gibt es noch weitere, sicherlich gut gemeinte Elemente, die aber jeglichen Metzelflow vollends zum erliegen bringen. Denn eine nach mehreren erfolgreichen Treffern gefüllte Benommenheitsanzeige des Gegenübers ermöglicht es, zu einem besonders verheerenden Schlag anzusetzen. Dazu muss aber erst in den Sichtmodus des angezeigten Icons gewechselt und anschließend ein kleines Microspiel bestritten werden. Das Spiel nennt das „die Schwachstelle des Gegners aufdecken“, doch inwieweit die Sensoren dabei inhaltlich hilfreich sein sollen, bleibt offen. Noch störender sind da nur noch die Finisher-Moves, die nach einigen obligatorischen Upgrades der Spielfigur auf die einfachen Standardgegner auch komplett ohne vorherigen Schlagabtausch angewendet werden können, und die nach einem ebenfalls stets identischen Quick-Time-Event die immer gleiche, viel zu lange, altbacken wirkende Animation in Nahaufnahme abspielt. Wen übrigens diese auch in Boss-Fights für so spektakuläre Aktionen wie „vorsichtig auf ein gut 1,5 Meter hohen Baum klettern“ genutzten und mit viel zu kleinen Einblendungen angezeigten QTEs nerven, sei gesagt, dass Fehleingaben innerhalb der Zeitvorgaben nicht bestraft werden, so dass man einfach alle Knöpfe des Controllers gleichzeitig drücken kann, um die Aufgabe erfolgreich zu absolvieren. Diese und dutzende andere Entscheidungen zeigen dabei fast Parallelen zur Story auf und wirken nahezu wie Abbilder einer vergangenen Zeit, als ob es die Erkenntnisse, Verbesserungen, Trends und Standards in Sachen Spieleentwicklung nie gegeben hätte. Auflockernde Versatzstücke aus dem Action-Adventure-Genre wie Schiebepuzzle und Schalterrätsel hat man in unzähligen anderer Titel sehr viel besser umgesetzt gesehen und geben Blind Fate: Edo No Yami keinen echten Mehrwert. Designsünden wie (versteckte) bodenlose Gruben oder sonstige Gefahren, die den sofortigen Tod bedeuten, unglücklich positionierte Rücksetzpunkte oder sich ewig hinziehende Endgegnerkämpfe, in denen man winzig kleine Segmente aus einer viel zu langen Lebensleiste schlägt, wecken zwar auch die eingangs erhofften Retrogefühle, aber nur dahingehend, als dass man sie als eigentlich inzwischen ausgemerzte Relikte betrachtet. In diesem Zusammenhang hat Blind Fade: Edo No Yami dann auch an diversen Stellen Probleme mit Tempo und Fluss der Erzählstruktur und des Spielgeschehens, etwa, wenn man durch ereignislose Korridore sprintet oder nach einer Cartoonsequenz kurz in die Spielwelt entlassen wird, nur um nach wenigen Metern den Level anschließend zu verlassen.

blind fate: edo no yami

Zu dieser langen Liste an gestalterischen Mängeln gesellt sich zu allem Überfluss auch noch der eine oder andere technische Bug, der nicht reproduzierbar von kompletten Tonaussetzern über unverwundbare Feinde bis hin zu einer einbrechenden Bildwiederholungsrate in den einstelligen Bereich reicht. Während ein Neustart oft Abhilfe schafft, war eine Unstimmigkeit im Fähigkeitenbaum besonders ärgerlich, die zwar dauerhaft die Bezahlung einkassierte, aber nicht die entsprechende Bewegung freigab.

Positive Aspekte wie die eingangs angesprochene Story, durchaus ansehnliche Grafik, die – sofern gerade kein Fehler auftritt – flott über den Schirm flimmert oder der stimmige Soundtrack, der asiatische Klänge mit wabernden Synth-Sounds verbindet, können Blind Fate: Edo No Yami ebensowenig retten wie der Hauch von Metroidvania, der versteckte Bereiche und Abschnitte erst nach dem Erwerb bestimmter Moves zugänglich macht. Der Titel hat mir einfach keine Freude bereitet und ist ein gutes Beispiel dafür, dass man niemals ein Buch nach seinem Einband beziehungsweise ein Spiel nach seinem Trailer beurteilen sollte. Sobald etwas Spielspaß aufkam, wurde dieser umgehend durch eine fragwürdige Entscheidung oder unpassendes Gameplay-Element erstickt, die zu zahlreichen „Ach komm schon …“ und „Was? Ernsthaft?“ Ausrufen führten. Selbst beim inzwischen bereits einige Jahre alten Strider Reboot dürften Freunde fernöstlicher Schwertschwingereien besser aufgehoben sein als bei Blind Fate: Edo No Yami.

Xbox One Review: Escape Academy im Test

Escape Rooms, die in den letzten zehn Jahren (vor Corona) vor allem in den Großstädten wie Pilze aus dem Boden schossen, können wohl zurecht als erfolgreich in die echte Welt übertragene Videospiele bezeichnet werden. Da mutet es fast schon ironisch an, wenn sich ein aktuelles Adventure-Spiel nicht nur auf das „Escape-the-room“ Subgenre, sondern auf eben diese realen Freizeiteinrichtungen, die daraus entstanden, bezieht. So geschehen in Escape Academy, dem Rätselspiel von Coin Crew Games, das unlängst auf allen aktuellen Plattformen für ca.  20 Euro erschienen ist. Zudem ist es momentan in Microsofts Gamepass für XBox enthalten, wobei Publisher Iam8bit so freundlich war, mich mit einem entsprechenden Code für die XBox One auszustatten.

Escape Academy

Dementsprechend spielt der Prolog des Titels etwas augenzwinkernd in einem tristen, heruntergekommenen Escape Room, um sich anschließend auf die titelgebende Escape Academy zu verlagern, einer mysteriösen Studieneinrichtung, die sich der Ausbildung in den Flucht-Künsten verschrieben hat. Quasi ein Hogwarts für Escape-Rooms. Dort kann man in leichter Anlehnung an eine Visual Novel gelegentlich verschiedene Bereiche des Campus besuchen und mit den wenigen exzentrischen Lehrkörpern oder Mitstudierenden interagieren. Leider haben diese Abschnitte keinerlei spielmechanische Auswirkungen und dienen eher der Ausschmückung der halbwegs interessanten, letztlich jedoch wenig relevanten Rahmenhandlung. Dabei würde sich das Setting für etwas High-School Drama mit Dating-Einlagen zur Auflockerung geradezu anbieten. Stattdessen konzentriert sich Escape Academy auf die 12 Denksport-Szenarien, die es mal als Teil eines formellen Kurses, mal als spontane Aufgabe zu lösen gilt, und orientiert sich dabei gleich an mehreren Komponenten der realen Vorbilder. Ähnlich der potter’schen Ausbildung scheint dabei die Lehrerschaft der Escape Academy zwar eine ungewöhnlich niedrige Hemmschwelle zu haben, wenn es darum geht, Leib und Leben der Schützlinge zu gefährden, indem beispielsweise Räume unter Wasser gesetzt oder Vergiftet Milchshakes als Anreiz dafür spendiert werden, ein Gegenmittel zu finden, ansonsten greifen die verschachtelten Rätsel und ihre Lösungen aber zumeist auf recht bodenständige Mittel zurück. So wird das Umfeld nach Hinweisen und Chiffren abgesucht, eingesammelte Gegenstände benutzt oder Codes geknackt, um diverse Schlösser und geheime Mechanismen zu entriegelt und so dem Ziel Stück für Stück näherzukommen. Die variantenreichen Rätsel sind dabei eigentlich durchweg kompetent entworfen und folgen einer stets nachvollziehbaren Logik. Ein besonderes Lob verdient die deutsche Lokalisierung, denn nicht nur Dialoge, sondern auch diverse andere Texte wie Passwörter oder Tipps in der Umgebung wurden weitestgehend sinnvoll eingedeutscht.

Escape Academy

Um bei der angenehmen Puzzledichte nicht überfordert zu sein, lassen sich die Aufgaben außerdem ähnlich der Vorlage online oder lokal im kooperativen Mehrspielermodus mit einer zweiten Person bestreiten. Als notorischer Einzelspieler habe ich diese Feature jedoch nicht genutzt und hatte solo dennoch mindestens genauso viel Spaß. Etwas zwiegespalten bin ich dagegen hinsichtlich des Zeitlimit, das oftmals mit den angesprochenen Gefahren begründet wird. Zwar ist dieses Element ebenfalls fester Bestandteil realer Rate-Räume, und der Druck erzeugt bisweilen eine spannende Atmosphäre, so dass es sich um so belohnender anfühlt, den Ausgang kurz vor Ablauf des Countdowns zu öffnen, andererseits bevorzuge ich gerade bei Knobelspielen eigentlich ein eher entspanntes Ambiente. Wirklich relevant ist das Einhalten dieser Vorgabe sowieso nicht, da es lediglich zusammen mit der Anzahl der genutzten Hilfestellungen Einfluss auf eine finale Bewertung hat und bei Bedarf um jeweils fünf Minuten verlängert werden kann. Wer wie ich als strebsamer Schüler dennoch gewillt ist, Bestnoten einzuheimsen und dafür die Herausforderungen noch einmal von vorne angeht, wird schnell einiger Schwachpunkte von Escape Academy gewahr: Zum einen gibt es keine Möglichkeit, innerhalb eines Levels zu speichern, so dass man sich wie beim Besuch eines entsprechenden Etablissement auch im Spiel dessen bewusst sein sollte, für die nächsten 20-45 Minuten eine Verpflichtung einzugehen. Bei einem zweiten Durchlauf wird zudem sehr schnell deutlich, dass das Spiel zusammen mit der starren Story praktisch keinerlei Wiederspielwert hat, denn durch die sorgsam designten Rätsel sind auch deren Lösungen absolut fest vorgegeben, so dass bereits bestrittene Passagen praktisch im Eiltempo durchlaufen werden können. Nun sind diese beiden Kritikpunkte eher dem Genre allgemein den Escape Academy im Speziellen geschuldet, doch vor allem die Konsolenversion hat in Form der Steuerung noch ein spezifisches Manko. Denn grundsätzlich bewegt man sich in klassischer Ego-Perspektive durch die einzelnen Abschnitte. Interagierbare Hot-Spots werden mit entsprechenden Texteinblendungen markiert, während an Stellen wie Ziffern-Pads, die eine etwas filigranere Bedienung erfordern, gerne mal auf eine fixe Perspektive gezoomt wird, in der stattdessen der Cursor bewegt wird. Doch während Genres wie Shooter die Bewegungssteuerung ohne Maus und Tastatur schon seit Jahren perfektioniert haben, fühlt sie sich in Escape Academy mit dem Controller etwas unpräzise und sprunghaft an. Selbst mit in den Optionen aktivierter Hilfestellung schob sich das Fadenkreuz mehr als einmal am Ziel vorbei und musste nachjustiert werden, um die jeweilige Aktion auszulösen. Im Großen und Ganzen geht die Eingabemethode und Technik aber auch auf der XBox One in Ordnung, schließlich sind in Escape Academy weniger flinke Finger als ein kluges Köpfchen gefragt. Darüber hinaus ist die visuelle Präsentation der Knobel-Kammern in bunter Cell-Shading Optik durchaus ansprechend, und thematisch wird ebenfalls von der Kunstwerkstatt bis hin zum vermeintlich zugerümpelten Heizungskeller einiges an Abwechslung geboten. Besonders gelungen fand ich beispielsweise einen Abschnitt, in dem man zunächst gar nicht selber direkt mit den Puzzles interagiert, sondern einem Außenteam über Funk die Lösungen mitteilt, obgleich es hier ebenso wie in den anderen Leveln durch die Bewegungsfreiheit gelegentlich dazu kommen kann, dass man das ein oder andere relevante Elemente zunächst übersieht. Da selbst die Figuren, auf die man im Verlauf des Spiels trifft, ähnlich ausdrucksstark und farbenfroh wie die Hintergründe sind, könnte das eigene Charaktermodell, das man teilweise im Spiegel und auf Videoaufzeichnungen sehen kann, fast schon als störend belangloses Detail wahrgenommen werden, hat es doch die Ausstrahlung eines Schluck Wassers und wäre als Datei cool_dreadlock_dude_168.fbx in einer generischen Anime-Bibliothek vielleicht besser aufgehoben. Sound und Musik sind dagegen wiederum absolut angemessen, denn die Tonspur mit dezenter Agententhematik untermalt unaufdringlich das Geschehen und setzt gezielte Akzente. Etwas schade ist, dass nicht sämtliche Dialoge mit der (englischen) Sprachausgabe hinterlegt sind, sondern viele der lockeren Zwiegespräche auf die typischen „so…“ und „hmm“ Soundschnipsel zurückgreifen.

Alles in allem ist Escape Academy ein durchaus gelungener Genrevertreter, der als Besonderheit einige Aspekte realer Escape Rooms wieder in Videospielform umsetzt. Der Titel wird zwar sicherlich nicht in die Annalen als besstes, cleverstes oder lustigstes Knobelspiel aller Zeiten eingehen, bietet aber auch auf der Konsole für gut 6 Stunden eine Menge Denkspaß und gute Unterhaltung mit Potential für weitere Teile.

XBox One Review: Tunic im Test

Der momentane Indie-Darling der Stunde für XBox und PC heißt Tunic. Über lange Jahre von einer einzelnen Person (Andrew Shouldice) beziehungsweise einem winzigen Team entwickelt, verbindet das Action-Adventure aktuelle Designeinflüsse der Souls-Like Spiele mit einer nostalgischen Liebeserklärung an klassische Videogames inklusive der Mysterien und Geheimnisse, die sich in einer Prä-Internetaera um sie rankten. Diese Vielschichtigkeit sorgt in mannigfaltigen Kritiken für Verzückung, doch mich hat sie ehrlich gesagt weniger beeindruckt als erhofft.

Tunic

Doch der Reihe nach, wobei der oberflächlichste Teil des Spiels auch am schnellsten abgehakt werden kann: Offensichtlichste Vorlage für das spielerische Grundgerüst von Tunic bis hin zum namensgebenden Kleidungsstück ist zweifelsohne die Legend of Zelda Reihe. In Gestalt eines niedlichen Fuchses mit grünen Stoffbehang werden dementsprechend die weitestgehend isometrisch dargestellten Umgebungen erkundet, nützliche Gegenstände eingesammelt, Feinde bekämpft, Puzzles gelöst und Aufgaben erledigt. Sowohl akustisch als auch optisch präsentiert sich Tunic dabei von seiner besten Seite. Vor allem die eigentlich recht schlicht gestaltete Landschaft aus Natur und zerfallenen Ruinen wird dank der Perspektive und hübscher Beleuchtung oftmals wunderschön in Szene gesetzt und wirkt durch mitunter eingesetzte Tilt-Shift-Technik oft wie eine Spielzeugwelt aus Papiermodellen oder Bausteinen, die nur haarscharf an der grafischen Qualität von The Touryst vorbeischrammt. Spätestens in den ersten Kämpfen offenbart Tunic dann den deutlichen Einfluss von Dark Souls und Co, indem selbst einfache Gegner kein pures Kanonenfutter, Heilgegenstände aber umso seltener sind und man sich schneller an einer der Opferstatuen wiederfindet, die beim Speichern auch gleich wieder alle Feinde zurückbringen, als einem lieb ist. Und hier setzt bereits mein erster Kritikpunkt an. Denn auch, wenn ich mit den Spielen der Souls-Reihe nicht sonderlich viel anfangen kann, bin ich einem herausfordernden Schwierigkeitsgrad grundsätzlich erst einmal nicht abgeneigt. Dementsprechend haben die Auseinandersetzungen mit frühe Widersachern einen angenehmen Tiefgang und erweitern gar das Spielgefühl um etwas taktischere Gefechte als Nintendos Vorzeigeserie. Doch spätestens nach zahllosen gescheiterten Bossbegegnungen offenbaren sich nicht nur meine anscheinend schwindenden Fähigkeiten, sondern auch Anzeichen, dass die etwas „weiche“ Steuerung von Tunic ebenso wie die Stummelbeinchen und geringe Nahkampfreichweite des Hauptcharacters vielleicht nicht unbedingt auf knallharte Kämpfe als elementares Gameplayelement ausgelegt sind. Da außerdem der Zustand der Welt dauerhaft auch nach dem Ableben erhalten bleibt, sind zwar einerseits einmal geöffnete Abkürzungen direkt wieder nutzbar, aber auch Hilfsgegenstände, die in der letzten Schlacht zum Einsatz kamen, unwiderruflich verbraucht. Ab diesem Zeitpunkt habe ich dann – zunächst nur für die großen Hauptgegner, später dauerhaft – die „kein-Scheitern“-Option aus dem Zugänglichkeitsmenü genutzt, die Meister Reinicke praktisch unbesiegbar macht, mich aber auch gleichzeitig (und in Bezug auf Tunic nicht zum letzten mal), eines Teils dessen beraubt, was ein Videospiel ausmacht. Nun möchte ich keine Diskussion über Schwierigkeitsgrade führen, doch gerade das Vorhandensein der Option und die binäre Design-Entscheidung „Spiele das Spiel so, wie es entworfen wurde, und scheitere gegebenenfalls dauerhaft, wenn du nicht gut genug bist“ versus „Aktiviere den Gott-Cheat, der Kämpfe trivialisiert und drücke im schlimmsten Fall für 3 Minuten gelangweilt den Angriffsknopf“ halte ich für einen wenig zufriedenstellenden Ansatz. Wäre zum Beispiel eine weitere Möglichkeit, die den erlittenen Schaden merklich reduziert oder anderweitig die Kämpfe erleichtert, so schlimm oder aufwändig gewesen, zumal man sich ja offensichtlich bewusst war, dass die harschen Anforderungen den einen oder die andere verprellen könnten und das Spiel darüber hinaus noch weitere Facetten zu bieten hat?

Tunic

Denn dass Tunic mehr als nur ein „a Link to the past“ meets „Elden Ring“ ist, merkt man bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, indem die erste Textbox des Spiels nicht etwa eine deutsche oder zumindest englische Mitteilung anzeigt, sondern befremdliche Keilrunen. Auch sonst hält sich der Titel mit Hilfestellungen sehr zurück, so dass man sich praktisch alles selber erschließen muss. Und spätestens, wenn der kleine Fuchs die erste bezaubernd bebilderte Handbuchseite des Spiels „Tunic“ in der Welt einsammelt, die die gleichen kryptischen Schriftzeichen nutzt, offenbart das Spiel seine Metaebene voller versteckter Geheimnisse. Ähnlich dem Outer Wilds Test kommt man dabei nicht umhin, bei einer Tunic Kritik zumindest einige Grundideen diesbezüglich zu spoilern, zumal diese für viele Fans genau die Qualität und den Reiz des Titels ausmachen. So wird relativ schnell deutlich, dass der starre Blickwinkel auf die Landschaft nicht etwa willkürlich gewählt wurde (oder um dramatische Momente mit Zooms und Kameraschwenks zu unterstreichen), sondern sich auch hervorragend dazu eignet, Passagen so hinter Objekten zu verbergen, dass sie sich erst offenbaren, wenn man aus einem neuen Gebiet in ein zuvor besuchtes Areal zurückkehrt. Diesen „Vor-aller-Augen-Versteckt-Kniff“ wendet Tunic dann auch in vielen weiteren Variationen an, indem das Spiel beispielsweise mit Handbuchseiten auf Interaktionsmöglichkeiten hinweist oder anderweitige Lösungstipps gibt.
Solch überraschende Wendungen belegen dann auch ohne Frage das designtechnische Talent, das in die Ausarbeitung gesteckt wurde, wirken sich aber nicht wirklich auf das eigentliche Gameplay aus. Würde sich Metroid wirklich anders spielen, wenn man als erstes Upgrade nicht die Morphball-Fähigkeit erhalten würde, sondern die Information, dass man sich von Anfang an in die Kugel hätte verwandeln könnte? Für mich macht es ehrlich gesagt wenig unterschied, auf welche Art und Weise mir das Spiel weitere Handlungsalternativen eröffnet. Vielmehr zelebriert Tunic mit derartigen Elementen andere denkenswerte Videospiel-Momente, beispielsweise das sprachbedingte Herumexperimentieren mit einem Japanimport, dessen Story man nur erahnen kann, oder das Entdecken der Warp-Zone in Super Mario Bros, nachdem man die vermeintliche Levelbegrenzung verlassen hat. Kurzzeitig mag dieses ein interessantes Gimmick sein, lässt sich mit den genannten Beispielen jedoch nur schwer vergleichen. Dabei möchte ich Tunic weder vorwerfen, dass es hier „nur kopiert“ oder dass es durch diese Referenzen bei der Erschaffung einer Welt voller Mysterien keine gute Arbeit geleistet hätte. Vielmehr dürfte es heutzutage grundsätzlich schwer fallen, vergleichbare magische Momente zu erzeugen wie zu den Anfangszeiten der elektronischen Unterhaltungssoftware, als praktisch jedes Spiel experimentelle Wege einschlagen und neuartige Erfahrungen bieten konnte. Schließlich hat sich die Gaming-Industrie in den letzten 50 Jahren stark entwickelt, und auch die Gemeinschaft dürfte etwas abgeklärter sein und wissen, was in Spielen alles möglich ist. Außerdem ist inzwischen dem Internet sei dank eine komplette Offenlegung selbst der abstrusesten Details oft nur wenige Mausklicks entfernt.
Hat man darüber hinaus erst einmal hinter die Oberfläche geblickt, stellen sich – ähnlich einem -M. Night Shyamalan Film-Marathon- leichte Ermüdungserscheinungen ein, indem zum Beispiel selbst versteckte Räume weitere Geheimgänge enthalten oder sich Hintergrundstrukturen, die einem bereits zu beginn des Spieles verdächtig und irgendwie relevant vorkommen, als eben dieses entpuppen. Und so habe ich nach erreichen eines Endes noch verschiedene Hinweis entschlüsselt, die auch mehr über die etwas nebulös gehaltene Hintergrundgeschichte zu Tage fördern, und teils unter Zuhilfenahme von Stift und Papier einige durchaus befriedigende Geheimnis aufgedeckt, während mir bei anderen Rätseln zumindest die zugrundeliegenden Elemente, nicht jedoch die konkrete Ausführung klar war oder deren kryptische Lösungstipp mir vollständig verborgen blieben (Stichwort Bergtor / goldener Pfad). Diverse erklärende Youtube-Videos später sehe ich mich zwar in meiner Wertschätzung für das überaus clevere Design bestätigt, verspüre jedoch wenig Lust, das gesehene selber in die Tat umzusetzen. Denn anders als beispielsweise in einem klassischen Point’n’Click oder Action-Adventure stehen die Puzzle weitestgehend für sich alleine und dienen eigentlich reinem Selbstzweck beziehungsweise sind eigentlich nur die notwendige Pointe für die ideenreich verklausulierten Hinweise. Zwar gibt mindestens ein weiteres Ende, und wer weiß, vielleicht sind noch nicht alle Mysterien rund um Tunic aufgedeckt, doch ich für meinen Teil sehe mich genau wie bei den Kämpfen am Ende meiner Möglichkeiten, zumal die komplexesten Aufgabenstellung gar nicht darauf ausgelegt zu sein scheinen, von Otto-Normalspieler regulär gelöst zu werden, sondern vielmehr von der Tunic-Community geknackt zu werden, die auch mal gerne Audio-Dateien einer Frequenzanalyse unterzieht, und die sicherlich auch Spiele wie FEZ aktiv verfolgt hat.
Tunic ist ein hervorragendes Spiel. Tunic zu spielen ist jedoch lediglich gut. Denn so kompetent und ausgefuchst die Puzzlebox im Gewand eines Action-Adventures auch entworfen sein mag, trägt die größte Stärke des Mediums, nämlich die Interaktivität, meiner Meinung nach mitunter nur wenig zur Spielerfahrung bei beziehungsweise steht dieser sogar im Weg. Es mag fast unfair erscheinen, Tunic wegen seiner kreativen Ambitionen zu kritisieren oder gar zu unterstellen, dass sich eine „gradlinigere“ Umsetzung besser spielen würde, doch war es gerade der Hype um Tunics Mysterien, der ursprünglich mein Interesse geweckt hat, der dem tatsächlichen Erlebnis dann aber eben nicht gerecht wurde.