Altersbedingt kann ich mich zwar noch gut daran erinnern, in Kindheitstagen den einen oder anderen Flipperautomat in den Eingangsbereichen von Supermärkten oder Schwimmhallen in Aktion erlebt zu haben, hatte jedoch kaum eine Chance, mein sauber verdientes (Taschen)Geld in sie zu investieren, bevor sie aus diesen öffentlichen Räumen verbannt wurden. Vermutlich rührt daher auch mein Interesse für digitale Flipperspiele, angefangen bei den Frühwerken David’s Midnight Magic und Pinball Construction Kit über die scrollenden 2D Spiel der 90er wie Pinball Fantasies oder EPIC Pinball bis hin zu aktuellen Vertretern, beispielsweise Zen Pinball oder The Pinball Arcade. Letztgenannter Titel setzt dabei auf die Simulation realer Vorlagen, verlor jedoch erst kürzlich die Lizenzen für eine Reihe populärer Automaten.
Wer diese und andere Tische aus einer ebenso umfangreichen Zeitspanne live erleben will, wird im Berliner Stadtteil Zehlendorf in der etwas banal benannten „Flipperhalle Berlin“ fündig. Was sich zunächst nach Spielothek anhört, entpuppt sich in einem kleinen Gewerbegebiet am Rande gutbürgerlicher Wohnhäuser als unscheinbare Industriehalle, in der man auch eine dubiosen Autohändler nebst Werkstatt vermuten könnte. Doch wie so oft kommt es auf die inneren Werte an: gut 60 Flipperautomaten von den späten 70ern bis zum Jahr 2017 können für den trotz kurzfristiger Preiserhöhung meiner Meinung nach noch immer fairen Eintrittspreis von einmalig 10 EUR nach belieben kostenlos gespielt werden. Dafür stehen in einem Haupt- und einem Nebenraum eine Auswahl des Who-is-who (inklusive einem Dr. Who und The Who’s Tommy) populärer Pinball-Geräte bereit: vor allem namhafte Tische aus den 90ern wie Elvira, Adams Family, Startrek TNG, Terminator 2, Tales of the Arabian Night, Medieval Madness oder The Twilightzone wissen mit komplexerem Aufbau, vielen Rampen und allerlei mechanischen Gimmicks zu gefallen. Mein persönlicher Favorit war jedoch keiner der zahlreichen Band-, TV- oder Leinwandlizenzen, sondern Monster Bash, bei dem es darum geht, eine Band aus bekannten Gruselgestalten wie Dracula oder dem Ding aus dem Sumpf zusammenzustellen. Als sich unter Donner und flackernden Lichtern ein Gestell mit Frankensteins Monster aufrichtete und so den Aufbau der Spielfläche veränderte, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Apropos Lichter: Die waren einer der Gründe, warum ich mit den Flippern aktuellerer Baujahre nicht sonderlich warm wurde. Die offensichtlich von LEDs beleuchteten Tische zu Game of Thrones oder dem Startrek Reboot von J.J. Abrahams erstrahlten in dermaßen hellem und gleißendem Licht, dass die Konzentration auf das Geschehen bisweilen etwas schwer fiel. Darüber hinaus sind beispielsweise beim Hobbit-Tisch technische Spielereien wie mehrere hoch aufgelöste Farbbildschirme, die Ausschnitte aus der Film-Trilogie oder einen QR-Code zum tweeten des Highscores zeigen, zwar ganz nett, lenken aber für meinen Geschmack etwas zu sehr von den analogen Pinball-Wurzeln ab, die man am anderen Ende des Zeitspektrums der vertretenen Geräte erleben kann. Teilweise noch mit mechanischem Glockenspiel sind frühe Flipperautomaten wie Mata Hari um einiges simpler aufgebaut und nicht unbedingt auf lange, missionsbasierte Spielrunden ausgelegt, machen aber dennoch zumindest für eine Weile Spaß. Besonders positiv stach hier Bally’s Mr. & Mrs. Pacman Tisch von 1982 heraus: mit einem cleveren Layout inklusive drittem Paddle und quasi einem rundenbasierten Pacman Minispiel sicherte sich das Gerät über einen unerwartet langen Zeitraum meine Aufmerksamkeit. Dabei ist es umso erstaunlicher, in welchem Guten Zustand sich die Tische nach 35 und mehr Jahren befanden: Hinter den frisch polierten Glasscheiben rollten die Stahlkugeln weitestgehend störungsfrei, alle Flipperarme reagierten prompt und ein Verschleiß an mechanischen oder elektronischen Elementen konnte bis auf ein einziges nicht funktionierendes Lämpchen nicht ausgemacht werden. Wie anfällig die Automaten sind und vor allem welches komplexes Innenleben in ihnen steckt konnte ebenfalls erlebt werden, als dann doch noch ein Tisch spontan gewartet werden musste.
Bei der Vielzahl an interessanten Geräten ist es fast schon etwas schade, dass die Flipperhalle Berlin nicht zumindest einen kleinen Museumsaspekt verfolgt und ein paar Informationen zum historischen Kontext der Flipper und ihrer Lizenzen bereithält. Stattdessen liegt der Fokus eindeutig auf dem Spielerlebnis in der für Berlin typischen ungezwungen, fast schon familiären, Umgebung. So wurden neben den bereitstehenden Snacks und Getränken zum Selbstkostenpreis bei strahlendem Sonnenschein kurzerhand noch ein Paar Würstchen auf einen Grill vor der Halle geworfen. Auch das Publikum war überraschend weit gestreut und reichte von Studenten über Nerds mittleren Alters bis hin zu kompletten Familie und Großvätern nebst Enkelkinder, die zuvor wohl noch nie einen Flipper gesehen haben dürften. Und auch, wenn das Besucheraufkommen im Laufe des Nachmittags zunahm, war es insgesamt noch recht moderat und es fand sich stets ein freier Tisch zum Spielen. Wer übrigens wie ich großes Interesse, aber wenig echtes Talent für Flipperspiele besitzt, hat bei einem frühen Besuche zudem zumindest kurzfristig die Chance, sich in den Tageshighscorelisten zu verewigen. 😉
Somit kann ich einen Besuch in der Flipperhalle Berlin für eine Paar vergnügliche Stunden abseits des üblichen Kulturprogamms nur wärmstens empfehlen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Angebot möglichst lange erhalten bleibt und in Zukunft vielleicht noch das eine oder andere Gerät seinen Weg in die Sammlung findet.