Letzte Woche erschien mit Batman: Arkham Knight der jüngster Teil von Rocksteadys Arkham Reihe – einer Serie, die nicht nur grundsätzlich für ihre spielerischen Qualitäten geschätzt wird, sondern auch als Paradebeispiel für hochwertige und authentische Umsetzungen von Lizenzen im Allgemeinen und der Batman-Comics im Speziellen gilt. Fand sich der dunkle Ritter bei früheren Versoftungen nicht selten in beliebigen Action-Plattformern oder Gurken wie Batman: Dark Tomorrow wieder, wurde 2009 Batman: Arkham Asylum zu recht dafür gepriesen, wie sehr es die Essenz der Vorlage einfing.
In diesem Zusammenhang wird meines Erachtens nach aber regelmäßig Electronic Arts Videospieladaption von Batman Begins unterschätzt, die bereits vier Jahre zuvor für Playstation 2, Gamecube und original Xbox erschien. Damals mit dem leichten Stigma der Filmumsetzung versehen und als „Splinter Cell light“ betitelt zeigt der vom britischen Entwickler Eurocom umgesetzte Titel noch ohne offene Spielwelt doch bereits die Richtung, in die sich Batman unter Rocksteadys Führung entwickeln würde: Bruce Waynes Alter Ego schleicht durch düstere Örtlichkeiten, schaltet hinterrücks Feinde lautlos aus oder umgeht sie, indem er an Rohren entlang hangelt, durch Schächte kriecht oder sich per Bat-Haken an Vorsprüngen emporzieht. In den recht linearen Leveln gibt es dabei jedoch wenig Freiheiten bei der Wahl der Vorgehensweise. Für gewöhlich ist genau ein Lösungsweg vorgesehen, um die jeweilige Passage zu meistern. Das stellt jedoch nicht unbedingt einen Nachteil dar, haben die Macher doch so weitestgehende Kontrolle über die entsprechende Situation und können die Fledermaus gekonnt in Szene setzen. Ohne den Stress situationsbedingter Entscheidungen muss zwar dennoch ab und an der richtige Augenblick für Aktionen abgepasst werden, um beispielsweise nicht in das Blickfeld auf kurzen Wegen patrouillierender Gegner zu gelangen, hauptsächlich bleibt beim heimlichen Vorgehen jedoch genügend Zeit, das Umfeld zu sondieren, die weiteren Schritte zu planen und die Umgebung mit Hilfe einiger nützlichen Gadgets zu manipulieren. Vor allem der Batarang erschließt so nicht nur neue Wege, sondern kann an vorgegebenen Stellen auch dazu genutzt werden, Gothams Kriminelle in Angst und Schrecken zu versetzen. Der filmischen Vorlage und dem Bösewicht Scarecrow entsprechend ist nämlich das Konzept der Furcht auch im Videospiel ein zentrales Element und wird spielmechanisch besser umgesetzt als in irgendeinem der Nachfolgetitel. Aus der Dunkelheit heraus zur Explosion gebrachte Gasflaschen oder herabfallende Stahlträger treiben den Puls der Widersacher schnell in die Höhe und beunruhigen diese dermaßen, dass sie schon mal ihren Wachposten verlassen oder ihre Schusswaffen fallen lassen. Derartiges systematisches Vorgehen ist oftmals unumgänglich, da der maskierte Rächer bei allzu offensiver Herangehensweise mit hoher Wahrscheinlichkeit im Kugelhagel das zeitliche segnet.
Kommt es trotz des eindeutigen Fokus auf Stealth dennoch zum an manchen Stellen unumgänglichen offenen Auseinandersetzungen Mann gegen Mann, greift Batman auf eine Steuerung zurück, die zwar nicht so eingängig und spektakulär wie die des von Rocksteady perfektionierte Freeflow-Systems ist, mit diesem aber ebenfalls bereits einige erstaunliche Gemeinsamkeiten teilt. Neben aneinanderreihbaren Standardschlägen und -tritten stehen kontextsensitiv Spezialangriffe zur Verfügung, die die gegnerische Deckung durchbrechen oder gleich mehrere Angreifer niederstrecken. Darüber hinaus können Attacken äußerst effektiv geblockt oder mit dem richtigen Timing spektakulär gekontert werden. Auf diese Weise lassen sich die teils mit Schwertern, Messern oder Knüppeln ausgestattete Feinde eindrucksvoll entwaffnen. Außerdem findet das Angst-System auch im Nahkampf Einsatz: Prügel und Hilfsmittel wie Blendgranaten dienen zur Einschüchterung der Gegner, die sich dann leichter besiegen lassen, weniger offensiv vorgehen oder sich gleich zitternd in eine Ecke verkriechen. Wenn darauf kurze Einblendungen zeigen, wie verängstigte Ganoven per Hochfrequenzsender in einen Schwarm Fledermäuse eingehüllt werden oder in ihrer Panik Batman als dämonische Kreatur wahrnehmen fühlt man sich wahrlich wie der Schrecken von Gothams Unterwelt.
Zwar sind die einzelnen Ideen in den Kämpfen unter modernen Gesichtspunkten etwas holprig umgesetzt und die Steuerung ist trotz gelungener Lock-On-Funktion nicht ganz so unmittelbar und flüssig wie in den restlichen Teilen des Spiels, die Handgemenge machen aber dennoch Spaß und bieten zumindest auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade ihre eigenen Herausforderungen. Da sich der Held nicht automatisch heilt, sondern auf in den Level verteilte Medizinschränke angewiesen ist, die Gegner ihrerseits ebenfalls gerne blocken und zudem ihre Aktionen nicht per Icon ankündigen, sondern diese vielmehr aus ihren Animationen abgeleitet werden müssen, wohnt jeder Auseinandersetzung eine gewisse Tiefe inne. Dementsprechend stellen bereits drei bis vier Gegner, von denen sich Batman maximal umzingelt sieht, eine ernstzunehmende Bedrohung dar, womit sich die Kämpfe zumindest hinsichtlich des Kräfteverhältnisses weitaus realistischer und authentischer präsentieren als in den Vertretern der Arkham-Reihe, in denen 20-25 Schergen mit einer einzigen Kombo ausgeschaltet werden können. Insgesamt gestaltet sich Batman Begins dank des Bezugs zum Film weitaus bodenständiger und weniger überzogen. Die Cristan Bale nachempfunden Hauptfigur ist drahtig und keine muskelbepackte Kampfmaschine, statt auf aufgepumpte Bandenmitglieder in Ganguniform trifft Batman auf gewöhnlich gekleidete Mafia-Schläger, und der Batgürtel verzichtet auf eine allzu ausufernde Anzahl an High-Tech-Spielzeug, sondern beschränkt sich auf halbwegs glaubwürdige Gerätschaften wie Greifhaken, flexible Kamera oder verschiedene Effektgranaten.
Story und Umgebungen orientieren sich ebenfalls grob an der Handlung des meiner Meinung nach besten Teil der Nolan-Trilogie, nutzen jedoch auch gerne erzählerische Freiheiten, um Geschehnisse zu verändern, Ereignisse neu zu verorten oder einzelne Erzählstränge weiter zu vertiefen. So verschlägt es den weltbesten Detektiv bei weiteren Ermittlungen über den Verbleib mysteriöser Drogen beziehungsweise einer gestohlenen Mikrowellenwaffe in Mafiaverstecke oder ein verlassenes Museum. Auch von der Leinwand bekannte Szenarien wie die Docks wurden massiv erweitert. Mit dem Arkham Asylum wurde vor allem Gothams psychiatrischer Vollzugsanstalt ein großer Stellenwert eingeräumt, so dass man dort einen nicht unerheblichen Teil der Spielzeit verbringt. Halte ich Batman: Arkham Asylum für den stärksten Vertreter der Rocksteady Reihe, zeigt auch Electronic Arts Interpretation der Anlage, welch Abwechslungsreichtum in diesem einzelnen Setting liegt. Das Asylum wirkt mit ihrer kompakten und urbanen Architektur grundlegend anders als ihr 2009er Gegenstück, verfügt mit verschiedenen Abschnitten vom unbemerkten Eindringen in Behandlungsräume über Ausschalten der Stromzufuhr im Versorgungstrakt bis hin zur Flucht vor Spezialeinheiten der Polizei aus der Verwaltung aber ebenfalls über eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufgaben und Umgebungen. Auch optisch gehört das Sanatorium für geistesgestörte Kriminelle zu den Höhepunkten von Batman Begins, wobei der Titel natürlich visuellen nicht mit der Opulenz aktueller Spiele auf moderner Hardware mithalten kann. Vor allem einige Animationen wirken heutzutage etwas hampelig, und einzelne Level wie die Flucht aus dem brennenden Wayne Manor fallen grafisch deutlich ab. Ansonsten ist die inzwischen 10 Jahre alte Xbox Version erstaunlich würdevoll gealtert. Die Umgebungen wirken ausreichend scharf und detailliert und sind dank stimmungsvollem Lichtdesign erstaunlich farbenfroh für einen Schleichspiel. Elemente wie durch vernagelte Fenster einfallende Lichtstrahlen oder die sich auf nebeliger Wasserfläche spiegelnde Skyline im Mondschein mögen aus technischer Sicht vielleicht nicht mehr ganz so sehr beeindrucken, sind aber noch immer hübsch anzusehen. Zudem wird mit kleinen Detail und Animationen in den Hintergründen der Eindruck eines lebendigen Gothams erzeugt.
Auch die Gesichtstexturen der Charaktermodelle haben sich trotz SD-Auflösung relativ gut gehalten und sehen Ihren realen Vorbildern wie Liam Neeson oder Tom Wilkinson erstaunlich ähnlich. Da die Vertonung ebenfalls von den Schauspielern vorgenommen wurde, erklingen in den Dialogen bis auf wenige Ausnahmen die Originalstimmen von Christian Bale, Michael Cane und Co. beziehungsweise deren einheimische Synchronstimmen. Neben dem Funkverkehr mit Alfred sind dabei besonders die Gespräche der Gangster untereinander unterhaltsam, die schon mal darüber sinnieren, ob es den Batman wirklich gibt oder was mit den Kuscheltieren passiert, in denen Drogen geschmuggelt wurden. Allerdings merkt man trotz ihrer Professionalität vor allem in actionreichen Situationen wie Verhörszenen der Sprachausgabe an, dass diese im Studio und in jeweils einzelnen Sitzungen aufgenommen wurde.
Mit Zitaten aus dem Film unterlegt sind auch die krude zusammengeschnittenen Filmschnipsel, die zwischen den einzelnen Leveln gezeigt werden und herzlich wenig zum Verständnis der Story beitragen. Ebenfalls überflüssig sind auch zwei kleine Renneinlagen im Batmobil, die von den Machern der damals populären Burnout-Serie eingestreut wurden und mit vielen Kollateralschäden und einem wenig auf Unauffälligkeit bedachten Batman genauso deplatziert wirken wie im Kino.
Batman Begins mag im Schatten der übermächtig erscheinenden Arkham Reihe ein wenig verblassen, doch auch im Jahre 2015 hatte ich der Abwärtskompatibilität der Xbox 360 sei dank durchaus Spaß mit dem Titel und mich darüber gefreut, den menschlichsten aller Helden aus dem DC-Universum noch einmal aus einem anderen als den seit 6 Jahren einzig vorherrschenden Blickwickel zu sehen. Vor allem Aspekte, die ich an Rocksteadys Werken unpassend finde, wie die einen Hauch zu sehr auf Allmachts-Phantasien ausgelegte offene Spielwelt ab Batman:Arkham City, werden hier vermieden. Wer ein Exemplar für günstiges Geld auf dem Flohmarkt, bei eBay oder Amazon erspäht, sollte also zugreifen, zumal aufgrund der vertrackten Lizenzrechte ein HD-Remake bzw. Anniversary-Edition auf den aktuellen Konsolen nahezu ausgeschlossen sein dürfte.