Bevor Titel wie Rockband oder Guitar Hero vor gut 10 Jahren das Genre der Musikspiele in den Fokus des westlichen Massenmarkts rückten, wurde diese Nische hauptsächlich von skurrilen japanischen Produkten dominiert, die auch heutzutage noch abseits von sperrigen Spezialkontrollern vor allem auf mobilen Geräten anzutreffen sind. Das Wort „skurril“ trifft auf jeden Fall auch das kürzlich für bereits merkwürdige 5,48 Euro im 3DS eshop veröffentlichten Radiohammer zu, wird man doch in Gestalt der zuckersüßen Radio- DJane July Ann ohne weitere Vorwarnung mit der Aufgabe betraut, durch den Park huschende Exhibitionisten mittels eines gigantischen Hammers in ihre Schranken zu verweisen, bevor sie sich unsittlich entblößen können.
Um die auf zwei Bahnen anstürmenden Perverslinge wortwörtlich in die Flucht zu schlagen ist ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl hilfreich, sollen die zwei ausführbaren Angriffe doch möglichst passgenau mit den Gegnerwellen und der begleitenden Musik in Einklang gebracht werden. Mit gut unterscheidbaren Einzel-, Zweier und Dreiergruppen sowie einem Kreis, der sich um ein Symbol zusammenzieht, wird aber auch visuell eine gute Hilfestellung gegeben, die bei der typischen Bewertung der Aktionen von perfekt bis schlecht nützlich ist und im Idealfall zu einer langen, punktespendenden Kombokette führt. Gelegentlich hereingereichte Geschenke, die je nach Farbgebung aufgesammelt oder vermieden werden müssen, unterstützen zudem bei angeschlagener Lebensenergie oder füllen die Feverleiste, mit der sich die Trenchcoatträger fehlerfrei vermöbeln lassen.
In den zwei folgenden Kapiteln nebst Bonusabschnitt rund um weitere Diskjockeys des namensgebenden Piratensenders Radiohammer bietet der Titel mit der Verteidigung gegen notenförmige Außerirdische oder der Bekämpfung einer Plage von untoten Rockmusikern zwar weniger „WTF Japan???“ Momente als July Anns Episode, wartet mit insgesamt 47 Leveln im Stroymodus und fast ebensovielen Musikstücken in Sachen Umfang zumindest auf dem Papier ordentlich auf. Qualitativ reicht der größtenteils instrumentale Soundtrack zwar bei weitem nicht an Größen wie Space Channel 5 oder auch Jet Set Radios heran, bietet jedoch – einen entsprechend offenen Musikgeschmack vorausgesetzt – durchgehen schmissig flotte Stücke, von denen einige wie Oriental Girl auch längerfristig im Gedächtnis bleiben.
Die Songs bestehen weitestgehend aus funkig angehauchtem (J/K-) Pop mit Anleihen bei anderen Genres wie Rock oder Electro und versprühen eine ähnlich positive Energie wie die farbenfrohe Optik. Trotz offensichtlicher Manga-Wurzel besticht die Grafik mit ihrer Palette aus Pastelltönen und den feingliedrigen, knopfäugigen Charakteren durch einen ganz eigenen Stil, und auch wenn die teils schicken, teils etwas kruden Animationen von Figuren und Hintergründen insgesamt etwas sparsam ausfallen, so lenken sie doch wenigstens nicht vom Geschehen ab. Etwas schade ist der Verzicht auf jegliche 3D Unterstützung bei dieser Portierung vom Smartphone auf den 3DS, würde sich ein räumlicher Effekt doch wegen der Aufteilung auf zwei Ebenen geradezu anbieten. Nintendos Handheld kann dafür bei der Steuerung punkten, denn mit Touchpad, Steuerkreuz und Aktionstasten stehen gleich mehrere Bedienmöglichkeiten zur Verfügung. Ich persönlich fand dabei die Kombination aus Stylustipper und Steuerkreuz optimal, um mich an den interessant gestalteten, wenn auch nicht immer sofort aus dem Takt ableitbaren Aktionsmustern zu versuchen.
Das Drumherum stimmt also, nur beim Zusammenfügen all dieser Komponenten zu einem motivierenden Spiel weist Radiohammer einige Schwächen auf und kommt ein wenig – Achtung Wortwitz – eintönig daher. Sind die Interaktionsmöglichkeiten bereits eingeschränkter als beispielsweise bei Elite Beat Agent oder Hatsune Miku: Project Mirai DX, unternimmt der Titel wenig Anstrengungen, um den Spielablauf abwechslungsreicher zu gestalten. Die „Geschichte“ des Hauptmodus ist wenig mehr als eine in kurzen Texten erzählte Erläuterung des aus einem Grafikset bestehenden Szenarios, und durch die strikte Linearität sieht man sich über weite Strecken den gleichen Hintergründen und musikalischen Themen ausgesetzt. Zwar wartet am jeweiligen Kapitelende ein Bosskampf, der aber absolut identisch zu Rest des Spiels ausfällt und auf die gleichen Mechaniken setzt, die praktisch unverändert von der ersten bis zur letzten Minute zum Einsatz kommen. Darüber hinaus steigt das Musiktempo und damit einhergehend der Schwierigkeitsgrad zwar angenehm sachte, aber kontinuierlich an, wirklich fordernd mit der Möglichkeit zu scheitern wird Radiohammer aber erst im letzten Drittel, wo man mit vorangekündigten, dafür extrem schnell anstürmenden Wiedersachen tatsächlich vereinzelt auch auf einen neuen Gegnertyp triff. Da die Songs außerdem selten länger als ein bis zwei Minuten sind, ist die Kampagne selbst mit Aufgaben, die auf mehrere Titel umfassende Playlisten setzten, in gut zwei bis drei Stunden abgeschlossen. Einmal freigeschaltet lassen sich die Lieder dann einzeln auf der Jagd nach Highscores und Medaillen angehen oder man versucht sich an bereits gemeisterten Missionen, um Nebenbedingungen wie fehlerfreies Spielen oder das Aufsammeln aller Geschenke zu erfüllen. Leider verzichtet Radiohammer auch dabei darauf, entsprechende Anreize zu schaffen. Statt der fast versteckten Punktezahl und unspektakulär wirkenden Symbolen für die Auszeichnungen hätte beispielsweise ein Online-Ranking, freispielbare Kostüm, Konzeptzeichnungen oder auch eine die Kapitel umspannende, noch abgedrehtere Story in Comicbildern ohne allzu großen Aufwand stark zur Motivation beitragen können. Dass die Lieder nicht wie anderswo üblich in unterschiedlichen Schwierigkeitsvarianten vorliegen, relativiert darüber hinaus den Umfang des Spiels etwas. Zwar lässt sich ein alternativer Modus aktivieren, der sich auf eine einzige Spur beschränkt und dafür das Tempo immens steigert. Da dieser aber nicht separat verwaltet wird, sondern sich Punkte und Leistungen mit der normalen Spielart teilt, kommt er ein wenig witzlos daher und verschenkt erneut einiges an Potential.
Ein Fazit fällt somit so schwer wie selten. Stand ich Radiohammer als hübsch präsentierten, aber recht generischen Musikspiel ohne echte Alleinstellungsmerkmale anfangs noch skeptisch gegenüber, überzeugte der Titel letztlich aber doch mit seiner Unbeschwertheit so wie seinem einsteigerfreundlichen und grundsoliden Gameplay, auch wenn die Befriedigung eher im Spielgeschehen selber denn einer spektakulären Belohnung auf dem Bildschirm zu suchen ist.